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Repräsentativen Umfrage: Informell Beschäftigte in Afrika organisieren sich selbst, äußern aber auch klare Vorstellungen gegenüber dem Staat.
Über 80% der Bevölkerung in Subsahara-Afrika sind informell beschäftigt. Ihre Tätigkeiten gehen dabei meist mit schlechten Arbeitsbedingungen sowie fehlenden Absicherungen einher, die Möglichkeiten der gewerkschaftlichen Organisation sind begrenzt. Die Unterstützung dieser Personengruppe ist einer der Kernarbeitsbereiche der FES in Subsahara-Afrika.
Die Informelle Ökonomie als neuartiges Wirtschaftskonzept wurde erstmals 1972 in einer Studie der ILO zum Phänomen Jua Kali in Nairobi vorgestellt. Gemeint sind die Gesamtheit der Betriebe, meist Kleinbetriebe, sowie Selbstbeschäftigte, die nicht staatlich registriert sind und nicht zur steuerlichen Erfassung herangezogen werden. Informell beschäftigt ist ein Personenkreis, der zur Gewinnung von Einkommen Wirtschaftstätigkeiten ausübt, mit der Tätigkeit aber keinen Zugang zur staatlich organisierten Sozialversicherung erhält. In einem engen Sinn handelt es sich um illegale Tätigkeiten, da gesetzliche Vorschriften missachtet werden. Da der Staat aber auf seine Rechtserzwingung verzichtet, wird hier eher von extralegaler Tätigkeit gesprochen.
Die Begriffe informelle Ökonomie und informelle Beschäftigung sind deckungsgleich, wenn es sich um Kleinbetriebe handelt, die nicht staatlich registriert sind und die ihren Beschäftigten keine Sozialversicherung ermöglichen. Die Begriffe weichen voneinander ab, wenn das Phänomen der informellen Beschäftigung im formellen Sektor betrachtet wird. Der Staat und große Unternehmen, also die Hauptakteure der formellen Ökonomie, gehen inzwischen immer häufiger dazu über, ihren Beschäftigten keine regulären Arbeitsverträge anzubieten, sondern stellen diese mit zeitlichen Befristungen an und verweigern ihnen zudem den Zugang zur Sozialversicherung. Informelle Beschäftigung reicht damit weit über die informelle Ökonomie hinaus und ist eine der traurigen Sozialerscheinungen nicht nur in Entwicklungsländern sondern auch in sogenannten Industrieländern.
Die ILO hat 2018 eine Studie vorgelegt und das Phänomen informelle Beschäftigung in globaler Perspektive erfasst. Eine der zentralen Aussagen ist in folgender Tabelle wiedergegeben. Während die formelle Beschäftigung von Lohnarbeit geprägt ist, findet informelle Beschäftigung hauptsächlich als Selbstbeschäftigung statt.
Formal Employment (%)
Informal Employment (%)
Employers
3,2
2,7
Employees
77,8
29,7
Own Account Workers
19,0
50,1
Contributing Family Workers
0,0
17,5
Quelle: ILO – Women and Men in the Informal Economy: A Statistical Picture, 2018.
Die Unterschiede in der Komposition der Beschäftigungsgruppen ist unmittelbar bedeutsam für die Frage, wie Sozialpolitik organisiert werden soll. Formelle Beschäftigung im formellen Sektor ist üblicherweise durch Beitragszahlungen von beiden Gruppen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in die Sozialversicherung eingebunden. Lohnarbeiter in der formellen oder informellen Ökonomie, die bislang keinen Zugang zur Sozialversicherung haben, könnten sofort erfasst werden, wenn die Arbeitgeber eine Anmeldung vornehmen und ihren Beitragsanteil bezahlen würden. Für die Selbstbeschäftigten, im Subsaharischen Afrika inzwischen wohl in allen Ländern die größte Gruppe, ist ein Sozialversicherungssystem, das auf die Anwesenheit eines Arbeitgebers setzt, kein gangbarer Weg. Hier müssen neue Sozialversicherungskonzepte entwickelt werden.
Das Afrika-Referat der FES führt seit 2018 Meinungsumfragen in Subsahara-Afrika durch, um Einblick in die Art und Weise zu gewinnen, wie informelle Beschäftigte ihren Sozialrisiken begegnen, welche Erwartungshaltungen sie an den Staat haben und wie sie sich zur Verbesserung ihrer sozialen Lage selbst organisieren. Repräsentative, landesweite Umfragen wurden 2018 in Kenia und Benin und 2019 im Senegal und zurzeit in Sambia durchgeführt. Die Ergebnisse werden 2020 im Ländervergleich veröffentlicht werden.
Während Einzelergebnisse und Detailanalysen noch in Arbeit sind, können einige Grundaussagen vorgestellt werden:
Informell Beschäftigte, so ein klares Fazit der FES-Erhebungen, nehmen ihren Ausschluss aus der staatlich organisierten Sozialversicherung nicht als gegeben hin. Sie organisieren einen ‚Ausgleich‘ durch Zusammenschluss in Sparvereinen (und anderen Formen der gegenseitige Hilfe) und haben als Wunsch, zu den ‚besser gestellten‘ formell Beschäftigten aufzuschließen. Sie verharren nicht in Hilflosigkeit und Apathie, sondern organisieren eigene ‚Verteidigungslinien‘ gegen Sozialrisiken.
Staatliche Sozialpolitik, die sich um informell Beschäftigte kümmern will, muss bezahlbare Versicherungpakete schnüren, die ohne die ‚Doppelfinanzierung‘ durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer daherkommt. Die großen Erfolge in vielen Ländern Lateinamerikas und Asiens zeigen, dass eine (fast) universelle Deckung für Krankenversicherungen und (neuerdings auch) Altersversicherungen möglich ist und die informell Beschäftigten nicht nur durch Cash Transfers sondern auch durch eigene Beiträge für eine Sozialversicherung eingebunden werden können. Die Länder im subsaharischen Afrika hängen – mit der Ausnahme Ruanda – hinter den Sozialversicherungstrends in Lateinamerika und Asien hinterher. Mit der Meinungsumfrage leistet die FES einen Beitrag, die Wünsche und Nöte der informell Beschäftigten in Subsahara-Afrika besser zu verstehen, um diese in ein Beratungsangebot für politische Entscheidungsträger übertragen zu können. Der Auftrag für FES muss heißen, Subshara-Afrika dabei zu unterstützen, dass die kommende Dekade zur Sozialdekade wird.
Der kenianische Gewerkschaftsdachverband positioniert sich erstmalig öffentlich auf einer gemeinsamen Konferenz mit ILO und FES für mehr Unterstützung…