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Im zweiten und letzten Teil unseres Blogbeitrags zur SPD in Brandenburg nach Kriegsende schildert unser Gastautor René Schroeder den Weg zur Verschmelzung von KPD und SPD.
Spaltung der Sozialdemokratie in Ost und West
Im Verlauf des Novembers 1945 änderte die Brandenburger SPD-Parteispitze ihre Haltung zur Frage des Zusammenschlusses. Ausschlaggebend war der Richtungswechsel des Zentralausschusses (ZA) in Berlin hin zur organisatorischen Verschmelzung beider Parteien, die Otto Grotewohl mit seiner Rede am 11. November auf der zentralen Gedenkveranstaltung der SPD zum Jahrestag der Novemberrevolution verkündete. Dies lag vor allem daran, dass im Oktober der Versuch des Zentralausschusses gescheitert war, sich mit Kurt Schumacher, der für den Wiederaufbau der SPD in Westdeutschland zuständig war, auf eine organisatorische Einheit der SPD in allen vier Besatzungszonen und auf die zentrale Führung der Partei durch den ZA von Berlin aus zu verständigen. So konnte sich die ostdeutsche SPD der Forderung von KPD und sowjetischer Besatzungsmacht nach einer Vereinigung beider Parteien auf Dauer nicht mehr entziehen. Damit war auch der Weg für die Spaltung der Sozialdemokratie in Ost und West bereits zu diesem Zeitpunkt geebnet.
Bedingungen der SPD zur Verschmelzung beider Parteien
In seiner Rede wies Grotewohl darauf hin, dass der Weg zur Einheit nur ohne Zwang beschritten werden könne, auf der Grundlage demokratischer Entscheidungen. Voraussetzung sei die vorherige Bildung von Reichsorganisationen der beiden deutschen Arbeiterparteien in allen vier Besatzungszonen. In diesem Zusammenhang warnte er, dass eine zonenmäßige Vereinigung die Einheit Deutschlands gefährde. Somit rückte die Forderung der Sozialdemokrat:innen, dass nur ein Reichsparteitag über die Vereinigung von SPD und KPD entscheiden könne, auf die politische Tagesordnung.
Diese neue Linie machten sich die Sozialdemokrat:innen in der Mark Brandenburg zu eigen. Obwohl die Parteispitze um Ebert und Spiegel unter Erfüllung der von Grotewohl formulierten Bedingungen für die Vereinigung plädierte, fehlte es ihr an Glaubwürdigkeit. Denn die Kommunist:innen machten eine gegenläufige Entwicklung in der brandenburgischen SPD aus. Die KPD vermutete eine Doppelstrategie. Nach ihrer Ansicht würde sich die SPD-Führung in der Öffentlichkeit zwar für ein weiteres Zusammengehen aussprechen, während die Sozialdemokrat:innen jedoch in den Kreisverbänden und Ortsgruppen alles dafür taten, um jegliche Einheitsbemühungen zu torpedieren. Tatsächlich versuchten die Sozialdemokrat:innen nicht nur in der Mark Brandenburg, sondern auch in den anderen Regionen in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ), vorrangig Zeit zu gewinnen und sich den Umarmungsversuchen seitens der kommunistischen Führung zu entziehen.
Die Einheit wird beschlossen
Im Dezember 1945 trafen sich Abgesandte von KPD und SPD im Hause des Zentralausschusses in der Berliner Behrenstraße. Nach langen Diskussionen und massiver Intervention seitens der sowjetischen Besatzungsmacht einigten sich die Teilnehmenden auf einen Beschlusstext, in dem darauf verzichtet wurde, ein Datum für den Zusammenschluss verbindlich festzulegen. Insgesamt legten die Anwesenden auf Druck der sozialdemokratischen Abgesandten keine konkreten Ziele fest, sondern trafen lediglich allgemein formulierte Vereinbarungen. Zudem blieb völlig offen, auf welchem Weg die Verschmelzung durchgeführt werden sollte.
In vielen SPD-Ortsgruppen regte sich Widerstand gegen die gemeinsame Erklärung von KPD und SPD. Die im Parteiorgan der brandenburgischen SPD „Der Märker“ publizierte Entschließung erweckte an der sozialdemokratischen Basis in der Region den Eindruck, dass die Vereinigung de facto bereits beschlossen wäre und nun zeitnah vollzogen würde.
Mitte Januar 1946 verabschiedete der Zentralausschuss einen Beschluss, mit dem abermals der grundsätzliche Wille zur Einheit unterstrichen wurde. Zur Beruhigung der Parteibasis in den Ortsvereinen und Kreisverbänden wurden in der Entschließung die sozialdemokratischen Kernforderungen wiederholt: Keine organisatorische Vereinigung auf den Ebenen „von Bezirken, Provinzen und Ländern“. Die Einheit sollte nur auf Beschluss eines Reichsparteitages erfolgen und der Wahlkampf mit getrennten Listen geführt sowie eine gleichberechtigte und kameradschaftliche Zusammenarbeit von SPD und KPD angestrebt werden, mit dem Ziel einer reichsweiten Einigung beider Parteien. Trotz der klarstellenden Beschlussfassung der ostdeutschen SPD-Führung war die Skepsis unter vielen Parteimitgliedern weiterhin groß.
Zuspruch und Widerspruch in der SPD-Basis
Ende Januar/Anfang Februar fassten Abgesandte beider Parteien auf Funktionärskonferenzen in der gesamten Mark Brandenburg Beschlüsse, Organisationskomitees zu bilden und Ortsgruppen von KPD und SPD zu vereinigen sowie auf Kreisebene bereits als Einheitspartei aufzutreten. In der SPD-Parteizentrale in Potsdam gingen gehäuft Resolutionen von Ortsgruppen ein, die unmissverständlich die organisatorische Verschmelzung der beiden Parteien und die Weiterleitung der Entschließungen an den Zentralausschuss forderten.
Auch wenn auf lokaler Ebene die Zahl der Befürworter:innen eines zonenmäßigen Zusammenschlusses wuchs, war das nur ein Ausschnitt der Realität in den brandenburgischen SPD-Ortsgruppen. Denn in dieser Phase rissen auch die Forderungen aus den Parteigliederungen nicht ab, an der reichsweiten Vereinigung festzuhalten. In diesem Zusammenhang plädierten Ortsgruppen für eine Urabstimmung unter den Mitgliedern. In „Hilferufen“ an den Zentralausschuss und den Bezirksvorstand Brandenburg berichteten Grundorganisationen über negative Erfahrungen im Umgang mit Vertreter:innen der KPD.
Diese Stimmung blieb den Kommunist:innen nicht verborgen, die ihrerseits Meinungsbilder aus den SPD-Ortsvereinen notierten und ihren übergeordneten Stellen meldeten. Auch die KPD-Basis vor Ort äußerte Unmut und Misstrauen über die starken Widerstände in der SPD gegen „jegliches Zusammenarbeiten“. Zudem musste auch manches KP-Mitglied noch von der Richtigkeit der Vereinigung überzeugt werden.
Im weiteren Verlauf eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen örtlichen Parteigruppen der KPD und der SPD so weit, dass sich die SPD-Führung in Potsdam einschalten und die KPD-Bezirksleitung Brandenburg um Intervention in den kommunistischen Grundorganisationen bitten musste. In Einzelfällen forderte die regionale KPD-Führung ihrerseits die Parteispitze um Ebert und Spiegel auf, mäßigend auf die SPD-Mitglieder einzuwirken.
Die sowjetische Besatzungsmacht verschärft den Druck
Zum selben Zeitpunkt verschärften die sowjetischen Militärbehörden den Druck auf die SPD-Verbände, und die KPD-Führung forcierte ihrerseits die Anstrengungen, den Weg zum organisatorischen Zusammenschluss unumkehrbar zu machen.
Abgesandte der Sowjetischen Militäradministration (SMA) mischten sich auf gemeinsamen Mitgliederversammlungen der KPD und SPD in die Diskussion ein, um Zweifler von der Einheit zu „überzeugen“. Oft half bei verfestigten Meinungsverschiedenheiten in den Zusammenkünften die unverhohlene Drohung, dass die Rote Armee bereit sei, „in dieser Angelegenheit das deutsche Volk zu unterstützen“. Bei anderen Gelegenheiten setzten sowjetische Verbindungsoffiziere eine Ablehnung der Einheit mit Sabotage gleich. Ergänzt wurde das Repertoire an Maßnahmen zur Beeinflussung von SPD-Funktionär:innen durch Zusagen und Gewährung von Privilegien unterschiedlichster Art. Angesichts solcher Drohkulissen waren vorurteilslose Diskussionen, das Abwägen von Vor- und Nachteilen und das Bestimmen des richtigen Zeitpunktes ad absurdum geführt.
Auch Friedrich Ebert konnte sich nicht mehr einem Bekenntnis zur Verschmelzung der Arbeiterparteien entziehen. Anfang Februar wurden Ebert und sein kommunistisches Pendant, Willy Sägebrecht, in einem Gespräch mit General Scharow, Chef der SMA Brandenburg, über ihren zukünftigen Ko-Vorsitz der sozialistischen Einheitspartei in der Mark Brandenburg informiert. Ebert behauptete später, dass er sich ohne Druck von außen für ein zonenmäßiges Zusammengehen von KPD und SPD entschieden hätte. Weggefährten haben dem widersprochen. Folgt man ihren Ausführungen, so wurde Ebert von sowjetischer Seite bedeutet, dass seine politische Karriere zu Ende sei, wenn er sich nicht auf die Seite der Einheitsbefürworter:innen stellen würde. Obwohl er sich mit der zonenmäßigen Verschmelzung der beiden Arbeiterparteien offenkundig abgefunden hatte, hegte Ebert bis April immer noch die Hoffnung, dass eine reichsweite Einigung gelingen könnte.
Ein politischer Neuanfang in den Berliner Westsektoren oder in Westdeutschland, wie es Gustav Dahrendorf, Karl Germer oder Gustav Klingelhöfer wagten, war für ihn keine Alternative. Auch wies er jeden Gedanken an eine Selbstauflösung der ostdeutschen SPD zurück.
Selbstaufgabe: SPD-Führung macht den Weg frei für die Zwangsvereinigung
Nachdem ein letzter Versuch der ostdeutschen SPD-Spitze gescheitert war, sich mit Kurt Schumacher zu einigen, tagte am 10./11. Februar 1946 der Zentralausschuss der SPD. Zu diesem Zeitpunkt konnte die ostdeutsche SPD-Führung dem seit Monaten verstärkten Drängen der KPD und den Interventionen der Besatzungsmacht nicht mehr standhalten. Deshalb beschloss der ZA, den 40. Parteitag einzuberufen mit dem Auftrag, die endgültige Entscheidung über eine Verschmelzung der beiden Parteien zu treffen. Diesem Parteitag sollten Landes- und Bezirksparteitage in der SBZ vorausgehen.
Zum zentralen SPD-Parteitag sollten auch Delegierte aus den westlichen Besatzungszonen eingeladen werden. Mit diesem Schritt versuchte die ostdeutsche SPD-Führung den Eindruck eines Reichsparteitages zu erwecken.
Am 6. April trafen sich sozialdemokratische Mitglieder in Potsdam zum zweiten und zugleich letzten Bezirksparteitag der SPD. Unter den Teilnehmenden gab es weiterhin grundsätzliche Einwände gegen die Vereinigung – die jedoch nur wenige Abgesandte offensiv zu äußern wagten. Zum Abschluss wählten die Anwesenden ihre Vertreter für den Provinzialvorstand der neuen Einheitspartei und die Delegierten für den 40. Parteitag der SPD.
Der Vereinigungsparteitag beschließt die Verschmelzung beider Parteien
Tags darauf, am 7. April 1946, fand der Vereinigungsparteitag von SPD und KPD in der Mark Brandenburg statt. Trotz manifestierter Einheit herrschte auf dem Parteitag gedämpfte Stimmung unter den SPD-Delegierten. Hartnäckig versuchten sie, in der unvermeidlich gewordenen neuen Einheitspartei den eigenen Einfluss und die sozialdemokratische Identität zu bewahren. Das wurde besonders in den Diskussionen über das Parteistatut deutlich. Im sozialdemokratischen Grundverständnis von innerparteilicher Demokratie wurden die Ortsgruppen als Basis der Organisationsstruktur der Partei betrachtet. In den Ortsgruppen sahen viele SPD-Mitglieder die institutionelle Garantie für einen sozialdemokratischen Einfluss in der zukünftigen Einheitspartei. Damit stießen sie auf den Widerspruch der KPD, die die Betriebsgruppen als Grundelement in der Organisationsstruktur der sozialistischen Einheitspartei betrachteten.
Auf dem Höhepunkt des Vereinigungsparteitages votierten die Delegierten einstimmig für den Zusammenschluss von KPD und SPD und wählten Friedrich Ebert und Willy Sägebrecht zu gleichberechtigten Vorsitzenden der brandenburgischen SED. Der Vereinigungsparteitag setzte einen Schlussstrich unter die Einheitskampagne in der Mark Brandenburg.
Transformation der Einheitspartei zur stalinistischen Kaderpartei
Das Ziel der Einheitskampagne war, wie in allen Ländern und Provinzen der sowjetischen Besatzungszone, nicht die von der KPD propagierte Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterklasse, sondern die Ausschaltung der Sozialdemokratischen Partei als politischen Konkurrenten im Vorfeld der für die im Herbst 1946 anberaumten Gemeinde-, Kreis- und Landtagswahlen in der SBZ und die Sicherung der Vormachtstellung der Kommunist:innen in der neuen Einheitspartei.
Nach dem Zusammenschluss begannen sie, auch mit Unterstützung von sozialdemokratischen Funktionär:innen, die SED zu einer stalinistischen Kaderpartei zu transformieren, in der für sozialdemokratische Traditionslinien kein Platz mehr war und hunderttausende Sozialdemokrat:innen keine politische Heimat fanden. Viele von ihnen wurden zur Anpassung gezwungen, aus der Partei ausgeschlossen, sofern sie nicht selbst die Mitgliedschaft beendeten, zur Flucht in den Westen getrieben oder schlichtweg kriminalisiert.
René Schroeder
Der erste Teil zur Entwicklung der SPD Brandenburg in den Jahren 1945/1946 ist hier nachzulesen.
Quellen und Literatur:
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Dahrendorf, Ralf (Hg.): Gustav Dahrendorf – Der Mensch, das Mass aller Dinge – Reden und Schriften zur deutschen Politik 1945–1954, Hamburg 1955.
Faulenbach, Bernd/Potthoff, Heinrich (Hg.): Sozialdemokraten und Kommunisten nach Nationalsozialismus und Krieg – Zur historischen Einordnung der Zwangsvereinigung, Essen 1998.
Gniffke, Erich W.: Jahre mit Ulbricht, Köln 1966.
Hoffmann, Dierk: Otto Grotewohl (1894-1964) – Eine politische Biographie, München 2009.
Hurwitz, Harold: Demokratie und Antikommunismus in Berlin nach 1945, Bd. 4: Die Anfänge des Widerstands, Teil 1: Führungsanspruch und Isolation der Sozialdemokraten, Köln 1990.
Hurwitz, Harold: Zwangsvereinigung und Widerstand der Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone und Berlin – Sonderdruck für den Verein für Politische Bildung und Soziale Demokratie e.V. (DDR), Bonn 1990.
Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entläßt ihre Kinder, Jubiläumsausgabe (27. Auflage), Köln 2014.
Malycha, Andreas: Auf dem Weg zur SED – Die Sozialdemokratie und die Bildung einer Einheitspartei in den Ländern der SBZ – Eine Quellenedition, Ungekürzte Studienausgabe, 1., unveränderter Nachdruck, Bonn 1996.
Rosner, Fanny/Voßke, Heinz (Hg.): Nicht Amboss, sondern Hammer sein – Erinnerungen / Willy Sägebrecht, (Ost-)Berlin 1968.
Rosner, Fanny/Schiel, Ilse/Voßke, Heinz (Hg.): Vereint sind wir alles – Erinnerungen an die Gründung der SED, 2. Auflage, (Ost-) Berlin 1971.
Schroeder, René: Friedrich Ebert (1894-1979) – Ein Leben im Schatten des Vaters, Berlin 2021.
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