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Weltbekannt ist: Friedrich Engels war intellektueller Sparringspartner und enger Freund von Karl Marx. Weltbekannt sind auch die Themen und Theoreme, über die sich Marx und Engels austauschten. Diese firmieren bis heute unter dem Begriff „Marxismus“, wenngleich das Suffix eindeutig Karl Marx als Urheber ausweist. Weltbekannt ist dagegen nicht, für welche Themen eigentlich Friedrich Engels stand. Welche Rollen und Wirkungsbeziehungen können speziell ihm in der Arbeiterbewegung zugeschrieben werden? Sein zweihundertster Geburtstag ist ein guter Zeitpunkt, um einmal nachzufragen.
In der historischen Forschung wird Engels eher als talentierter Gesellschaftsanalytiker und Sozialkritiker, als radikaler Republikaner und politischer Netzwerker der Kaiserzeit beschrieben. Er wirkte als verbindendes Glied, als Intermediator und Kommunikator in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Durch das 19. Jahrhundert hindurch wurde er von ihr geprägt und prägte sie selbst nachhaltig.
Der junge Engels entfloh dem Pietismus seines Elternhauses und seiner Heimatstadt Wuppertal durch eine in Bremen absolvierte Lehre. Während seinem Militärdienst schloss er sich den staatskritischen und freigeistigen Kreisen Berlins an. Hier radikalisierte sich seine politische Haltung und führte ihn in die entstehende Welt der Arbeiterbewegung und ihre intellektuellen Netzwerke. Diese sich in Brüchen entwickelnde Bewegung besaß keine kohärente Weltsicht. Der Ariadnefaden der demokratisch-reformerischen Bewegung wurde zunächst nur durch Ideen und einzelne Personen gesponnen, da insbesondere der preußische Staat durch Verfolgungsmaßnahmen eine politische Organisation immer wieder zu verhindern suchte. So wurden Wissen, Erfahrungen und Visionen den Repressionen zum Trotz in Seilschaften, Geheimbünden und unter Gleichgesinnten ausgetauscht. Geflüchtete Handwerksgesellen und reformerische Intellektuelle verbreiteten in und über die Grenzen der europäischen Gastländer hinweg die unterschiedlichen intellektuellen Impulse der deutschsprachigen Arbeiterbewegung zur Behandlung der sozialen Frage, der politischen Freiheit und der Nationsbildung.
In dieser Situation von europaweit gut situierten Netzwerken trat 1842 Friedrich Engels auf den Plan. Auf seiner Europareise traf Engels in Köln, Paris und England auf Aktivisten wie Moses Hess, der ihn (und auch Marx) mit den Ideen der französischen Frühsozialisten bekannt machte. Der Newcomer Engels las bei einem längeren Aufenthalt in London Texte von französischen Frühsozialisten wie Louis Blanc und Pierre-Joseph Proudhon zur politischen Ökonomie, in denen der Arbeit eine zentrale Rolle für die gesellschaftliche Organisation zugeschrieben wurde. Aufbauend auf ihren Überlegungen verfasste er eine der ersten Untersuchungen mit den Methoden der empirischen Sozialforschung, den Bericht zur „Lage der arbeitenden Klasse in England“, der wiederum die Netzwerke in Paris und Andernorts tief beeindrucken und zu einem seiner berühmtesten Texte überhaupt werden sollte. Mit weiterführenden Schriften zur Ökonomie brachte er sich in den 1840er-Jahren nun regelmäßig in den deutschsprachigen Politdiskurs ein. Damit verkörperte Engels den neuen Typus eines transnational aktiven Intellektuellen. Ab 1844 betrat er gemeinsam mit seinem Freund Karl Marx auch die Arena der politischen Aktion und übernahm eine neue Rolle: die des politischen Redners, wie 1845 als Agitator des „Communismus“ in Elberfeld.
Beobachten, Schreiben, Vernetzen und Agieren drehten sich bei Friedrich Engels in einer Motivationsspirale, aus der 1846 (an der Seite von Marx) die Gründung des Kommunistischen Korrespondenz-Komitees in Brüssel, aus der später die Organisation des Bundes der Kommunisten entsprang. Ganz nebenbei wirkte er auf dem internationalen Kongress des Bundes an der Gründung des Deutschen Arbeiter-Vereins mit und brachte sich aktiv in der Brüsseler Demokratischen Assoziation ein. 1848 gründete Engels mit Marx und Heinrich Bürgers zunächst die „Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie“. Fast zeitgleich warf er sich nicht nur rhetorisch in die Revolution und trat in die Badische Revolutionsarmee ein. Im Herbst 1849, mit der Niederschlagung der badisch-pfälzischen Aufstände, kehrte Engels nach Großbritannien zurück – diesmal selbst als politisch Asylsuchender.
In Manchester lebte Engels für gut 20 Jahre als Unternehmer, setzte jedoch gleichzeitig das Engagement für die Arbeiterbewegung fort. Dabei blieb er seinem Arbeitsmodus treu: Alles Relevante für die Erreichung des übergeordneten Ziels wurde streng systematisch und diszipliniert gelesen, scharf beobachtet und in eigenen Texten, Repliken und Reden öffentlichkeitswirksam oder im Gespräch bzw. im Briefnetzwerk verarbeitet. Engels war nicht nur ständiger Berater und kritischer Lektor von Karl Marx, sondern gewissermaßen sein „Medium“. Schon bevor sich 1875 aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Verein (ADAV) und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zusammenfand, die sich 1890 in SPD umbenennen sollte, gehörten zu seinen Korrespondenzpartnern fast alle namhaften Sozialdemokraten der ersten Stunde, wie August Bebel und Wilhelm Liebknecht.
Friedrich Engels bewertete, wie auch Karl Marx, die Zusammensetzung und den politischen Erfolg der Partei – väterlich wohlwollend – als bislang beste Umsetzung der Internationalen auf nationalem Boden. Gleichzeitig sparte Engels nicht mit Kritik an den aus seiner Sicht schlechten Kompromissen in der Parlamentsarbeit. Er beobachtete die Vorgänge im Reichstag im Detail und versuchte mit Einlassungen und Anweisungen gezielt auf das politische Verhalten der Abgeordneten einzuwirken. Bis ins hohe Alter glaubte Engels an die Mobilisierung durch Kritik und Eskalation und verachtete den Kompromiss als Tod jedweder Aktivierung der Arbeiterbewegung – seine Schnelligkeit und Scharfzüngigkeit in der Rede galten als legendär. In seiner intellektuellen Beschäftigung mit den sozialen und ökonomischen Veränderungen der Welt durch die Industrialisierung sollte sich hingegen der Drang nach Systematik und Genauigkeit eher steigern. Die naturwissenschaftlichen Entdeckungen der Zeit ließen es Engels nur natürlich erscheinen, dass man auch für die Gesellschaft ein quasi-naturwissenschaftliches Ordnungssystem entdecken kann. Die Weiterentwicklung dieses Systems wäre dann der Schlüssel zu sozialer Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Seine zahlreichen Veröffentlichungen und sein Rat in dieser Zeit zielten darauf, diese Grundannahmen und damit auch die nötigen Konsequenzen geeignet zu popularisieren – mit Erfolg: Engels entwickelte sich insbesondere nach Marx‘ Tod 1883 zu einer Art grauen Eminenz der (internationalen) Arbeiterbewegung, in dieser Rolle wurde er vor allem seit der Gründung der Zweiten Internationale 1889 sichtbar. Er hatte sich unmerklich von einem der „beiden Alten in London“ (August Bebel), die auf der Galerie saßen und alles besser wussten, zum „Spindoktor der europäischen Sozialdemokratie“ gewandelt.
Anja Kruke / Ursula Bitzegeio
Weiterführende Literatur:
Anja Kruke, Engels und die Arbeiterbewegung. Rollen und Wirkungsbeziehungen, in: Lars Bluma (Hrsg.), Friedrich Engels - ein Gespenst geht um in Europa, Remscheid 2020, Seite 206-219.
Und in unserem Bibliothekskatalog.
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