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"In diesem Jahr sind wir noch mehr und unsere Stimme wird noch lauter sein!"

Interview mit der Aktivistin VALERIA ESPAÑA zu politischer Teilhabe von Frauen in Uruguay

Bild: Valeria España von FES

Wie würdest du politische Vertretung aus einer feministischen Perspektive definieren: vor allem als Zugang zu politischen Ämtern oder was gibt es noch für Möglichkeiten?

Mehrere Dimensionen sind möglich. Vielleicht könnten wir sagen, dass es sich um eine Vertretung handeln müsste, deren Handeln darauf ausgerichtet ist, die mit der historischen strukturellen Unterordnung der Frauen zusammenhängenden Schwierigkeiten zu überwinden. Eine Vertretung, die nicht nachgibt und ihr Bestreben nicht relativiert, ohne Zugeständnisse bestimmte Strukturen abzuschaffen.

Eine politische Vertretung aus feministischer Perspektive und die Präsenz von Frauen in der Politik sind nicht notwendigerweise dasselbe. Ebenso wenig bedeutet eine stärkere politische Präsenz von Frauen an sich die Integration einer feministischen Perspektive. Meiner Ansicht muss die Formel nicht lauten: "Mehr Frauen, bessere Politik", sondern stattdessen: "Mehr Frauen, mehr Demokratie".  Es ist wichtig, dass wir uns das vor Augen führen.

Eine feministische Perspektive sollte sich nicht darauf beschränken, genderbezogene Institutionen zu schaffen oder Gesetze und öffentliche Politikvorhaben anzustoßen, die auf eine verstärkte politische Vertretung von Frauen ausgerichtet sind. Stattdessen stehen Politikerinnen vor der Schwierigkeit sich mit anderen Narrativen auseinanderzusetzen als ihre männlichen Kollegen. Sie müssen gegen diese Vorstellungen angehen, die sexistische Gewalt in den Medien vermindern und selbst unter Gleichgesinnten gegen Vorurteile ankämpfen.

Die Reflexion muss also über die Parteiarbeit und die Vertretung in gewählten Ämtern hinausgehen. Denken wir an den 8. März letzten Jahres und die Straßen in aller Welt, auf denen Millionen Frauen die Knochen eines veralteten, aber immer noch widerstandsfähigen Herrschaftssystems zum Knirschen brachten. In diesem Jahr sind wir noch mehr, und unsere Stimme wird noch lauter sein.

Wie funktionieren, aktualisieren und erneuern sich in Uruguay die patriarchalischen Barrieren, mit denen der Zugang von Frauen zu Führungspositionen begrenzt wird?  

Uruguay ist ein patriarchal geführtes Land. Es reicht, sich anzuschauen, wer die Stellen besetzt, von denen aus die Entscheidungen getroffen und die richtungweisenden Strategien definiert werden. Neben offenen, zynischen Äußerungen der herrschenden Frauenfeindlichkeit gibt es auch andere, eher versteckte, strukturelle Ausdrucksformen, die mit dem Verständnis davon verknüpft sind, wie und wo Politik gemacht wird.

Dies lässt sich auch anhand von Parlamentsdebatten schnell aufzeigen.  So fanden die ablehnenden Äußerungen Carmelo Vidalíns, dem Gouverneur des Departments Durazno, im Rahmen der Diskussion über die Annahme eines Paritätsgesetzes von 2016, gegenüber der "Genderpolitik" in den sozialen Netzwerken ein breites Echo.

Andere Bespiele für diese strukturellen Ausdrucksformen von fehlender Gleichstellung wären die Diskussion um die Frauenquote oder die Frage der Pflege und ihrer gesellschaftlichen Verteilung.

In diesen Diskursen wird oft verkannt, dass feministische Forderungen weder ausgrenzend noch linear sind, sondern gerade auf komplexe, strukturelle Veränderungen zielen.

Uruguay hat viele Fortschritte bei den Frauenrechten vorzuweisen. Wie erklären sich da die geringen Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Quoten und der Vertretung in Uruguay?  

Der Schlüssel liegt darin, dass diese Erfolge, die Uruguay als richtungsweisendes Land hervorheben, nicht als Museumsstücke und unbewegliche Festschreibungen wahrgenommen werden sollten.

Damit Frauen die gläserne Decke durchbrechen und vermehrt Zugang zu Stellen mit Entscheidungskompetenz erhalten, ist laut einer Untersuchung von Niki Johnson über "Mitwirkung und Vertretung" im Rahmen einer Regierungsstudie einer der Schlüsselbereiche die Transformation des Parteiensystems.

Nach ihren Erkenntnissen hat das Quotengesetz keine Veränderungen hinsichtlich der parteiinternen Machtdynamik hervorgebracht. Dies liegt daran, dass männliche Privilegien noch immer fest in formalen Strukturen und der informalen Praxis der uruguayischen Demokratie verankert sind. Aus der Sicht der sozialen Bewegungen wäre somit eine Verfassungsreform sicher sinnvoll. Vor allem aber könnte sie hinsichtlich dieses Themas die Möglichkeit bieten, mit einer Diskussion über die Reichweite und die Prinzipien einer paritätischen Demokratie zu beginnen.

Die Auseinandersetzung für eine bessere politische Vertretung von Frauen müssen wir an allen Fronten führen. Jeden Tag, indem wir an den Vorbedingungen für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft arbeiten, sowohl im Alltag als auch in den anachronistischen Köpfen, die das Land lenken und die die Wirkung der strukturellen Ungleichheit und der Hindernisse, die einem Durchbrechen der gläsernen Decke entgegenstehen, nicht wahrhaben wollen.


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