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Kann eine progressivere Wahlstrategie sozialdemokratische Parteien in Europa helfen, um den erhofften Aufschwung bei den Wähler_innen zu schaffen?
Bild: Begegnung von milchhonig / photocase.de lizenziert unter Basislizenz 5.0
Bei den jüngsten Wahlen in vielen europäischen Ländern mussten sozialdemokratische Parteien Wahlverluste hinnehmen. In den Niederlanden, Österreich und Italien wurden sozialdemokratische Parteien aus der Regierung verdrängt . In Frankreich verzeichnete die Parti Socialiste (PS) sowohl bei den Parlaments- als auch bei den Präsidentschaftswahlen ähnlich wie die niederländische Partij van de Arbeit (PvdA) keine ihr angemessenen Ergebnisse.Erklärungsansätze zeigen, dass derzeit in vielen Ländern die traditionelle sozialdemokratische Wählerbasis besonders anfällig für Appelle und Mobilisierungsstrategien der radikal-sozialistischen Linken, der grünen Umweltparteien sowie radikal-rechtspopulistischer Konkurrenten ist.
Auch die aktuellen Ergebnisse der Europawahl 2019 zeichnen ein nicht zufriedenstellendes Bild der Sozialdemokratie in Europa. Dennoch gibt es auch ein Licht am Ende des Tunnels: So ließ zum Beispiel in den Niederlanden die zuletzt angeschlagene PvdA unter dem Spitzenkandidaten Frans Timmermanns mit 18, 4 Prozent der Stimmen die rechtspopulistischen Parteien hinter sich und wurde überraschend zum Gewinner des Abends. Auch in Dänemark, Portugal, Schweden und Spanien bleiben die Sozialdemokraten an der Macht. Gibt es womöglich bestimmte Wahlstrategien, die sozialdemokratischen Parteien zu mehr Erfolg verhelfen?
Die Publikation „Macronism, Corbynism, … bitte was? Wahlstrategien progressiver Parteien in Europa“ des Referats für Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung geht genau dieser Frage nach. Anhand von Strategieanalysen der Länder Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich und Schweden entwickeln die Autoren André Krouwel, Yordan Kutiyski, Arne Schildberg und Oliver Philipp vier sozialdemokratische Kernstrategien, die Parteien anwenden um Wähler_innen zu ihrer Gunst zu mobilisieren. Eine davon ist die sogenannte progressive libertäre Distanzierung, die sich dadurch auszeichnet, dass eine moderate ökonomische Politikverbunden mit einer tiefgreifend progressiven Kulturpolitik vertreten wird. Als Illustrationsbeispiele führen die Verfasser der Studie die PvdA in den Niederlanden und die französische PS an. Genau diese Kombination aus wirtschaftlicher Mäßigung und kulturellem Progressivismus kostete jedoch beiden Parteien bei den letzten Parlamentswahlen in den Niederlanden und Frankreich 2017 eine Menge Wählerstimmen.
Die Autoren erklären den überschaubaren Erfolg der progressiven libertären Distanzierungsstrategie damit, dass die meisten sozialdemokratischen Parteien traditionell – zumindest teilweise – eine sozial-konservative Wählerbasis haben, die eine vollständige Akzeptanz von Globalisierung und Multikulturalismus nicht befürwortet. Mehr noch wird dies laut den Autoren von den traditionellen Wähler_innen als Abkehr von konventionellen sozialdemokratischen Grundwerten wahrgenommen.
Nun fragt man sich vor diesem Hintergrund wie sich dann der jüngste Erfolg der PvdA bei der Europawahl erklären lässt? Expert_innen sehen dafür vor allem einen Grund: den Frans Timmermans Effekt. Nicht nur führte dieser die Liste in seinem Heimatland, sondern trat gleichzeitig auch als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten an. Durch seine ehemaligen Ämter als Außenminister und stellvertretender EU-Kommissionspräsident ist er bereits sehr populär in den Niederlanden, so dass die Hälfte der PvdA-Wählerschaft angab Timmermans sei der Grund für ihre Entscheidung. Auch diese Einschätzung wird sozusagen von den Autoren geteilt: Im Fazit der Studie erläutern sie nämlich, dass insbesondere im digitalen Zeitalter des politischen Wettbewerbs das Gesicht einer politischen Partei fast noch entscheidender sein kann als strategische Wahlkampagnen.
Ansprechpartner in der Stiftung
Oliver Philipp
Electoral Strategies of progressive political parties in Europe / André Krouwel, Yordan Kutiyski, Oliver Philipp and Arne Schildberg. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, International Policy Analysis, 2019. - 39 Seiten = 3,2 MB PDF-File. - (Europa)Electronic ed.: Berlin : FES, 2019ISBN 978-3-96250-325-3
Publikation herunterladen (3,2 MB PDF-File)
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