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Wie erklären wir die Welt? Ein Einstieg in die Auslandsberichterstattung

Wie bereite ich mich auf eine Recherche in der Welt vor? Worauf muss ich vor Ort achten? Welche Probleme kommen auf mich zu? Welche Verantwortung habe ich?

Der Journalist, Fernsehmoderator und Medientrainer Florian Bauer, Träger des Grimme Preises und des Deutschen Fernsehpreises, gibt in diesem Video-Blog erste Antworten. Er ist in den letzten 13 Jahren für die ARD als Auslandsreporter um die Welt gereist.

Geschichten über die Welt

Fremde Menschen kennenlernen, andersdenkende Kulturen erklären, Länder bereisen, die man als Kind nur von der Landkarte her kannte. Das wollen viele Menschen und insbesondere Journalist_innen.

Viele von uns sind auf der Suche nach Geschichten, die man in Deutschland nicht erlebt. Und obwohl deutsche Medien sich immer weniger feste Auslandskorrespondent_innen zu leisten scheinen, so ist der Bedarf an internationalen Themen, an Einordnung von politischen Zusammenhängen, an abseitigen Lebensentwürfen oder dem Verständnis von wirtschaftlichen Auswirkungen weltweit immer größer geworden. Zudem reisen immer mehr freie Journalist_innen auf eigene Faust ins Ausland. Und Online und Social Media bieten zusätzliche Erzähl-Möglichkeiten.

Doch wie bereite ich mich auf eine Recherche in der Welt vor? Worauf muss ich vor Ort achten? Welche Probleme kommen auf mich zu? Welche Verantwortung habe ich?

Der Journalist, Fernsehmoderator und Medientrainer Florian Bauer, Träger des Grimme Preises und des Deutschen Fernsehpreises, gibt in diesem Video-Blog erste Antworten. Er ist in den letzten 13 Jahren für die ARD als Auslandsreporter um die Welt gereist, von Brasilien bis Äquatorialguinea, Bahrein bis Malaysia, hat investigativ Skandale aufgedeckt, TV-Dokus gedreht und bisher unbekannte
Geschichten erzählt, vor allem in totalitär regierten Ländern, vor allem gegen Widerstände.

Einführung in die Auslandsberichterstattung

Übung 1

Als erste kleine Übung, schau dir doch mal die Tagesschau oder die Heute-Nachrichten von gestern an oder hör in die Informationen am Morgen im Deutschlandfunk rein und versuch mal darauf zu achten, wieviel Auslandsberichterstattung in unseren Nachrichten und Magazinen steckt:

www.tagesschau.de

www.heute.de

https://www.deutschlandfunk.de/

https://www.sueddeutsche.de/

https://www.zeit.de/

Übung 2

Nächste kleine Übung: nimm Dir 15 Minuten Zeit und überlege, wie recherchierst Du als JournalistIn die folgende Geschichte, auf was achtest Du im Vorfeld und worauf vor Ort? Welche Schwerpunkte legst Du? Wie kommst Du an Gesprächspartner? Welche organisatorischen Herausforderungen birgt das Land, in das Du reist?

Das Thema ist der Afrika-Cup, das größte Sportereignis Afrikas, 2017 in Gabun.

Das Starter-Kit vor der Auslandsreise

Also: Worauf gilt’s zu achten bei der Auslandsrecherche?

  1. Wo kriegen wir unsere Informationen her?
  2. Worauf müssen wir organisatorisch vorher achten?
  3. Und worauf achten wir dann im Land selbst?

Punkt 1: Recherche im Vorfeld!

  • So wie sonst auch: Internet, Zeitungen, Medien aus dem Reiseland selbst, Social Media
  • Telefonate ins Land - und da muss man schon aufpassen. Gerade bei autoritär regierten Ländern hört häufig jemand mit, und damit sind Eure Themen, Eure Recherche, Geschichte und vor allem die Gesprächspartner vor Ort möglicherweise gefährdet - also da eher Whatsapp-Calls nutzen, die ne End-to-End-Verschlüsselung haben und Emails mit Verschlüsselungssoftware schreiben.
  • Beim Rezipienten, also dem Leser, Zuschauer, Zuhörer nicht zuviel voraussetzen. Die meisten Menschen sind eben noch nicht so viel gereist, wie vielleicht ihr selbst!!!
  • So wenig voreingenommen wie möglich in ein Land zu reisen. Soviel wie möglich mit Einheimischen sprechen, versuchen das Land und die Situation zu verstehen.
  • Bei komplizierten Themen oder wenn man die Sprache vor Ort nicht spricht braucht ihr jemanden im Land, der Interviews klarmacht, Drehs vorbereitet, Organisatorisches regelt. Und der sollte bestenfalls auch noch unabhängig sein: Einen sogenannten Producer, Stringer, Fixer.
  • Tipp: sprecht politische Stiftungen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung oder Nicht-Regierungs-Organisationen an, die kennen vielleicht jemanden, der vertrauenswürdig und gut organisiert ist und als Fixer fungieren kann, ansonsten unabhängige Medien vor Ort oder Kontakte von Euren Kontakten ansprechen.

    Punkt 2: Was muss ich Organisatorisches vor der Abreise bedenken?

    • Visum und Drehgenehmigung beantragen. In den meisten Ländern sind Journalist_innen gerne gesehen, man braucht kein Visum, darf drehen. Aber da, wo das anders ist, sollte man sich überlegen, was Sinn macht. In dem Moment, in dem ich mich um ein Journalistenvisum kümmere, weiß der jeweilige Staat natürlich, dass ich komme - und in Teilen auch warum. Wird nämlich dann normalerweise von der jeweiligen Botschaft des Landes in Deutschland abgefragt von Euch, wenn ihr das Visum beantragt.
    • Meistens, zum Beispiel in Osteuropa muss man sich bei einem Ministerium im Land dann nochmal melden, so war das bei uns in Weißrussland, Kasachstan oder der Türkei. Und dann ist halt auch schon mal der Geheimdienst beim Interview dabei, so war das bei uns in Weißrusslands Hauptstadt Minsk. Der Geheimdienst heißt da übrigens tatsächlich immer noch wie in den alten sowjetischen Tagen des Kalten Krieges - nämlich KGB. http://florian-bauer.com/ard-sportschau-weisrussland-die-eishockeywm-und-die-menschenrechte/
    • Je riskanter eine Reise oder ein Reiseort ist, umso wichtiger ist es, mit Eurer Redaktion zu Hause klar abzusprechen: wo seid ihr wann, wann meldet ihr Euch, wer ist Euer Kontakt im Land.
    • Wenn Ihr nicht über eine größere Redaktion kommt, dann kümmert Euch um eine gute Auslands-Krankenversicherung.
    • Ach ja und: speichert Eure Daten an mehreren Orten, Cloud, Backup-Drive etc, sonst geht Euch das so wie mir vor einigen Jahren, als wir festgenommen wurden in Katar - und dann nimmt der Geheimdienst Handy und Rechner auseinander - dann is nicht mehr viel mit Daten.
      http://florian-bauer.com/ard-morgenmagazin-festnahme-in-katar/
    • Und kleiner letzter Tipp: die Bundeswehr bietet ein Sicherheitstraining für JournalistInnen an, wenn man plant, aus Krisengebieten zu berichten. Die ARD schickt da ihre Kollegen hin, ich war auch da, macht Sinn, hilft und kostet nicht viel:
      https://www.bundeswehr.de/de/organisation/streitkraeftebasis/aktuelles/veranstaltungen-der-streitkraeftebasis/journalistenausbildung-143716

    Jetzt zu Punkt 3.

    Das Survival-Paket im Ausland

    Drin im Land, also kann’s losgehen:

    • Als erstes ne lokale Sim-Karte besorgen, is deutlich günstiger. Und vielleicht auch abhörsicherer.
    • Höflichkeit, regionale Gebräuche. Wichtig, dass ihr wisst, dass man sich in Nepal eher nicht die Hand gibt, in Osteuropa zum Gespräch gern schon mal nen Vodka trinkt oder in Australien „Mate“ nicht heißt, dass ihr für immer befreundet seid.
    • Was ich tatsächlich sehr wichtig finde, ist Respekt vor fremden Kulturen. Schuhe aus in Wohnungen in ganz vielen Ländern dieser Welt. Keine kurzen Hosen in arabischen Staaten, lernt einfache Begriffe in der Landessprache - das öffnet tatsächlich Türen und Herzen.
    • Wenn ihr einen Übersetzer habt, wahrscheinlich Euern Stringer oder Producer: macht ihr/ihm klar, dass sie/er auch genau das übersetzt, was gesagt wird. Gerade in totalitären Staaten ist das erstmal nicht die Norm.
    • Wir haben im Ausland häufig das Problem, dass die Originalquellen nicht mit uns sprechen, also MinisterInnen, StaatsanwältInnen, Offizielle. Weil wir als Journalisten von einem deutschen Medium meist nicht so wichtig für die sind.
      Beispiel: Ich hab meine Magisterarbeit über deutsche Auslandskorrespondenten in den USA geschrieben, und einer der befragten Korris, Matthias Rüb von der FAZ wars, hat für mich den Spruch meiner Arbeit geprägt und gesagt: „Ich hab hier in Washington etwa den Status des Star-Fernsehkorrespondenten... ...aus Togo.“
    • Kurzum: seid kreativ, sucht Euch einordnende InterviewpartnerInnen, das ist das typische Los der Auslandsberichterstattung, wenn man nicht CNN oder die New York Times ist.
    • Fragt Eure InterviewpartnerInnen, wer ist noch wichtig, wer kennt sich aus, wen soll ich noch kontaktieren.
    • Schaut in die lokalen Medien, Fernsehen, Zeitungen, um das Land besser zu verstehen, Themen zu finden, die Stimmung aufzusaugen.
    • Und zu guter letzt: Seid Euch Eurer Verantwortung als Auslandsreporter klar. Ihr berichtet über Dinge, die der Deutsche User oft nicht kontrollieren kann. Weil die Orte zu weit weg, die Themen zu kompliziert, es schlicht nicht sein Job ist. Er ist darauf angewiesen, dass Ihr Euern macht. Und zwar mit dem wichtigsten, was wir haben. Der kritisch-analytischen Grundhaltung.

    Schön, dass Ihr mich begleitet habt bis zum Ende dieses Video-Blogs. Wenn’s euch interessiert: alle Filme zu den Beispielen, die ich erzählt hab, gibt’s auf meiner Webseite http://florian-bauer.com/tv/

    Wer mehr über Auslandsberichterstattung wissen will, darüber, wie man Korri wird, als Freier Journalist im Ausland unterwegs sein kann, welche Stipendien es gibt, meldet Euch gerne zum nächsten Workshop „Auslandsberichterstattung“ der Journalistenakademie der FES an. Das hier war ja nur ein Teaser. Ich freu mich drauf.

    Bleibt gesund.

    Euer Florian Bauer

    Zur Person

    Wenn er 80 ist, will Florian Bauer alle Länder der Welt gesehen haben. Nicht nur wegen Corona könnte das schwierig werden, sagt er. Er ist als sportpolitischer, FIFA- und Doping-Experte der ARD um die Welt gereist und hat Skandale aufgedeckt. Hat zahlreiche Auszeichnungen gewonnen, darunter den Grimme-Preis, den Otto-Brenner-Preis und den deutschen Fernsehpreis. Moderiert das politische Tagesgeschehen beim ARD/ZDF-Tochtersender Phoenix. Und gibt sein Wissen als Trainer und Lehrbeauftragter an fast einem Dutzend Journalistenschulen und Universitäten weiter, u.a. beim Interviewtraining und Moderationstraining, zudem lehrt er Fernsehjournalismus und Recherche.

    Alle Infos gibt’s hier: http://florian-bauer.com/


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