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Die Parallelen zwischen Russland und China gelten in Asien nicht – diese Kluft gilt es zu überbrücken.

Abweichende Ansichten über die russische Invasion in der Ukraine dominierten die Gespräche beim Europabesuch der Strategic Foresight Group der Friedrich-Ebert-Stiftung Asien, besonders im Hinblick auf die Bedeutung möglicher Parallelen zu dominanten Staaten in anderen Regionen.

von Dr. Yeo Lay Hwee

Es folgen meine Überlegungen zu den Gesprächen zwischen der Delegation, der auch ich angehörte, und den Vordenker_innen und Entscheidungsträger_innen, die wir im Oktober in Brüssel und Berlin trafen, um aktuelle geopolitische Angelegenheiten und Möglichkeiten für die künftige Zusammenarbeit zwischen Europa und Asien zu diskutieren.

Wie erwartet, beherrschten der Krieg in der Ukraine und die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China unseren Dialog. Was mich in Brüssel überraschte, war die scheinbar bedingungslose Akzeptanz des Narrativs, dass die russische Invasion in der Ukraine als Warnung davor dienen sollte, was die Chinesen in Taiwan vorhätten. Die Tatsache, dass manche unserer Gesprächspartner_innen in Brüssel fragten, warum Russland in Asien nicht nachdrücklich verurteilt werde und was Asien im Falle einer chinesischen Invasion in Taiwan tun würde, zeigte ein bedauernswertes Unverständnis der strategischen Stimmung und Situation in Asien. Denn Taiwan wird (gemäß dem Ein-China-Prinzip) als Teil von China betrachtet – und deshalb nicht als souveräner Nationalstaat wie die Ukraine – weshalb sich eine solche Parallele überhaupt nicht ziehen lässt. Die Darstellung des Krieges in der Ukraine als Krieg von Demokratien gegen Autokratien und der im Westen hergestellte Zusammenhang zwischen der Bedrohung aus Russland und einer möglichen Bedrohung aus China wird in Asien zumeist abgelehnt. In Brüssel scheinen viele nicht bemerkt zu haben, dass China für asiatische Länder eine geographische und wirtschaftliche Realität ist und wir lernen müssen, mit China zu leben und unsere Beziehungen mit China klug zu steuern anstatt China ständig nur als Bedrohung zu betrachten. Viele Länder in Asien wollen China nicht unbedingt als Bedrohung sehen, sondern als Nachbarn, und sie müssen lernen, wie sie mit diesem Nachbarn auskommen können. Tatsächlich ist für viele asiatische Länder die größte Bedrohung nicht so sehr China selbst als vielmehr die chinesisch-US-amerikanische Rivalität und all ihre verheerenden Folgen.

In Berlin war unser Dialog mit den verschiedenen Gesprächspartner_innen deutlich differenzierter. Es gab ein breiteres Spektrum an Sichtweisen, was erfrischend war. Wichtig ist die Erkenntnis, dass das aktuelle Umfeld für die Politikgestaltung in Europa nicht ideal ist, denn viele der Überlegungen dazu, was in der Ukraine geschieht und viele der Reaktionen darauf sind getrieben von Ereignissen - und von Emotionen. Es ist notwendig, zu einer eher langfristigen strategischen Denkweise und einer rationalen Politikgestaltung zurückzukehren.

Meine Sorge nach den Gesprächen in Brüssel und in Berlin ist die Spaltung zwischen beiden. Brüssel schien eher in eine binäre Denkweise hineingezogen worden zu sein, die sich in der Frage an asiatische Expert_innen zeigte, warum nicht alle Länder in Asien sich der westlichen Position gegen Russland anschlössen. Wie der jüngste Besuch von Kanzler Olaf Scholz in China zeigte, müsste Berlin sich innerhalb der EU bemühen, die anderen europäischen Länder von der Notwendigkeit zu überzeugen, weniger ideologisch und eher strategisch und pragmatisch zu denken, wenn es um die Beziehungen mit asiatischen Partnern geht. 

Während der Diskussionen kam ein anderes interessantes Thema auf, das es sich meiner Meinung nach lohnt gründlicher zu untersuchen: Sowohl Asien als auch Europa schienen sich einig darin, dass wir eine regelbasierte Ordnung benötigen. Doch dann ging es um die Frage, welche Regeln das wären und wer sie festsetze, und von welcher „Ordnung“ wir überhaupt reden: Ist es das Westfälische Modell, dem sich die meisten asiatischen Länder anschließen, und das Elemente wie territoriale Integrität, souveräne Gleichheit und das Nicht-Eingreifen in innere Angelegenheiten betont? Oder die liberale Ordnung, die in der Zeit nach dem Kalten Krieg entstand und die sich durch eine Dominanz des Westens und eine Schwerpunktsetzung auf die Förderung der Demokratie und Menschenrechte, das Recht auf humanitäre Interventionen und die Verantwortung andere zu schützen auszeichnet?

Künftig werden Gespräche mit einigen der deutschen Gesprächspartner_innen darüber, wie ein inklusiver Rahmen für die Festsetzung neuer, für das 21. Jahrhundert geeigneter Einsatzregeln geschaffen werden kann, von großer Bedeutung sein und müssen weiterverfolgt werden. Wir müssen gemeinsam einen Raum schaffen, wo Länder zusammenwirken und kooperieren können, ohne zu Geiseln der Rivalität zwischen den USA und China zu werden.

Dr. Yeo Lay Hwee ist Leiterin des European Union Centre in Singapur und Ratssekretärin des Singapore Institute of International Affairs. Sie ist außerdem Mitglied der Strategic Foresight Group der Friedrich-Ebert-Stiftung Asien, einem interdisziplinären Netzwerk von VordenkerInnen aus 20 Ländern in Asien und Europa.

 

Die in diesem Artikel wiedergegebenen Ansichten stimmen nicht unbedingt mit denen der FES überein.


Der Beitrag erschien im Original in englischer Sprache auf asia.fes.de.

 


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