Erben verpflichtet!
#FairErben
Debatte über eine gerechte Erbschaftsteuer
Die Vermögen in Deutschland sind ungleich verteilt. Das kann unsere Gesellschaft spalten und schadet der Wirtschaft. Eine gerechte Erbschaftsteuer wirkt dem entgegen. Die aktuelle Regelung verstärkt die Ungleichheit jedoch. Denn wer groß erbt oder beschenkt wird, zahlt niedrigere Steuersätze als jemand, der kleinere Summen erhält.
Konkret heißt das: Die reichsten 10 Prozent der Gesellschaft erhalten heute schon die Hälfte aller Erbschaften und Schenkungen. Darauf fallen kaum Steuern an, weil es umfangreiche Ausnahmen und Schlupflöcher für superreiche Unternehmenserb*innen gibt.
Einer finanzstarken Lobby ist es gelungen, das Erbschaftsteuerrecht zugunsten von Superreichen zu beinflussen. Sie warnt etwa davor, dass die Steuer den Mittelstand schwäche und Arbeitsplätze gefährde. Belege dafür bleibt sie bis heute schuldig. Jedes Jahr gehen uns dadurch 5 bis 10 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren. Geld, das für wichtige Investitionen in Krisenbewältigung, Klimaschutz und Bildung fehlt.
Deshalb ist es wichtig, eine Debatte darüber zu führen, wie eine gerechtere Erbschaftsteuer aussehen kann.
Privilegien für Superreiche
Superreiche genießen bei der Erbschaftsteuer große Privilegien. Dadurch gehen uns in Deutschland jedes Jahr 5 bis 10 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren – so schätzt es der Subventionsbericht der Bundesregierung.
Das ist mit Abstand die größte aller Steuersubventionen. Und das meiste davon landet bei den Superreichen. So erhielten 3.630 Erb*innen und Beschenkte zwischen 2009 und 2020 steuerbefreites Vermögen
in Höhe von mehr als 260 Milliarden Euro.
Damit bekamen allein diese wenigen Superreichen rund zwei Drittel des gesamten begünstigten Erb- und Schenkungsvolumens.
Podcast: #FairErben – Ist die Erbschaftsteuer gerecht?
Bis zu 88 Prozent der Firmenerbinnen und -erben müssen keine Erbschaftsteuer zahlen – Schlupflöcher im Erbschaftsteuerrecht machen es möglich. Für das Jahr 2022 wird dadurch mit Steuermindereinnahmen von 5 Mrd. Euro gerechnet. Geld, das durch die gegenwärtigen Krisen an anderer Stelle gebraucht wird. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte schon 2014, dass die Privilegien für Erb*innen von hohen Vermögen verfassungswidrig seien.
Was sich ändern muss, damit vermögende Erb*innen nicht weiter bevorteilt werden, besprechen wir im Podcast mit unseren Expert*innen Norbert Walter-Borjans (ehemaliger NRW-Finanzminister), der Unternehmenserbin Stefanie Bremer (Taxmenow) und Julia Jirmann (Netzwerk Steuergerechtigkeit).
An Beispielen die aktuelle Gesetzeslage zur Erbschaftsteuer erklärt
Wer durch deine Arbeit im Jahr ein mittleres Einkommen von 50.000 Euro verdient, zahlt darauf mehr als 20 Prozent Steuern. Wer hingegen ein Familienunternehmen im Wert von Dutzenden Millionen erbt oder eine milliardenschwere Beteiligung am Großkonzern bekommt, zahlt darauf aufgrund weitreichender Ausnahmeregelungen in der Regel kaum Steuern.
Die steuerlichen Ausnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten bei sehr großen Vermögensübertragungen führen dazu, dass der durchschnittliche Steuersatz auf Schenkungen von Vermögen über 20 Millionen Euro in den vergangenen 10 Jahren im Schnitt weniger als 1 Prozent betrug, während kleinere Übertragungen mit einem deutlich höheren Steuersatz belegt wurden. Die einzige Bedingung für die Steuerbefreiung: Die Erb*innen dürfen das Unternehmen in den folgenden Jahren nicht verkaufen und nicht allzu viele Mitarbeiter*innen entlassen.
Diese sehr weitrechenden Ausnahmen für Unternehmenserb*innen hatte das Bundesverfassungsgericht zwar im Jahr 2014 zum wiederholten Male für verfassungswidrig erklärt. Steuerbefreiungen für Erbschaften dürfen insbesondere nicht in unbegrenzter Höhe möglich sein, so die Richter*innen – bei Superreichen sollen sie also nicht angewendet werden.
Im anschließenden Gesetzgebungsprozess bewirkte die Lobby der Superreichen jedoch, dass der Gesetzgeber nur Schönheitskorrekturen am alten Gesetz vornahm. Anstelle echter Änderungen brachte die Reform neue umfangreiche Privilegien und Umgehungen für Superreiche. Zunächst wurde zwar eine Obergrenze für die Steuerbefreiung von Erbschaften und Schenkungen auf über 26 Millionen Euro festgelegt, gleichzeitig aber die Möglichkeit geschaffen, dass die Erb*innen solcher Groß-Vermögen einen Antrag auf Steuererlass stellen können.
Statt vollständiger Steuerbefreiung ist nun also ein vollständiger Erlass möglich. Voraussetzung dafür ist, dass die Groß-Erb*innen bedürftig sind. Erb*innen und Beschenkte gelten nach dem neuen Gesetz dann als „bedürftig“ und werden verschont, wenn sie kein weiteres Vermögen (sog. verfügbares Vermögen) zur Zahlung der Steuer haben. Verfügen sie über weiteres Privatvermögen, müssen sie davon nur die Hälfe aufwenden, um die Steuerschuld zu begleichen – das übrige Vermögen wird verschont.
In der Praxis führen die Regelungen dazu, dass Erb*innen selbst bei riesigen Vermögensübertragungen oft keine oder nur wenige Steuern zahlen müssen.
Dabei nutzen sie beispielsweise diese Tricks:
1. Zur richtigen Zeit Aktien kaufen
Erhalten Firmenerb*innen ein Viertel der Anteile einer Kapitalgesellschaft als Schenkungen und möchten die anfallende Steuer nicht aus Privatvermögen zahlen, können sie es vor der Übertragung in Anteile des entsprechenden Unternehmens stecken.
Falls die Beschenkten über weiteres Vermögen verfügen, dass eigentlich nicht steuerlich begünstigt ist (oder sollten sie es mit der Schenkung erhalten), müssen sie dies nur zur Hälfte zur Begleichung der fälligen Steuer aufwenden. Der Rest kann in unbegrenzter Höhe erlassen werden. Verkaufen sie die Anteile nach der Schenkung wieder, wirkt sich das nicht auf den Steuererlass aus.
2. Unternehmen an Kinder übertragen
Bekommt ein minderjähriges Kind, das (noch) über wenig eigenen Besitz verfügt, Unternehmensanteile jenseits von 26 Millionen Euro geschenkt oder vererbt, kann der Antrag auf Steuererlass gestellt werden.
3. Eine Familienstiftung gründen
Beliebt ist auch: Unternehmensvermögen auf privatnützige Familienstiftungen zu übertragen. Solche Stiftungen sind dazu da, das Vermögen der Stifter*innen langfristig zu erhalten und die Interessen bestimmter Personen zu bedienen.
Auf diese Weise können zum Beispiel die Stiftungs- und Unternehmensgewinne an Familienangehörige fließen. Steuerfrei ist das, wenn die Stiftung zum Zeitpunkt der Erbschaft oder Schenkung kein Vermögen hat, das nicht begünstigt ist – wie etwa Finanzanlagen oder fremdvermietete Immobilien.
Dabei spielt es keine Rolle, wie vermögend die Begünstigten der Stiftung sind.
4. Eine Banklizenz beantragen
Hat eine reiche Familiendynastie das Familienunternehmen vor langer Zeit verkauft und die Erlöse über ein Family Office am Aktienmarkt investiert, zählen die dort verwalteten Aktienpakete in der Regel nicht als Betriebsvermögen. Deshalb wären auf die Finanzanlagen eigentlich Erbschaftsteuern fällig.
Mit einer Banklizenz kann das Family Office das ändern. Dadurch verwandeln sich die Aktienpakete in Betriebsvermögen der Bank und dieses kann beim Übergang vollständig von der Steuer befreit werden bzw. ein Antrag auf Erlass gestellt werden.
Weil Finanzämter für solche komplexen Fälle, wie die der Verschonungsbedarfsprüfung, bis zu vier Jahren oder länger brauchen, dürfte sich das Ausmaß dieses neuen Steuerprivilegs erst in den nächsten Jahren zeigen. Ob es sich dann auch angemessen in der Statistik widerspiegelt, ist noch offen:
Die Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik weist bisher nur die festgesetzte Steuer aus – also das, was die Steuerbehörden verlangen, bevor die Steuerpflichtigen einen Erlass wegen Bedürftigkeit beantragen. Auf Nachfrage hat das Bundesamt für Statistik 2022 erste Zahlen zu im Jahr 2021 abgeschlossenen Bedürftigkeitsprüfungen bereitgestellt: Demnach erhielten 10 Erben einen Steuererlass von knapp einer halben Milliarde Euro.
In Zukunft dürfte die Anzahl und der Umfang der Fälle deutlich zunehmen.
FAQ Erbschaftsteuer
Antworten zu häufigen Fragen rund um die Erbschaftsteuer
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