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Warum Rhetorik (oder: überzeugende Kommunikation) auch für Journalist_innen unerlässlich ist

Wer öffentlich auftritt, will ein gutes Bild abgeben. Es geht darum zu überzeugen und das Publikum für sich oder eine Position zu gewinnen oder zu sensibilisieren. Ein Beitrag von Volker Engels, Journalist und Trainer.

Rhetorik für Journalist_innen: Jeder Jeck ist anders

Wer öffentlich auftritt, will ein gutes Bild abgeben. Es geht darum zu überzeugen und das Publikum für sich oder eine Position zu gewinnen oder zu sensibilisieren.

Schon lange sind es nicht nur Politiker_innen und Wirtschaftsbosse, die ihre Sicht der Dinge via Videokonferenz, Radio oder in anderen Medien mitteilen. Die Anzahl der Formate steigt, der Bedarf nach neuen Gesichtern, die dem Publikum präsentiert werden können, wächst. Die Folge: Immer häufiger werden Menschen aus Sozialberufen, Ärzt_innen und Wissenschaftler_innen angefragt, um zu aktuellen Ereignissen Stellung zu beziehen. Journalisten_innen übernehmen bei diesen Formaten nicht nur die Moderation, sie gelten auch als fachkundige oder meinungsstarke Gäste. Die Brillanz, in der Videokonferenz, dem Vortrag oder dem Streitgespräch zu glänzen, wurde den meisten Menschen  nicht in die Wiege gelegt. Die gute Nachricht: Übung macht den Meister.

Menschen sind unterschiedlich, „Jeder Jeck ist anders“, sagen die Rheinländer. Das klingt trivial, ist aber wichtig. Denn der Versuch, in Rhetorik-Seminaren turbo-gecoachte Klone zu produzieren, die bis zur Selbstaufgabe optimiert sind, langweilt inzwischen auch gutwillige Rezipienten_innen. Auf der anderen Seite steht die vielschichtige These, man müsse nur „authentisch bleiben“, dann funktioniere das schon mit dem gelungenen Auftritt. Wer allerdings „echt“ um jeden Preis bleiben will, muss möglicherweise damit leben, dass eine Sprechgeschwindigkeit im ICE-Tempo oder ein ängstlicher Blick nach unten das Publikum zumindest irritieren.

„Typen“ sind oft so spannend, dass man Sie gerne einlädt und ihnen zuhört. Jón Gnarr, der ehemalige Bürgermeister von Reykjavík in Island wurde gewählt, obwohl – oder gerade weil – er vorher unter anderem als Punkrocker und Comedian sein Geld verdient hatte. Auch Journalisten_innen, die im besten Sinne des Wortes „bunt“ sind, repräsentieren die Diversität einer Gesellschaft. Klar ist aber auch: Die Regel ist eher mausgrau und nicht kunterbunt. Wer aber ein wenig Kreativität und Farbe in seinen Auftritt bringt und dabei noch die vielfältigen Regeln für eine gelungene Kommunikation im Blick behält, hat gute Chancen, von seiner Umwelt wahrgenommen und vor allem verstanden zu werden. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Eine Haltung, eine Position, für die man mit Leidenschaft eintritt, auch verständlich an den Mann oder die Frau zu bringen.

Emotionen, Bilder und Beispiele der Rhetorik für Journalist_innen

Es ist egal, welchen öffentlichen Auftritt, welche Redaktions- oder Videokonferenz gerade vorbereitet wird. Denn fast überall gilt, dass passende Bilder und Beispiele Menschen überzeugen.

Es sind mitnichten immer die qualifiziertesten Redner_innen oder die faktensichersten Redakteur_innen, die auf dem Podium, der Redaktionskonferenz oder dem Video-Chat das Publikum oder die Kollegen_innen für ihre Ideen einnehmen.

Wem es gelingt, mit einer bildhaften Sprache und Beispielen das Kopfkino der Zuhörenden in Gang zu setzen, erhöht die Chance, zu begeistern und zu überzeugen. Denn (passende) Beispiele und eine bildhafte Sprache helfen uns, Inhalte zu erinnern.

„Wenn Sie den Auffangkorb leeren, schalten sie ihn immer aus. Ansonsten können Sie sich ernsthaft verletzen“,

heißt es in der englischsprachigen Betriebsanleitung eines Aktenvernichters.

Diese Botschaft ist zwar klar, allerdings weit entfernt von einer bildhaften Sprache. Anders die deutschsprachige, etwas blutrünstige Fassung der Betriebsanleitung:

„Das Gerät muss ausgeschaltet sein, wenn Sie den Auffangkorb leeren möchten. Bitte beachten Sie diesen Hinweis, ansonsten müssen Sie das Gerät in Zukunft einhändig bedienen.“

Das sitzt und wird (auch emotional) verstanden.

Vom Körper und der Sprache in der Rhetorik für Journalist_innen

Dass wir nicht nicht kommunizieren können, wissen wir spätestens, seit dieses kluge Axiom des österreichischen Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawik auf jedem dritten Tischkalender als Tageslosung auftaucht. Menschliche Kommunikation ist vielschichtig. Dass der Inhalt von Aussagen nicht so wichtig sei, weil Stimme und Mimik alles andere dominieren, hat der Psychologe Albert Mehrabian so nie behauptet und immer wieder genervt zurückgewiesen. Trotzdem frisst sich dieser Mythos seit Jahrzenten durch unzählige Rhetoriktrainings.Mag sein, dass dahinter die verlockende Idee steht, auch jenseits aller Inhalte den wahren Kern von Menschen schnell erkennen zu können. Welche Verheißungen, vielleicht aber auch Allmachtsfantasien, mit dem Bereich Körpersprache verbunden sind, zeigt ein Blick in die Regale einschlägiger Buchhandlungen. Dort versprechen Titel Fähigkeiten als „Lügendetektor“, Menschen zu „verstehen und zu lenken“ oder „Die Kunst des Gedankenlesens“. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Verschränkte Arme oder überkreuzte Beine lassen sich nach dieser Lesart dann schnell als emotionale Barriere deuten. Mag aber auch sein, dass ein Gegenüber friert, sich in dieser Position generell wohl fühlt oder an einer alten Sportverletzung leidet

Zu einer überzeugenden Kommunikation gehören nicht nur der Inhalt, sondern auch nichtsprachliche Aspekte. Und beide Bereiche lassen sich trainieren. Gerade in der Corona-Zeit, die mit erheblichen Einschränken verbunden ist, merken wir zum Beispiel täglich, wie wichtig es ist, das Gesicht eines Gegenübers auch zu sehen. Masken schützen vor Infektionen, sie berauben uns aber zugleich einer ganz wichtigen Information: Der Mimik. Das Gesicht von Gesprächspartnern_innen nicht oder nur eingeschränkt zu sehen, minimiert die Informationen, die wir sonst schnell und ganz selbstverständlich aus dem Minenspiel des Gegenübers ablesen können. Ein Lächeln, ein spöttischer oder distanzierter Blick, der das gesprochene Wort begleitet und uns hilft, es einzuordnen, fehlt. Eine ausgeprägte Mimik oder eine lebendige Gestik kann dieses Defizit zumindest teilweise kompensieren.

Oft sehen wir in Videokonferenzen, gerade wenn die Rechner der Teilnehmenden mit hoch auflösenden Kameras ausgestattet sind, mehr, als uns lieb ist. Denn wer sich im Homeoffice kurz nach dem Morgenkaffee an den Rechner setzt und Sandmännchens Körnchen noch sichtbar in den Augen hat, wird wahrscheinlich nicht als sonderlich ausgeschlafen wahrgenommen. Das private Zuhause wird im Homeoffice schnell zum öffentlichen Raum. Regeln, die im Büro klar sind und keiner Diskussionen bedürfen, scheinen leicht in Vergessenheit zu geraten.

Ob in der Redaktionskonferenz, dem Videochat oder einem Fachvortrag: Zuhörer_innen brauchen Zeit, um das Gehörte zu verstehen. Sie müssen im wahrsten Sinne des Wortes nachdenken, um die Informationen sacken zu lassen. Und dann wirkt das Ganze auch noch souverän, weil Pausen den Vortrag strukturieren und Spannung erzeugen. Zahlreiche Videokonferenzen leiden darunter, dass die Tonqualität wegen technischer Probleme hakt. Umso wichtiger ist es, Pausen bewusst einzusetzen, um die gewünschten Inhalte so über den Äther zu bringen, dass sie auch verstanden werden.

Jenseits aller rhetorischen Finessen lohnt es sich auch für Menschen, die schon lange im Geschäft sind, einen Moment inne zu halten, um die eigene Position zu bestimmen. Denn der (öffentliche) Auftritt kann und sollte Spaß machen. Das gelingt oft, wenn man die Regeln kennt – oder sie hin und wieder auch mal bricht.

Volker Engels

Studium der Sozialarbeit in Dortmund und Berlin (Dipl.) und der Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin (MA). Seit vielen Jahren Tätigkeit als Journalist für Zeitschriften und Zeitungen in Berlin; Co-Autor des Buchs „Die Lobby regiert das Land“. Als Kommunikationstrainer gibt er unter anderem Seminare zu den Themen Rhetorik, Auftritt oder Interviews.

www.volkerengels.de


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