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Bericht zum Workshop „Demokratiegeschichte im Museum - Das Tivoli in Gotha als sozialdemokratischer Erinnerungsort“ vom 14. bis 18. Februar 2022
Auf den ersten Blick wirkt das Tivoli in Gotha ganz unscheinbar. Von außen deutet nur eine Marmorplakette mit goldener Aufschrift an der Hauswand darauf hin, dass es sich um einen bedeutenden historischen Ort handelt. Zunächst als einfaches Wirtshaus eröffnet, war es ab Mitte des 19. Jahrhunderts reger Treffpunkt für Handwerker_innen und Gewerbetreibende. Heute gilt es als einer der bedeutendsten Orte in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie: Im Mai 1875 vereinigten sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) im großen Saal des Wirtshauses zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), die sich 1890 in SPD umbenannte. Das von der neuen Partei verabschiedete Gothaer Programm forderte „den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft“, die „Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit". Aufs Engste verbunden mit dem Kampf der Arbeiter_innenbewegung für politische und soziale Gleichberechtigung ist das Tivoli ein wichtiger Ort der deutschen Demokratiegeschichte.
Seit 2005 wird das Haus durch den ehrenamtlichen Förderverein Gothaer Tivoli e.V. betrieben. Eine kleine Dauerausstellung erinnert an die bewegte Geschichte des Hauses. In der DDR-Zeit wurde es zur „nationalen Gedenkstätte“ umfunktioniert, ausgerichtet nach den geschichtspolitischen Bedürfnissen des SED-Regimes, bevor dort im Januar 1990 der SPD-Landesverband Thüringen neugegründet wurde, der nach 44-jähriger Zwangspause seine Arbeit wieder aufnahm.
Für Orte wie das Tivoli gibt es vielfältige Bezeichnungen: Gedenk- oder Bildungsstätte, Erinnerungs- oder Geschichtsort, Museum. Begriffe wie Erinnerungskultur oder Geschichtspolitik werden damit in Zusammenhang gebracht. In dieser Begriffs-Landschaft gilt es sich zu positionieren, denn: so nah beieinander die Begriffe auch liegen, desto reger ist die Debatte um ihre konkrete Bedeutung. Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Vereinigungsparteitags im Jahr 2025 hat sich das Tivoli das Ziel gesetzt, seine wechselhafte Geschichte in all ihren Facetten in einer neuen Dauerausstellung darzustellen.
Doch wie kann Soziale Demokratie im Tivoli erlebbar gemacht werden? Was macht das Tivoli als historisch-politischen Lernort in Thüringen aus? Wie kann Demokratiegeschichte in einer neuen Dauerausstellung vermittelt werden und wo liegen die Chancen für einen Beitrag zur aktiven Stärkung der Demokratie in unserer Gegenwart? Antworten auf diese Fragen zu geben war das Ziel eines Workshops des Archivs der sozialen Demokratie und des Landesbüros Thüringen der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), der vom 14. bis 18. Februar 2022 mit großer Unterstützung des Tivoli e.V. im Tivoli stattfand. Stipendiat_innen der FES aus unterschiedlichen Fachrichtungen kamen mit Expert_innen der Ausstellungs- und Museumsarbeit zusammen, um verschiedene Dimensionen zwischen Konzeption, Vermittlung und Design von Demokratiegeschichte im Museum zu diskutieren und Impulse für eine neue Dauerausstellung zu geben. Von Beginn an wurde darauf abgezielt, Wissen nicht nur zu vermitteln, sondern auf Erfahrungslernen zu setzen. Im Vordergrund solle die reflektierte Bewertung des Vergangenen stehen, um für das Heute zu lernen. Als roter Faden sollen sich zeitgemäß Multiperspektivität, Partizipation und Inklusion durch eine neue Ausstellung ziehen.
Zu Beginn des Workshops wurden Museen als politisch umkämpfte Orte definiert. Als solche produzieren Museen gesellschaftliche Bedeutung durch die Interpretation von Vergangenheit, konkret durch die Schaffung von geschichtlichen Narrativen, die „umkämpft“ sind: Was wird in den Ausstellungen sichtbar gemacht und was nicht? Welchen Standpunkt nehmen die Museumsmacher_innen ein, wer wird dadurch repräsentiert und wessen Perspektive bleibt unsichtbar?
Für die Workshop-Teilnehmenden stand fest, dass Multiperspektivität nicht nur gestreift werden, sondern sich als Leitgedanke durch eine Dauerausstellung im Tivoli ziehen müsse. Unerzähltes müsse sichtbar, Ambivalenzen deutlich gemacht und gesellschaftliche Diversität in verschiedenen Erzählsträngen abgebildet werden. Es soll nicht nur auf prominente Persönlichkeiten und ihre Bedeutung für die Geschichte der Sozialdemokratie abgehoben, sondern vor allem auch die Lebensrealitäten und Biografien von „einfachen“ Handwerker_innen und Arbeiter_innen thematisiert werden.
Sozialdemokratische Demokratiegeschichte wurde von den Teilnehmenden nicht als linearer historischer Prozess, sondern als Resultat politisch erkämpfter Errungenschaften begriffen, wobei die Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit besonders herausgestellt werden müssten. Um den Besucher_innen die wichtigste Frage der Ausstellung zu beantworten – nämlich „Was hat das mit mir zu tun?“ – sei die Aufgabe der Museumsmacher_innen, die Fragilität unserer Demokratie damals wie heute in Bezug auf diese drei Begriffe darzustellen, Kontroversen aufzugreifen und dabei immer einen selbstkritischen Blick zu behalten. Die Inhalte der Ausstellung sollten in reduzierter Komplexität und verständlich für Alle aufbereitet werden, ohne dabei zu sehr zu vereinfachen. Die Selektion der Inhalte müsse machtkritisch und partizipativ erfolgen. Die (diversen) Lebensrealitäten der Besucher_innen müssten immer Bezugspunkte bilden, um Erfahrungslernen und Raum für Reflexion zu ermöglichen.
In Arbeitsgruppen entwickelten die Workshopteilnehmenden konkrete Ideen für ein Ausstellungskonzept. Diese beinhalteten unter anderem Überlegungen zu einem Narrativ zum Tivoli als einer der ältesten Orte der Demokratie in Deutschland, an dem Demokratiegeschichte auf vielen Ebenen geschrieben wurde und erzählt werden kann. Zudem wurden Möglichkeiten der besseren Sichtbarkeit und größeren Wahrnehmung des Hauses diskutiert, wobei der Nutzung unterschiedlicher Kommunikationskanäle, vor allem den sozialen Medien, aber auch einem vielfältigen Begleitprogramm im Tivoli als Ort des Diskurses und der Begegnung eine zentrale Bedeutung zugeschrieben wurde. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Nutzung neuer visueller und auditiver Elemente wie Videos, Toninstallationen und Hörstationen gelegt.
Mit der Website „Von der Idee zur Ausstellung“ möchten wir den Weg des Tivoli als Ort der Demokratiegeschichte und wichtigem sozialdemokratischen Erinnerungsort bis zum Jubiläumsjahr weiter begleiten. In regelmäßigen Abständen erscheinen dort Artikel und Essays der Workshop-Mitwirkenden, die die hier skizzierten Ideen weiter aufgreifen, konkretisieren und ergänzen und sich als Diskussionsbeiträge verstehen. Vom einfachen Wirtshaus zum geschichtsträchtigen Demokratieort – mit einer neuen Dauerausstellung wird das Gothaer Tivoli auch in Zukunft lokal und über Grenzen hinweg als Lernort der Demokratie wirken.
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