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Hans-Jochen Vogel wäre am 3. Februar 2021 95 Jahre alt geworden. In vielerlei Ämtern und Funktionen, vor allem als Oberbürgermeister von München, Bundesjustizminister, Oppositionsführer im Deutschen Bundestag und als SPD-Parteivorsitzender, hat er die Geschichte und die politische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland wie auch der Sozialdemokratie entscheidend mitgestaltet und nachhaltig geprägt.
Herkunft, Kriegserfahrung, sozialdemokratisches Engagement in der jungen Bundesrepublik Hans-Jochen Vogel wurde 1926 als erster Sohn einer bürgerlichen Beamtenfamilie – sechs Jahre vor seinem Bruder Bernhard – in Göttingen geboren, hinein in das Ende der Weimarer Republik. Während und nach seiner Schulzeit auf einem humanistischen Gymnasium erlebte er Ideologie und Kriegsmaschinerie des "Dritten Reichs" am eigenen Leib, von der Hitlerjugend bis zum Fronteinsatz. Bereits sein Jurastudium ergriff er aus innerem Verantwortungsgefühl und aus der Erkenntnis heraus, dass es längst nicht genüge, das eigene Wohlergehen abzusichern, sondern dass die junge Generation sich für das Gemeinwesen zu engagieren und sich am Wiederaufbau demokratischer Strukturen zu beteiligen habe. Auch deshalb wurde er 1950 Mitglied der SPD, beeindruckt von ihrer Geschichte und ihrem Eintreten für soziale Gerechtigkeit.
Vom "Karajan der Kommunalpolitik" zum Bundesminister der Justiz Auf seine Promotion 1950 zum Dr. jur. folgten mehrere Stationen im bayerischen Staatsdienst; parallel stieg Vogel rasch in der Münchener SPD auf. 1960 wurde er Oberbürgermeister von München und blieb es genau 4444 Tage lang. Enorm populär und unter anderem als "Karajan der Kommunalpolitik" gefeiert, bereitete er seine Stadt auf die Olympischen Sommerspiele 1972 vor und setzte Meilensteine auf Münchens Weg zu einer modernen Metropole. Im selben Jahr übernahm Vogel den Landesvorsitz der SPD Bayern, den er bis 1977 innehielt, und wechselte zugleich auf die Bundesebene. Bereits seit 1970 Mitglied im SPD-Parteivorstand, gehörte er ab 1972 nach Karl Schillers Abgang auch dem SPD-Präsidium an. Im Zuge der "Willy-Wahl" in den Deutschen Bundestag gewählt, trat Vogel sogleich als Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ins Kabinett ein und wechselte 1974 auf Wunsch des neuen Bundeskanzlers Helmut Schmidt ins Justizressort – ein Amt, in dem er wichtige Reformprojekte unter anderem im Schwangerschaftsrecht, Ehe- und Scheidungsrecht und Umweltstrafrecht anstieß und an allen existenziellen Entscheidungen der Regierung maßgeblich beteiligt war, als es galt, die Terrorserie der Roten Armee Fraktion im "Deutschen Herbst" 1977 abzuwehren und die bundesdeutsche Rechtsordnung zu verteidigen.
Verantwortung in schwierigen Zeiten 1981 folgte Vogel einem Hilferuf aus Berlin, um dort in äußerst schwierigen Zeiten das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu übernehmen und einen bemerkenswert fairen Wahlkampf gegen Richard von Weizsäcker zu führen. Ging die Wahl auch verloren, so blieb Vogel Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, brachte die SPD-Fraktion als ihr Vorsitzender wieder in ruhiges Fahrwasser und unterhielt wie zuvor bereits in München ein Bürgerbüro, in dem bis 1994 Tausende Bürgerinnen und Bürger individuelle Beratung und praktische Hilfe erfuhren. Nach dem im Oktober 1982 erfolgten Regierungswechsel in Bonn ließ Vogel sich erneut in eher aussichtslos erscheinender Lage in die Pflicht nehmen, trat bei den vorgezogenen Bundestagswahlen im März 1983 als Kanzlerkandidat an und übernahm nach einem überaus respektablen Ergebnis – in der Nachfolge von Herbert Wehner und als parlamentarischer Gegenspieler von Bundeskanzler Helmut Kohl – den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion, die es in der Opposition wiederaufzurichten und zusammenzuhalten galt. Einen hohen Stellenwert besaßen dabei so wichtige Fragen wie die Vorbereitung eines neuen Grundsatzprogramms, die stärkere Beteiligung der Frauen an Funktionen und Mandaten der Partei sowie nicht zuletzt die Position der Sozialdemokratie im deutschen Einheitsprozess. Da Vogel 1987 von Willy Brandt den SPD-Parteivorsitz übernommen hatte, wurde er nach der Vereinigung von Sozialdemokraten aus Ost und West erster gesamtdeutscher Vorsitzender der SPD, bis er 1991 den Generationswechsel einleitete; dem Deutschen Bundestag gehörte er bis 1994 an. Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik erhielt Vogel in vielen Ehrenämtern sein hohes Engagement für gesellschaftspolitische Fragen aufrecht.
Der Friedrich-Ebert-Stiftung verbunden Hans-Jochen Vogel war der Friedrich-Ebert-Stiftung auf vielfältige Weise verbunden: Seit 1970 war er Mitglied ihres Kuratoriums und hat unzählige Veranstaltungen durch seine Teilnahme bereichert.
Von Hans-Jochen Vogels publizistischem Werk zeugt eine große Bibliographie in der Bibliothek der FES; all seine Unterlagen zudem werden in seinem Depositum im Archiv der sozialen Demokratie verwahrt.
Mit Willy Brandt (SPD-Kongress "Junge Generation und Macht" in Bad Godesberg), 1960 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Wilhelm Hoegner, 1961 (Foto: FES)
An der Berliner Mauer, 18.08.1961 (Foto: FES)
Mit Amtsvorgänger Thomas Wimmer auf dem Oktoberfest, 1961 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Willy Brandt (Bundestagswahlkampf in München), 1965 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Als Oberbürgermeister von München, 1967 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Als Oberbürgermeister von München, 1969 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Als Bundesjustizminister mit Bundeskanzler Helmut Schmidt im Deutschen Bundestag, 1977 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Als Bundesjustizminister, 1977 (Foto: photothek.net)
Mit Herbert Wehner (in Bonn), 1980 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Als Regierender Bürgermeister von Berlin im Wahlkampf, 1981 (Foto: photothek.net)
Als Kanzlerkandidat im Bundestagswahlkampf (in Fulda), 1983 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Als Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, 1985 (Foto: photothek.net)
Mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker, 1986 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Helmut Schmidt (zu Vogels 60. Geburtstag in Bonn), 1986 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Bundeskanzler Helmut Kohl (zu Vogels 60. Geburtstag in Bonn), 1986 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Anke Fuchs, Oskar Lafontaine, Hans-Ulrich Klose und Johannes Rau (in Bonn), 1988 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Liselotte Vogel am Ferienhaus in Birnbach, 1989 (Foto: photothek.net)
Mit Michail Gorbatschow (in Moskau), 1989 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Steffen Reiche von der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (in Bonn), 23.10.1989 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Willy Brandt, Wolfgang Thierse und Oskar Lafontaine (SPD-Vereinigungsparteitag in Berlin), 1990 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Mit Bernhard Vogel, 1990 (Foto: J.H. Darchinger / FES)
Abschied vom SPD-Parteivorsitz, gefeiert von vielen Genossinnen (SPD-Parteitag in Bremen), 1991 (Foto: Frank und Marc Darchinger)
Kurz vor dem Abschied vom Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion (in Bonn), 1991 (Foto: photothek.net)
Mit Holger Börner und Hans-Jürgen Wischnewski (in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn), 1993 (Foto: FES)
Im Archiv der sozialen Demokratie, 1994 (Foto: FES)
Mit Sigmar Gabriel und Wolfgang Thierse (in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin), 2014 (Foto: Jens Jeske, Berlin)
Mittwoch, 3. Februar 2021, 16.30–17.45 Uhr, Livestream mit Martin Schulz und Olaf Scholz, moderiert von Ricarda Pätzold.
Hans-Jochen Vogel ist am Sonntag, den 26. Juli 2020 im Alter von 94 Jahren gestorben. In vielerlei Ämtern und Funktionen, vor allem als…