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Walter Menzel - sozialdemokratischer Verfassungsexperte im Parlamentarischen Rat

Vor 75 Jahren begann der Parlamentarische Rat seine Arbeit am Grundgesetz. Einer der sozialdemokratischen Verfassungsväter war Walter Menzel.

Als Sohn eines schlesischen Lehrers, der im preußischen Beamtenapparat zum Ministerialrat aufsteigt, wird Walter Menzel am 13.9.1901 in Berlin geboren. Durch den beruflichen und sozialen Aufstieg seines Vaters kann die Familie in den wohlhabenden Berliner Stadtteil Dahlem ziehen und Menzel das Studium der Rechtswissenschaften ermöglichen. Nach Zwischenstationen als Amtsrichter in Potsdam und Finanzrat im preußischen Finanzministerium wird Menzel 1931 Landrat im nordhessischen Weilburg an der Lahn. Mit 30 Jahren ist er der jüngste Landrat Preußens und an der Spitze seiner ersten Karriere angelangt. Kurz zuvor heiratet er die jüngste Tochter, Emma, des langjährigen Innenministers der Weimarer Republik und Preußens, Carl Severing. Die hiermit gewonnene „Hausmacht“ hilft ihm möglicherweise bei seinem Aufstieg in der Weimarer Republik, bietet politischen Gegnern, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordrhein-Westfalen, aber auch leichte Angriffsziele.

Im März 1933 verliert Walter Menzel seine Stelle als Landrat und kann sich erst 1934 wieder als Rechtsanwalt in Berlin betätigen. Hier lernt er Adolf Arndt kennen. Zusammen betreiben sie eine Kanzlei und verteidigen vor allem verfolgte Sozialdemokraten. Zu Menzels prominentesten Klienten zählen der frühere preußische Finanzminister Otto Klepper und der ehemalige Preußische Ministerpräsident Otto Braun. Daneben verteidigt er auch Widerstandskämpfer:innen wie Elisabeth Pungs und Karl Heinrich. Zudem setzte er sich für emigrierte Jüd:innen ein, die ihren zurückgelassenen Besitz schützen wollten. Vom Einsatz im Zweiten Weltkrieg bleibt Menzel aufgrund eines chronischen Herzleidens befreit.

Sozialdemokratischer Verfassungsexperte

Seine Kenntnisse und Erfahrungen auf verfassungs- und verwaltungsrechtlichem Gebiet stehen nach dem Zweiten Weltkrieg hoch im Kurs, er wird 1945 zum Generalreferenten für Inneres der Provinzialverwaltung Westfalen ernannt. Nach der Schaffung des Landes Nordrhein-Westfalen 1946 wird Menzel Innenminister. 1946 in den Parteivorstand gewählt, erringt er schnell das Vertrauen des mächtigen Parteivorsitzenden Kurt Schumacher und leitet den verfassungspolitischen Ausschuss des Parteivorstandes. Hier erarbeitet er mit der Westdeutschen Satzung und den Nürnberger Richtlinien die wichtigsten sozialdemokratischen Verfassungsentwürfe und Verhandlungspositionen für den Parlamentarischen Rat. Zentral ist für Menzels Vorstellung einer zukünftigen deutschen Verfassung das Scheitern der Weimarer Republik. „Die politische Ohnmacht Berlins und nicht ein ungesunder Zentralismus“ seien für den Aufstieg Hitlers verantwortlich gewesen. In einem stärkeren und weniger föderalistisch aufgebauten Staat, so ist sich Menzel sicher, „wäre der Nationalsozialismus wahrscheinlich niemals zu jener Macht gekommen, die er später erlangt hat.“ Mit dieser Interpretation ist ein Konflikt über das zukünftige deutsche Regierungssystem mit den Alliierten, aber auch den bürgerlichen Parteien, im Parlamentarischen Rat vorprogrammiert.

Im Parlamentarischen Rat fungiert Menzel als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Zugleich ist er Bindeglied zum Parteivorstand, dem er regelmäßig Bericht über die Entwicklungen in Bonn erstattet. Der eher klein und schmächtig gebaute Menzel ist kein Mann großer Reden, er fällt vielmehr durch fleißige Arbeit auf. Gemeinsam mit Carlo Schmid sitzt er in den wichtigsten Ausschüssen und drückt unermüdlich fast allen Kapiteln des Grundgesetzes seinen Stempel auf, wobei die Kompetenzverteilung zwischen Ländern und Bund für ihn von zentraler Bedeutung ist. Machtinstrument der Länder auf Bundesebene soll eine zweite Kammer sein, wobei über die Form dieser Kammer innerhalb der Parteien Streit entsteht. Menzel und weite Teile der SPD präferieren das Senatsmodell, während die Christdemokraten in dieser Frage gespalten sind. Adenauer fürchtet einen Machtzuwachs der SPD in einem Bundesratsmodell durch die sozialdemokratischen Mehrheiten in Bremen, Hamburg und Berlin, doch befürworten gerade die Landespolitiker innerhalb der christdemokratischen Fraktion weitgehend das Bundesratsmodell. Menzel erkennt hierin eine taktische Chance und erklärt dem Parteivorstand, dass die Frage nach dem Modell der zweiten Kammer von untergeordneter Bedeutung sei. Vielmehr gehe es darum die Kompetenzen der zweiten Kammer zu beschränken und die „politische Willensbildung der gesetzgebenden Versammlung rein zum Ausdruck und zur Auswirkung bringen [zu] lassen“, statt „den Willen der gesetzgebenden Versammlung zu filtrieren.“

Nach Theodor Heuss ereignet sich anschließend „der fast interessanteste Vorgang, das Legende gewordene Frühstück des Herrn Abgeordneten Menzel mit dem Herrn Ministerpräsidenten Ehard aus München“. Was bei dem, anders als Heuss es darstellt, – Abendessen – im Bonner Hotel Königshof genau besprochen und ausgehandelt wird, bleibt unklar. Sicher ist aber, dass Hans Ehard (CSU) die sozialdemokratische Zusage für das von ihm präferierte Bundesratsmodell erhält und im Gegenzug Zugeständnisse bei der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, insbesondere der Zusicherung einer dem Bund eigenen Finanzverwaltung, macht. Trotz des in der CDU/CSU-Fraktion ausgebrochenen Streits um die Bedeutung des Gesprächs und alliierte Wünsche zur Nachbesserung bei der Kompetenzverteilung, hat der zwischen Menzel und Ehard gefundene Kompromiss bis zum Ende der Verhandlungen und bis heute weitgehend Bestand.

Engagierter Minister und Parlamentarier

Während und nach der Arbeit im Parlamentarischen Rat steht für Menzel die Arbeit als Innenminister Nordrhein-Westfalens an der Spitze seiner Mühen. Neben der Entnazifizierung, der Neuorganisation von Polizei und Verwaltung, bildet auch hier die Erarbeitung einer Landesverfassung den wichtigsten Teil seiner Arbeit. Mit der Einführung einer christlichen Gemeinschaftsschule als Regelschule scheitert er am Widerstand der christlichen Parteien. Nach der für die SPD verlorenen Landtagswahl 1950 wird Walter Menzel 1952 Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag und engagiert sich gegen den Aufbau der Bundeswehr und die Stationierung atomarer Waffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Als Geschäftsführer des Ausschusses „Kampf dem Atomtod“ gerät er zunehmend in Konflikt mit der sich am Ende der 50er Jahre außen- und sicherheitspolitisch neu ausrichtenden SPD. 1961 verzichtet er auf seinen Wahlkreis in Dortmund und zieht über die Landesliste wieder in den Bundestag ein. Menzel stirbt im Alter von 62 Jahren am 24.9.1963.

Leon Pietsch

 

Quellen und Literatur:

 

Bestand Walter Menzel im AdsD

Da keine Sitzungsprotokolle der sozialdemokratischen Fraktion im Parlamentarischen Rat bekannt sind, gelten die Berichte Menzels an den Parteivorstand als wichtigste sozialdemokratische Quelle zum Parlamentarischen Rat. Die meisten liegen ediert vor in Albrecht, Willy (Hrsg. u. Bearb.): Die SPD unter Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer 1946 bis 1963. Sitzungsprotokolle der Spitzengremien, Bd. 2: 1948 – 1950, Bonn 2003.

Dörr, Nikolas: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Parlamentarischen Rat 1948/49. Eine Betrachtung der SPD in den Grundgesetzberatungen vor dem Hintergrund der ersten Bundestagswahl 1949, Berlin 2007.

Feldkamp, Michael F.: Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Die Entstehung des Grundgesetzes, überarb. Neuaufl., Göttingen 2019.

Hirscher, Gerhard: Sozialdemokratische Verfassungspolitik und die Entstehung des Bonner Grundgesetzes. Eine biographietheoretische Untersuchung zur Bedeutung Walter Menzels, Bochum 1989.


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