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Iran bereitet sich auf den Urnengang vor, und nicht zum ersten Mal kommen Wahlen der Diplomatie zwischen Teheran und Washington in die Quere. Präsident Biden möchte vermeiden, in die iranische Innenpolitik verwickelt zu werden, doch die Wahlen hinterlassen bei den Verhandlungen in Wien bereits erste Spuren.
Bild: Rozen
Laura Rozen
Wahlen in Iran und den USA haben für das Erreichen und Festhalten am Atomdeal stets eine wichtige Rolle gespielt. Das Abkommen und die diplomatischen Beziehungen zwischen Iran und den USA sind in beiden Staaten relevante innenpolitische Themen und nicht selten Gegenstand teils heftiger interner Auseinandersetzungen.
Durchaus gedemütigt durch den Schaden, den die US-Innenpolitik und vier Jahre Trump-Administration am Nuklearabkommen angerichtet haben, scheinen sich die Biden-Regierung und deren Verhandler*innen nun weitgehend mit einer Situation abgefunden zu haben, die auf eine tragische Koinzidenz zusteuern könnte: Während sie gerade wieder im Amt sind, könnte Hassan Rohanis Team, mit dem ein erfolgreicher Abschluss des richtungsweisenden Nuklearabkommens 2015 möglich war, bald ausgetauscht werden. Die US-Unterhändler*innen sind sich bewusst, dass sie demnächst vielleicht nicht mehr jenen professionellen iranischen Diplomaten gegenübersitzen, mit denen sie in früheren Jahren aussichtsreich verhandeln konnten. Jedenfalls können sie davon nicht mehr automatisch ausgehen.
Unabhängig von den eigenen Präferenzen hält sich das US-amerikanische Verhandlungsteam bei inneriranischen Angelegenheiten zurück. Gleichwohl sind sich die USA bewusst, dass das Wahlergebnis nicht nur die aktuell in Wien stattfindenden Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) beeinträchtigen könnte, sondern auch Einfluss darauf hat, wer bei der erhofften Fortsetzung der Gespräche über das Nuklearabkommen mit der neuen iranischen Regierung am Verhandlungstisch Platz nehmen wird.
Erst im November 2013 – nach der Wahl Hassan Rohanis, fünf Jahre nach dem ersten Sieg Barack Obamas und ein Jahr nach Beginn seiner zweiten Amtszeit – konnten deutliche Fortschritte erzielt werden, die zur Vereinbarung des Interimabkommens (Joint Plan of Action, JPOA) führten. Der „endgültige” Atomdeal mit Iran – der JCPOA – wurde schließlich im Juli 2015 unterzeichnet.
Die Wahl Donald Trumps im November 2016, die Aufkündigung des JCPOA im Mai 2018 und der Start der Kampagne des „maximalen Drucks“ gegen Iran stellten eine massive Belastung des Deals dar. Im Mai 2019, ein Jahr nach dem einseitigen Rückzug vom Deal durch Präsident Trump, begann auch Iran, die im Abkommen festgeschriebenen Maßnahmen sukzessive zurückzufahren. Auf diese Weise protestierte Teheran gegen die im Rahmen der Kampagne des maximalen Drucks wieder eingeführten US-Sanktionen und dabei insbesondere gegen das Ende von Regelungen, die es einigen Ländern ermöglicht hatten, bis zum Frühjahr 2019 weiterhin iranisches Öl zu importieren.
Weltweit hofften die Befürworter*innen des Wiener Nuklearabkommens, dass die USA nach der Wahl Joe Bidens 2020 rasch und noch vor dem Ende der zweiten Amtszeit Rohanis, also vor den Wahlen am 18. Juni 2021 und vor der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten im August dieses Jahres, zum Abkommen zurückkehren würden – im Gegenzug für eine vollständige Umsetzung des JCPOA durch Iran.
Diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Die neue amerikanische Regierung schien zögerlich und vorsichtig zu agieren. Nur langsam nahm Bidens außenpolitisches Team Ende Januar bzw. im Februar Gestalt an. Die Koordination der US-Iranpolitik mit den europäischen Verbündeten war ebenso zeitraubend wie die Konsultationen mit regionalen Partnern und relevanten Kongressabgeordneten, unter anderem jenen, deren Unterstützung für die Bestätigung von Beamten der Biden-Regierung gebraucht wurde. Erst Ende Februar kündigte die Biden-Administration an, Verhandlungen über eine beiderseitige Rückkehr zum Atomdeal mit Iran forcieren zu wollen.
Möglicherweise enttäuscht vom scheinbaren Zaudern der Biden-Administration lehnte die iranische Seite zunächst direkte Gespräche über die Ausarbeitung einer „Compliance for Compliance“-Regelung ab, selbst im Rahmen der Gemeinsamen Kommission des JCPOA, die die Implementierung des Atomdeals beaufsichtigt und der die USA nach der Kündigung des Abkommens durch Trump gar nicht mehr angehörten.
Insgesamt behinderte die Innenpolitik auf beiden Seiten rasche Fortschritte. „Das Problem ist, dass sowohl die iranische als auch die US-Seite ihre Schwierigkeiten mit innenpolitischen Beschränkungen haben“, kommentierte die stellvertretende Leiterin des ECFR-Nahostprogramms Ellie Geranmayeh im März.
„Das langsame Agieren der USA schürte Vorbehalte auf iranischer Seite“, erläuterte Geranmayeh weiter. „Und die USA hatten unnötige Zweifel mit Blick auf die mögliche Akzeptanz einer Rückkehr zum JCPOA im eigenen Land.“
Daher wurden erst im April am Rande einer Sitzung der Gemeinsamen Kommission in Wien indirekte US-iranische Gespräche aufgenommen. Angestrebt wurde der Entwurf einer Roadmap für die Umsetzung einer „Return for Return“-Vereinbarung. Zu diskutieren waren Fragen wie: Welche Sanktionen würden die USA aufheben? Was würde Iran unternehmen, um das Nuklearprogramm zurückzufahren und das Abkommen wie vereinbart zu erfüllen? In welcher Reihenfolge sollten die einzelnen Maßnahmen ergriffen werden?
Die von amerikanischen und europäischen Unterhändler*innen als die bislang als produktivste bezeichnete vierte Runde dieser indirekten Gespräche ging am 19. Mai in Wien zu Ende. Am 25. Mai begann in der österreichischen Hauptstadt die fünfte Gesprächsrunde, knapp einen Monat vor den iranischen Präsidentschaftswahlen und zu Beginn des Wahlkampfs.
Von einigen Iranexpert*innen, die im engen Austausch mit den amerikanischen Unterhändler*innen stehen, ist zu hören, dass Ayatollah Ali Chamenei der iranischen Delegation möglicherweise nicht den Spielraum lässt, den ein schneller Abschluss der Verhandlungen bräuchte. Offenbar befürchtet der Revolutionsführer, dass dies die Wähler*innen in die Arme moderaterer Kandidaten treiben oder unerwartete Überraschungssieger hervorbringen könnte.
„Wenn Iran tatsächlich eine Rückkehr zum JCPOA in der ausgehandelten Form wollte, ließe sich das politisch recht schnell realisieren. Eine Umsetzung der Vereinbarung könnte problemlos erfolgen“, erklärte ein höherer Beamter des US-amerikanischen Außenministeriums, der ungenannt bleiben möchte, gegenüber der Presse am 6. Mai. „Ob Iran eine solche Entscheidung getroffen hat, wissen wir allerdings nicht.“
„Im Grunde ist das eine Frage, die politisch in Iran entscheiden werden muss“, ergänzte der Vertreter des State Departments.
US-Präsident Joe Biden beantwortete am 7. Mai die Frage, ob Iran es mit den Atomgesprächen in Wien ernst meine, mit „Ja“. Allerdings impliziere die offensichtliche Ernsthaftigkeit nicht, dass das Land bereit sei, das zu vereinbaren, was vereinbart werden müsse, um gemeinsam zum JCPOA zurückzukehren.
„Wie ernst sie es meinen und was sie zu tun bereit sind – das sind zwei verschiedene Dinge“, erklärte Biden. „Doch wir sind noch im Gespräch.“
Einige zu den Reformer*innen in Iran tendierende Denker*innen vermuten, dass nicht wenige Wähler*innen aus ihrem Lager, die in der Vergangenheit Rohani ihre Stimme gaben, dieses Jahr den Wahlen fernbleiben. Teils weil sie von ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten und von den ausbleibenden Reformen der Regierung Rohanis frustriert und enttäuscht sind, und teils weil sie zunehmend Hoffnungslosigkeit empfinden.
Dies alles bedeutet: Die politische Lage in der Vorwahlzeit scheint bereits heute die Verhandlungen in Wien zu beeinflussen – insbesondere mit Blick auf die Dauer der Gespräche, falls es am Ende überhaupt zu einem positiven Ergebnis kommt.
Die Regierung Biden erkennt an, dass die iranischen Präsidentschaftswahlen die Gespräche beeinträchtigen könnten. Dennoch ist sie entschlossen, weiterzumachen und dafür zu sorgen, dass die Wiener Verhandlungen auf Kurs bleiben. Bidens Team will Fortschritte erzielen und eine politische Verständigung über eine Roadmap erreichen, damit beide Parteien zum Abkommen zurückkehren können, gleichgültig wann das sein wird.
Während die Auswirkungen der iranischen Wahlen nicht vorhersehbar sind, „wollen wir weitermachen und eine Vereinbarung erzielen“, bestätigte ein hochrangiger Vertreter der US-Verhandlungsdelegation, der nicht genannt werden möchte, am 21. Mai. „Wir überlassen Iran, wie es seine eigene Politik gestaltet“, sagte er.
„Wahlen geraten der Diplomatie gern mal in den Weg“, ergänzte er.
In einem Interview wiederholte US-Außenminister Antony Blinken am 23. Mai, dass seine Regierung an ihrem Plan A festhalten wolle: den JCPOA wiederherzustellen als ersten Schritt um zu sehen, ob ein langfristiger, erweiterter Atomdeal mit Iran geschlossen werden kann; voraussichtlich mit der nächsten Regierung des Landes, gleichgültig unter wessen Führung.
„Wir sind bereit, zum ursprünglichen Abkommen zurückzukehren“, sagte Blinken gegenüber CNN-Reporter Fareed Zakaria am 23. Mai. „Das ist unser erstes Ziel. ... Wenn wir hier erfolgreich sind, können wir das als Grundlage nutzen, um den Deal selbst langfristiger und nachhaltiger zu gestalten. Dann werden wir uns auch den anderen Themen widmen, sei es die iranische Unterstützung des Terrorismus, die Verbreitung von Waffen oder die destabilisierende Hilfe für diverse Stellvertreter überall im Nahen Osten.“
Über die bislang vier Gesprächsrunden in Wien sagte Blinken, dass Fortschritte erzielt wurden bei der Klärung, was die jeweiligen Parteien machen müssten, um die Vereinbarungen wieder in Kraft zu setzen. Gleichwohl fügte er hinzu: „Die offene Frage, auf die wir noch keine Antwort haben, lautet, ob Iran letztlich bereit ist, das Nötige zu tun, um sich wieder an das Abkommen zu halten“, sagte er. „Es wird zunehmend deutlich, was geschehen muss. Die Frage ist: Wird Iran dazu bereit sein?“
„Ein Deal über die Rückkehr zum Abkommen mit Iran scheint möglich. Er ist jedoch kein Selbstläufer“, erklärte der hochrangige US-Verhandler am 21. Mai.
„Wir sehen jetzt tatsächlich eine echte Chance für die beidseitige Rückkehr zur Erfüllung des Abkommens, doch es gibt keine Erfolgsgarantie,“ sagte er. „Während es keinen Grund gibt, warum das lange dauern sollte, könnte es sich doch hinziehen.“
Laura Rozen ist Autorin des Diplomatic Newsletter und Mitherausgeberin von Just Security. Zuvor war sie diplomatische Korrespondentin bei Al-Monitor, wo sie umfassend über die Verhandlungen zum Atomdeal mit Iran berichtete. Sie schrieb überdies als außenpolitische Reporterin für Politico und das Magazin Foreign Policy.
Auf Twitter: @LRozen
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