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Ein globaler Austausch: Beispiele gerechten Strukturwandels - und was wir daraus lernen können

Das Panel der Veranstaltung. EIne Person spricht in ein Mikrofon.

Bild: No Jobs on a Dead Planet von Daniel Schneider lizenziert unter FES

Banner der Veranstaltung: No Jobs on a Dead Planet

Bild: No Jobs on a Dead Planet von Larissa Aldehoff

EIn Panel von Gästen sitzt unter dem Titel der Veranstaltung "No Jobs on a dead Planet!" Vor ihnen ist das Publikum.

Bild: No Jobs on a Dead Planet von Larissa Aldehoff

Der helle Universitätsclub Bonn offenbart einen freien Blick auf den Rhein. Vier Kilometer entfernt von Menschengewimmel, strengen Sicherheitskontrollen und den schlecht klimatisierten Zeltlandschaften des COP-Geländes organisieren DGB, ITUC und IG Metall am vierten Tag der COP23 eine Veranstaltung zum gerechten Strukturwandel.

Manuela Mattheß, Referentin für Internationale Klima- und Energiepolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) moderiert die gut besuchte Podiumsdiskussion, deren zentrale Frage ist, wie sich Gewerkschaften im Klimaschutz engagieren und welche best practice-Beispiele es gibt. Fünf Gewerkschaftler zeigen anhand ihrer Projekte auf, wie Klimaschutz unter Gewerkschaftsbeteiligung aussehen kann.

In trockenen Tüchern
Die Reise beginnt in Kassel im Solarunternehmen SMA, das alles richtig zu machen scheint. Martin Breul (IGM) stellt die vielseitigen Projekte vor, die von der Förderung der Elektromobilität und der Beschaffung von E-Bikes bis zu intelligenten Beleuchtungsanlagen reichen. Der Fokus liegt auf einer Stromversorgung, die regenerativ und weit in die Zukunft gedacht ist. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind günstig, aber ein breit aufgestelltes Engagement ist unerlässlich.

Für die Gesundheit: Sonnenschutzfaktor 50
Von erschwerten Arbeitsbedingungen weiß Carlos Martinez Camarero (CCOO Spanien) zu berichten: Viele Arbeiternehmer_innen sind den hohen Temperaturen Spaniens und andauernden Hitzewellen ausgesetzt. Mit Einbindung des Umwelt-, des Arbeits- und des Gesundheitsministeriums werden konkrete Vorschläge erarbeitet, um die Gesundheit der Menschen zu schützen. Mehr Pausen, mehr Wasser, schützende Kleidung und ein Vorwarnsystem für Hitzeperioden. Es ist ein Sachverständigenausschuss eingerichtet worden, um Szenarien für die Anpassung an den Klimawandel zu erarbeiten – beteiligt an diesem Prozess sind auch Gewerkschaftsmitglieder.

Das Land und die Menschen stärken
Pablo Somoza (CGT Argentinien) beschreibt die Situation des Bausektors in Argentinien und konzentriert sich dabei auf drei wesentliche Aspekte: die Sensibilisierung der Arbeitnehmer_innen für den Umweltschutz, die Investition in Bildung und die Förderung neuer, eigener Technologien (z.B. für das Recycling von Bauschutt). Er betont die Wichtigkeit lokaler Produktion für die Stärkung einheimischer Betriebe.

Wind, Wasser, Wassermelonen
In Tunesien spielt Wasser eine essentielle Rolle. Die Landwirte stellen sich inzwischen um und wechseln von hydrophilen Tomaten und Melonen zu Oliven, die weniger Wasser benötigen. Auch im Tourismussektor sind Kampagnen zur Reduktion von Wasser- und Energieverbrauch entstanden. Plastiktüten verschwinden aus den Regalen der Supermärkte und werden durch biologisch abbaubare Tüten ersetzt. Ein klassisches Kraftwerk erlebt den Wandel hin zu einer windbetriebenen Anlage. Die Mitarbeiter_innen wurden in den Prozess eingebunden, waren nicht von Arbeitslosigkeit betroffen und konnten weiterhin ihren Lebensunterhalt sichern. An diesen Entwicklungen war die UGTT Tunesien als Gewerkschaft stark beteiligt. Entsprechend stolz zeigt sich Mansour Cherni, der die Gewerkschaft bei der Veranstaltung vertritt.

Take Action
In Australien, wo Kohle traditionell der Hauptarbeitgeber im Energiesektor ist, offenbart sich ein Paradebeispiel des gerechten Strukturwandels: die Initiative „Repower Port Augusta“. Die Geschichte beginnt 2011 mit der unerwarteten Schließung eines überalterten Kohlekraftwerks. Es formiert sich Widerstand: Um Arbeitsplätze zu retten, entwickelt eine breite Allianz aus Gemeinden, Gewerkschaften und Unternehmen eine medienwirksame Kampagne mit folgendem Ziel: Weg von der Kohle hin zur Nutzung von Solarenergie. Durch den Bau eines Solarkraftwerks können nicht nur Arbeitsplätze gerettet, sondern auch neue in der Herstellung oder im Bausektor geschaffen werden. Ein gutes Beispiel dafür, dass erneuerbare Energien Jobs schaffen können, die nachhaltig, gesund und von Dauer sind. Das Projekt kann als Erfolg für die Gestaltung einer gerechten Transformation (Just Transition) gewertet werden. In einem nächsten Schritt, so Lance Mc Callum (ACTU Australien) muss nun zwingend sichergestellt werden, dass die neu entstandenen Arbeitsplätze gute Arbeitsbedingungen haben.

Just Transition?
Und doch scheint Just Transition ein abstrakter Begriff zu bleiben, denn er lässt sich nicht schematisch in jedes Land und auf jedes Unternehmen übertragen. Der Austausch über gelungene Projekte des gerechten Strukturwandels kann hingegen Lernprozesse unterstützen und Perspektiven schaffen. Den Nutzen und die Wirkkraft guter Beispiele sieht auch Frederik Moch (DGB) und er betont, dass Umwelt und soziale Fragen gemeinsam beantwortet werden müssen. Samantha Smith (Just Transition Center Brüssel) fordert, Just Transition als Dreh- und Angelpunkt im Klimawandel anzusehen, da dessen Auswirkungen alle Menschen betreffen. Die Chancen liegen in der Geschwindigkeit des Wandels und der aktiven Teilnahme der Bürger_innen an einem Sozialdialog. Daniel Angelim von der CSA aus Brasilien betont, dass auch soziale Bewegungen in Veränderungsprozesse mit eingebunden werden sollten, da dies auch Gewerkschaften stärken kann.

Green Jobs = Good Jobs
Erneuerbare Energien sollten eine höhere Priorität erhalten, so ein Zwischenruf aus dem Publikum. Wichtig sei aber, Tarifverträge zu realisieren, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und Interessenvertretungen von Arbeitnehmer_innen zu schaffen bzw. zu stärken. Die Beschäftigten des traditionellen Energiesektors benötigten nicht nur Empathie, sondern neue Arbeitsplätze - mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen.

Das Destillat dieses globalen Erfahrungsaustausches: Ein gerechter Strukturwandel benötigt Zeit, engagierte Menschen und öffentliche Institutionen in einer Kultur des sozialen Dialogs. Dringend erforderlich sind Kompetenzentwicklung auf nationaler Ebene sowie eine nationale Behörde, die für Strukturwandel zuständig ist und alle relevanten Akteure sinnvoll und proaktiv koordiniert - nicht erst, wenn alles zu spät scheint.


„Good Society“, die „Gute Gesellschaft“ - Was macht eine solche Gesellschaft aus?

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