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Jugend und Politik

Ein Plädoyer für soziale Städte

Umweltkatastrophen, eine weltweite Pandemie, eine drohende Rezession und politische Unruhen prägen die Metropolen in Asien und machen deutlich, warum die Städte der Zukunft soziale Städte sein müssen.

Die COVID-19-Pandemie brachte sowohl die Schwachpunkte der städtischen Infrastruktur als auch die Kreativität und Belastbarkeit der örtlichen Gemeinschaften in den Städten in ganz Asien ans Licht. Die Schwächsten der Stadtbevölkerung waren am stärksten von der Krise betroffen. Dennoch nahmen Freiwillige vor Ort, Beschäftigte des informellen Sektors und andere Mitglieder der Gemeinschaften die Herausforderung an und trugen dazu bei, Dienstleistungen aufrecht zu erhalten, die Wirtschaft zu beleben und die Solidarität zu stärken.

Dies passt zum Thema des diesjährigen Welttages der Städte, „Valuing our Communities and Cities“ (Wertschätzung für unsere Gemeinschaften und Städte), welches auf die besondere Rolle informeller Netzwerke der Gemeinschaften bei der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und der Steigerung der Belastbarkeit von Städten in Notzeiten hinweist. Um eine Stadt jedoch wirklich nachhaltig zu machen, muss der Wert der Gemeinschaften auch dann anerkannt werden, wenn keine Krise herrscht. Aus diesem Grund arbeitet FES Asien an Konzepten, um die Entwicklung sozialer Städte zu unterstützen.
 

Was ist eine soziale Stadt?

Eine soziale Stadt ist menschenorientiert und entwickelt sich auf partizipative Art und Weise. Die Bedürfnisse aller Bewohnerinnen und Bewohner werden bei der Stadtplanung und der Politikgestaltung berücksichtigt. So entsteht eine inklusive, gerechte, sichere Stadt, die allen eine hohe Lebensqualität und gleichen Zugang zu Dienstleistungen und Chancen bietet. Soziale Städte sind nicht nur wichtige Motoren des Wirtschaftswachstums, sondern bieten Sozialleistungen wie Bildung und ein soziales Wohnungswesen. Das Ziel sozialer Städte ist es, soziale Ausgrenzung zu verringern, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und die Beteiligung der Öffentlichkeit zu ermöglichen, um städtische Herausforderungen besser zu meistern.
 

Welche Herausforderungen müssen in Angriff genommen werden?

Die Städte in Asien sind geprägt von schneller Urbanisierung, der Privatisierung des öffentlichen Raumes und einem immer technokratischeren Ansatz der Infrastrukturplanung. Dies hat zu Zersiedelung, sozioökonomischer Segregation und Städten geführt, die die Bedürfnisse ihrer Einwohnerschaft nicht erfüllen, geschweige denn Gesundheits- oder Umweltprobleme wirksam bewältigen können. In den jüngsten Krisen wurde dies immer offensichtlicher.

Eines der dringlichsten Probleme unserer Zeit, der Klimawandel, verändert das Umfeld, in dem unsere Städte gebaut wurden. Nachdem in Zentralvietnam gerade erst die zweite COVID-19-Welle überwunden war, wurde die Gegend vor kurzem von zwei Stürmen heimgesucht, die Regenfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche mit sich brachten. Etwa 90.000 Menschen waren gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, und das Ausmaß der Naturkatastrophe, der über hundert Menschen zum Opfer fielen, überraschte selbst die Einwohner dieser katastrophenanfälligen Region.
 

Inklusivität – die Stadt teilen

Eine soziale Stadt ist inklusiv. Das bedeutet, sie ermöglicht jeder Bürgerin und jedem Bürger unabhängig von ihrem Hintergrund eine Teilhabe an den sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Chancen. Dazu gehört die Planung städtischer Verkehrssysteme, die für alle zugänglich und praktisch sind, zum Beispiel auch für Menschen mit Behinderungen. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Sozialwohnungen für die Armen und die Unterstützung derjenigen, die im informellen Sektor tätig sind, denn diese Arbeitskräfte kümmern sich um unentbehrliche öffentliche Dienstleistungen wie das Recycling von Abfällen und den Verkauf von Lebensmitteln.
 

Zusammenarbeit – die Stadt gestalten

Eine soziale Stadt fördert die Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Zivilgesellschaft. Selbst mit begrenzten Mitteln haben Einwohnerinnen und Einwohner sowie zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit bewiesen, um während der Coronakrise positive Dinge in ihren Gemeinschaften zu bewirken. In Myanmar beispielsweise haben solche Gruppen Aufklärungsarbeit geleistet, Lebensmittelspenden organisiert und Masken zu reduzierten Preisen verkauft. In Vietnam spendeten Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft Lebensmittel und Masken und erfanden sogar einen “Reisautomaten”, um finanziell schwache Haushalte zu unterstützen.
 

Beteiligung – die Stadt verändern

Eine soziale Stadt ist eine Stadt, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, sich an Planungsprozessen zu beteiligen. Wie die jüngsten Proteste in den Straßen von Hong Kong und Bangkok gezeigt haben, nutzen die Menschen den öffentlichen Raum, um ihre Meinung und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Um eine Stadt zu einer sozialen Stadt zu machen, sollte sich die Bürgerbeteiligung nicht auf formale Prozesse beschränken. Den Einwohnerinnen und Einwohnern sollten Foren zur Verfügung stehen, um über die Politik in Bezug auf städtische Angelegenheiten mitzudiskutieren, und sie sollten die Straßen, Parks und Plätze der Stadt nutzen, um „mit den Füßen abzustimmen“.
 

Die Gestaltung einer sozialen Stadt

Intelligente technische Lösungen werden oft als Möglichkeit gesehen, die vielfältigen Herausforderungen einer Stadt zu lösen. Das jüngste Beispiel sind zwei von der vietnamesischen Regierung entwickelte Gesundheits-Apps, die Informationen zur Corona-Pandemie sammeln und verbreiten. Aber ohne die Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger, die die Apps herunterluden und nutzten und auch andere COVID-19-Bestimmungen aktiv unterstützten, wäre diese Maßnahme wirkungslos gewesen. In diesem Fall könnte das Thema Datenschutz die Mitarbeit der Öffentlichkeit und die Übertragbarkeit der Daten einschränken. In anderen Fällen, wie z.B. bei der Nutzung intelligenter Technologien zum Abfallmanagement, könnten fehlende Expertise oder Regulierungsdruck eine erfolgreiche Umsetzung verhindern.

Städte müssen ihre Bürgerschaft dazu befähigen, Teil der Lösung zu sein, indem sie soziale Städte gestalten, die Inklusivität, Zusammenarbeit und Beteiligung ermöglichen. Die höhere Lebensqualität wird die Solidarität zwischen verschiedenen Gruppen der Gesellschaft fördern und Raum schaffen für Kreativität, die wir für Innovationen in unseren Städten so dringend benötigen. So können soziale Städte das Potenzial ihrer Bürgerinnen und Bürger verbessern, wodurch Städte in Krisenzeiten nicht nur überleben, sondern Herausforderungen bewältigen, ohne die Umwelt zu zerstören oder Ungleichheiten noch zu verstärken.
 

Franziska Nicolaisen arbeitet als freie Beraterin zu den Themen Urbanisierung und Erziehung in Vietnam und Südostasien. Aktuell schreibt sie ihre Masterarbeit an der Universität Passau über nachhaltige Stadtentwicklung in Vietnam.


Dieser Artikel erschien original am 31.10.2020 in englischer Sprache auf www.fes-asia.org.


Ansprechpartner

Elisabeth Bollrich
Elisabeth Bollrich
+49 30 26935-7514
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