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Wie hat die Corona-Pandemie unsere Gesellschaft verändert? Gibt es mehr Wertschätzung für einen handlungsfähigen Staat, Respekt für systemrelevante Tätigkeiten und gesellschaftlichen Zusammenhang? Oder sind eher neue Spaltungstendenzen in der Gesellschaft aufgetreten und die Enttäuschung über die Politik gestiegen?
Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden von pollytix strategic research zwischen Oktober 2020 und November 2021 in Zeiten der Pandemie mehrere empirische Befragungen durchgeführt. Auf dieser Basis haben wir untersucht, wie sich die politischen Einstellungen, Sorgen und Hoffnungen in der Bevölkerung verändert haben und was jetzt von der Politik erwartet wird.
Zu Beginn der Corona-Pandemie bestanden große Hoffnungen, dass die Krise die Menschen in Deutschland näher zusammenrücken lässt. Beobachtungen aktiver Nachbarschaftshilfe, zum Beispiel in Form von Einkaufsdiensten für Senior_innen, sowie Solidaritätsbekundungen mit Gewerbetreibenden und Pflegepersonal bestärkten diese Hoffnung. Steigt in der Krise auch die Wertschätzung für ein gutes und funktionierendes Gemeinwesen mit starkem Gesundheitssystem und ordentlicher Verwaltung und professioneller Politik? Erfährt die Bedeutung eines aktiven und handlungsfähigen Staates in der öffentlichen Meinung eine Renaissance?
Diese Studie geht der Frage nach, wie sich die Einstellungen der Menschen gegenüber dem Staat, dem Gemeinwesen und seinen Institutionen in und durch die Corona-Krise verändert haben. Hat der gesellschaftliche Zusammenhalt nach dem Empfinden der Bürger_innen zugenommen oder hat die lang anhaltende Krisensituation eher zu neuen Spaltungstendenzen geführt?
Die Ergebnisse dieser Studie basieren auf einem mehrstufigen Forschungsprozess mit drei Untersuchungszeiträumen. Im Herbst 2020 sowie Frühjahr 2021 wurden in einem ersten Schritt jeweils sechs qualitative Fokusgruppen durchgeführt. In einem zweiten Schritt erfolgte daran anschließend eine bundesweite repräsentative quantitative Befragung. Im dritten Untersuchungszeitraum im Herbst 2021 wurde eine repräsentative Befragung ohne vorherige Fokusgruppen durchgeführt. Die Ergebnisse zeichnen nicht nur den Blick auf die Gemeinschaft und den Staat in einer Stresssituation wie der Corona-Pandemie über die Zeit nach, sondern zeigen auch auf, welche Aufgaben die Bürger_innen der neuen Bundesregierung für die Zeit nach der Krise mit auf den Weg geben.
„Die Corona-Pandemie hat den Zusammenhalt in Deutschland tendenziell verschlechtert“, so urteilt die Mehrheit (61 Prozent) der Befragten im Oktober 2021 in der letzten von drei quantitativen Befragungen. Rund ein Viertel (24 Prozent) sieht hingegen keine, zwölf Prozent eine positive Veränderung durch die Krise. Tatsächlich beklagten aber bereits vor der Pandemie drei Viertel der Bürger_innen den Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Diese Zahlen sind auch während der Pandemie konstant geblieben. Der Wunsch nach mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt ist nicht neu, aber durch die Pandemie sehr präsent.Glauben Sie, die Corona-Krise hat den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland ...?
Die Sorge um die Situation der Kinder ist größer als die in den Medien präsente Sorge um eine gesellschaftliche Spaltung. 69 Prozent der Gesamtbevölkerung und 78 Prozent der Eltern haben eher große bis sehr große Sorgen, dass die Entwicklung der Kinder durch die Corona-Krise beeinträchtigt wird. Deutlich wird in der Rangfolge, dass Sorgen um Gesellschaft und andere vor den Sorgen um die eigene Gesundheit rangieren. Nur rund ein Drittel sorgt sich um Ansteckung und mögliche Folgen für die Gesundheit wie Long-Covid. An letzter Stelle steht die Sorge um langfristige Impfschäden (29 Prozent haben hier eher große oder sehr große Sorgen).Inwiefern sorgen Sie die folgenden Bereiche in Bezug auf die Corona-Pandemie?
Nur rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland hat das Gefühl, genügend Anerkennung und Respekt zu erfahren. Im Dezember 2018 fühlten sich 57 Prozent wertgeschätzt. Während der Pandemie ist ein leichter Rückgang auf 52 Prozent im Oktober 2020, 48 Prozent im Mai 2021 sowie 51 Prozent im Oktober 2021 zu verzeichnen. Die Auswertung nach soziodemografischen Subgruppen zeigt jedoch auch, dass das Gefühl in der Gesellschaft ungleich verteilt ist. Je geringer das Einkommen oder die formale Bildung, desto weniger Anerkennung und Respekt werden empfunden. Generell wird eine „Verrohung“ der Gesellschaft beklagt mit abnehmender Akzeptanz gegensätzlicher Meinungen sowie dem Fehlen guter Umgangsformen und Höflichkeit.Alles in allem bekommen Menschen wie ich in Deutschland den Respekt und die Anerkennung, die sie verdienen.
In der Bevölkerung besteht ein starker Wunsch nach einer anpackenden Politik mit Plan und Weitsicht. Bereits im Mai 2021 stimmten 62 Prozent eher der Sichtweise zu, dass es eine neue Politik brauche, die Ideen für die Zukunft entwickelt, Dinge anpackt und zu Ende bringt. Breiter Konsens besteht auch darin, dass Deutschland mehr investieren müsse, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen. Die präferierten Bereiche für Investitionen sind dabei Pflege/Gesundheit, Schulen, Renten und Wohnraum. Unabhängig von Alter oder Geschlecht steht das Thema „Pflege/Gesundheit“ bei allen an erster Stelle. Jüngere Menschen (18-39 Jahre) erachten Investitionen in Schulen als gleich wichtig (38 Prozent). Im Vergleich zu anderen Altersgruppen sind ihnen mit jeweils 27 Prozent auch Investitionen in Energie- und Verkehrswende sowie Digitalisierung wichtig (insgesamt 23 bzw. 22 Prozent).Wenn Sie sich für einen dieser Bereiche entscheiden müssten, in welchen sollte die Politik als Erstes investieren? Und in welchen als Zweites?
Im Verlaufe der Pandemie ist in allen Bereichen die Zufriedenheit mit der Erfüllung staatlicher Aufgaben zurückgegangen. Besonders hoch ist die Unzufriedenheit hinsichtlich bezahlbaren Wohnraums, Renten, Energie- und Verkehrswende sowie Digitalisierung. Zu Beginn der Pandemie war noch eine Mehrheit zufrieden mit dem Pflege- und Gesundheitssystem sowie der Qualität der Schulausbildung. Inzwischen sind die positiven und negativen Bewertungen ungefähr gleich stark vertreten. Am stärksten angestiegen ist die Unzufriedenheit über das Voranschreiten der Energie- und Verkehrswende. Im Oktober 2020 beurteilten 55 Prozent der Befragten die Erfüllung staatlicher Aufgaben als schlecht an, ein Jahr später fällten 65 Prozent ein negatives Urteil.Bitte sagen Sie mir für jede der folgenden Aufgaben, ob der Staat diese Ihrer Meinung nach sehr gut, gut, schlecht oder sehr schlecht erfüllt?
Ansprechpartner in der FES: Jan Niklas Engels
Schulz, Leonie; Faus, Rainer
Sorgen und Hoffnungen in Zeiten der Pandemie / Leonie Schulz, Rainer Faus ; Herausgeberin: Abteilung Analyse, Planung und Beratung. - Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung, 2022. - 24 Seiten = 1,3 MB, PDF-File. - (FES diskurs)Electronic ed.: Bonn : FES, 2022ISBN 978-3-98628-054-3
Publikation herunterladen (1,3 MB, PDF-File)
Gesellschaftliche Vorstellungen für eine Politik nach der Pandemie
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Wahlniederlagen sozialdemokratischer Parteien und dem Erstarken radikal rechter Parteien in Westeuropa?
Eine historische Bundestagswahl mit einem roten Comeback
Das deutsche Pflegesystem ist schlecht auf die Pandemie vorbereitet gewesen. Hohe Infektionszahlen und belastende Arbeitsbedingungen waren die Folge.
Koordination Dr. Cäcilie Schildberg
Kontakt & Anmeldung Sergio Rakotozafygerechtigkeitswoche(at)fes.de
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