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Gutachten: Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare

Die Öffnung der Ehe für alle Paare setzt nach dem Urteil der Autorin, Dr. Friederike Wapler (Universität Frankfurt am Main), keine Grundgesetzänderung voraus.

Irland hat die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare möglich gemacht. In Deutschland dagegen heißt es, verfassungsrechtlich könne die Ehe nicht für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden.

In einem Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt die Juristin Dr. Friederike Wapler (Universität Frankfurt am Main) zu einem anderen Ergebnis: Danach ist der Gesetzgeber sogar gefordert, die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren möglich zu machen. Denn die Ehe als auf Dauer angelegte Verantwortungs- und Solidargemeinschaft erfüllt für beide Paarkonstellationen dieselbe Funktion. Gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit einer Eheschließung vorzuenthalten kann daher nur als Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gewertet werden.

Die Öffnung der Ehe für alle Paare setzt nach dem Urteil der Autorin keine Grundgesetzänderung voraus.

 

Kontakt:
Susan Javad, 030 26935-7313
Referentin für Gender und Vielfalt

Zusammenfassende Argumentation der Gutachterin

  1. Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft sind rechtlich nach wie vor nicht vollständig gleichgestellt. Wesentliche Unterschiede liegen auf dem Gebiet des Adoptionsrechts und der medizinischen Reproduktion. Anders als die Ehe könnte die eingetragene Lebenspartnerschaft zudem vom parlamentarischen Gesetzgeber ohne Verfassungsänderung wieder abgeschafft werden.

  2. In der europäischen Rechtsentwicklung lässt sich in den vergangenen Jahren eine Tendenz erkennen, für gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften ein gemeinsames Rechtsinstitut – die Ehe – zu schaffen. Diese Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist mit Europäischem Unionsrecht, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem übrigen Völkerrecht vereinbar.

  3. Aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes lässt sich nicht ableiten, dass der Ehebegriff für alle Zeiten auf ein Verständnis als verschiedengeschlechtliche Partnerschaft festgelegt wäre. Vielmehr ist der Ehebegriff des Grundgesetzes offen für einen Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen. Die Verschiedengeschlechtlichkeit der Eheleute ist folglich kein notwendiges Merkmal des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs.

  4. Die Einstellungen der Bevölkerung zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder haben sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1993 gewandelt. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist inzwischen weitreichend akzeptiert. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit Kindern werden überwiegend als "Familie" anerkannt.

  5. Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft sind insofern funktionsgleich, als sie einer Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft zweier Personen einen rechtlich abgesicherten Rahmen geben. In dieser rechtlichen Absicherung privater, familialer Solidarität liegt der eigentliche Kern des besonderen Schutzes von Ehe und Familie durch das Grundgesetz. Die geschlechtliche Zuordnung der Ehepartner_innen sowie ihre sexuelle Orientierung sind für diesen Schutzzweck ohne Belang.

  6. Ein pluraler Ehebegriff kann folgendermaßen definiert werden: Die Ehe ist eine rechtlich formalisierte Form einer auf Dauer angelegten Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft zweier Menschen. Sie kann nur freiwillig, grundsätzlich nur zwischen Volljährigen und nicht zwischen Personen geschlossen werden, die in gerader Linie miteinander verwandt oder Geschwister sind.

  7. Eine einfachrechtliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine Verfassungsänderung ist hierfür nicht notwendig.

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