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Jugend und Politik

Das soziale Europa stärken

Die Europäische Union leidet derzeit unter vielfältigen Krisen: Der Wirtschafts- und Fiskalkrise, der „Flüchtlingskrise“ und einer Vertrauenskrise.

Bild: Bild: Wohlstandsschere Urheber: Bücherwurm_65 Lizenz: CC0 1.0

Das Projekt einer europäischen Säule sozialer Rechte wurde von Kommissionspräsident Juncker im Herbst 2015 angekündigt. Die Initiative hat zum Ziel, die Auswirkungen der Wirtschafts- und Schuldenkrise in der Währungsunion zu adressieren und das Vertrauen der Bürger_innen in die soziale Dimension des europäischen Projekts zurückzugewinnen. Außerdem soll sie einen Rahmen für die neue Arbeitswelt des digitalisierten 21. Jahrhunderts schaffen. Nach ihrem Inkrafttreten sollen auch Nicht-Euroländer die Möglichkeit haben, der Säule beizutreten, welche die Politikfelder Chancengleichheit, Zugang zum Arbeitsmarkt, faire Arbeitsbedingungen und Sozialschutz sowie Zugang zu sozialen Dienstleistungen abdecken wird.

Anstatt die Diskussion über das Projekt mit einem eigenen Vorschlag zu initiieren, hat die Kommission einen Konsultationsprozess angestoßen. In dessen Verlauf haben Zivilgesellschaft, Sozialpartner und Bürger_innen bis Ende 2016 die Möglichkeit, ihre Visionen für die Ausgestaltung der sozialen Säule einzubringen, welche dann bei der Ausformulierung eines Weißbuches durch die Kommission aufgegriffen werden. Hierzu organisierten das Europabüro der FES, die Landesvertretung Nordrhein-Westfalens, der Deutsche und der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Diakonie Deutschland, die Arbeiterkammer Europa und Solidar – ein europäisches Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen – eine Konferenz, die am 26. Mai 2016 in Brüssel stattfand. Diskutiert haben Vertreter_innen der EU-Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft, der europäischen Institutionen, der Wirtschaft sowie verschiedener Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.

Unsicherheit und Skepsis

Grundsätzlich wurde die Idee einer Stärkung der sozialen Komponente der EU von Zivilgesellschaft und Gewerkschaften positiv aufgenommen. Gleichzeitig herrschte jedoch Skepsis bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Projekts. Vor die „weiße Leinwand“ des Konsultationsfragebogens gestellt, traten viele Unsicherheiten zutage. Diese betrafen zum einen die Frage nach dem Grad der tatsächlichen Einbindung der Konsultationsergebnisse durch die Kommission. Zum anderen fehlt eine Idee von der Rechtsverbindlichkeit und den Instrumenten zur Durchsetzung neuer Sozialstandards, wenn diese einmal gesetzt sind. Besonders die Gewerkschaften stellten infrage, wie die angestrebte „Aufwärtskonvergenz“ der Sozialstandards in der Währungsunion sicherzustellen sei, solange es nicht zu einer grundsätzlichen Revision der Austeritätspolitik komme – für die sich jedoch keine Mehrheiten im Rat abzeichnen.

Ein weiterer Kritikpunkt besteht in der vorläufigen Beschränkung der Standards auf die Staaten der Eurozone. Schließlich gibt es gerade außerhalb der Währungsunion Mitgliedsländer mit niedrigen Sozialstandards, deren Bürger_innen von einer sozialen Aufwärtskonvergenz stark profitieren würden. Eine einseitige Anhebung der Standards innerhalb der Eurozone könnte ein „Europa der zwei sozialen Geschwindigkeiten“ zur Folge haben.

Trotzdem: Eine notwendige Initiative mit Potenzial

Trotz aller Kritik und Skepsis waren sich die Anwesenden jedoch einig, dass die Initiative einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Der groß angelegte Konsultationsprozess sei zudem ein neuer Ansatz für eine direkte Beteiligung der Bürger_innen und relevanter Akteure, der das Potenzial berge, die Entfremdung vieler Menschen von der europäischen Politik zu überwinden. Zudem lässt sich die Initiative der Kommission als begrüßenswertes Anzeichen für eine vorsichtige Wende verstehen – weg von der Versteifung auf Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltsdisziplin und hin zu mehr sozialen Investitionen.

Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt ausreichend Dynamik entwickelt, um das europäisch-deutsche Dogma der Austerität zu durchbrechen. Der umfassende Konsultationsprozess kann mithin als Appell an die Bürger_innen, die Zivilgesellschaft und Sozialpartner verstanden werden, sich aktiv an der Entwicklung eines sozialen Europas zu beteiligen, um dem gesamteuropäischen Projekt und der sozialen Säule eine solide demokratische Legitimität zu verleihen. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um dem wackeligen Haus Europa dringend benötigte Stabilität zu geben.

Weiterführende Links:

Eine ausführliche Dokumentation der Konferenz "The Pillar of Social Rights" hat die Landesvertretung Nordrhein-Westfalens bei der EU veröffentlicht

Für eine Teilnahme am Konsultationsprozess finden Siehier alle Informationen.


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