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Jugend und Politik

Europa, „in Ungleichgewichten geeint“

Deutschlands Handelsüberschuss wächst seit Jahren, und mit ihm die Kritik der Europäischen Kommission an den entstehenden makroökonomischen Ungleichgewichten in Europa.

Bild: „Wippe“ von Thomas Raich lizenziert unter CC BY 2.0

Eine Meinung zumindest eint die Präsidenten der USA und Frankreichs, die ansonsten wohl unterschiedlicher kaum sein könnten: Deutschland soll Europas Wirtschaft und sich selbst etwas Gutes tun mit höheren Löhnen und mehr Investitionen. „Exportweltmeister“ – auf diesen Titel legen viele deutsche Politiker_innen Wert. China und die USA exportieren zwar insgesamt mehr als Deutschland, Deutschlands Handelsüberschuss ist 2016 aber auf einen Rekordwert gestiegen und mit über 250 Milliarden Euro der höchste weltweit. Von den deutschen Exporten gehen rund 59 Prozent in die Europäische Union, 37 Prozent in die Eurozone und 22 Prozent in die übrige EU. Der deutsche Handelsüberschuss mit der Eurozone ist überschaubar, die Exporte sind drei Prozent höher als die Importe. Anders sieht es gegenüber dem Rest der EU und Drittstaaten aus, wo die Exporte die Importe um 31beziehungsweise 55 Prozent übersteigen.

Exporte sind okay, Ungleichgewichte nicht

Donald Trump macht das richtig wütend. Die Europäische Kommission formuliert vornehmer, betont in ihren aktuellen länderspezifischen Empfehlungen aber einmal mehr, dass in Deutschland Investitionen steigen, Reallöhne anziehen und Steuern auf geringe Einkommen sinken sollten. So könnten die Binnennachfrage in Deutschland gestärkt und makroökonomische Ungleichgewichte in Europa – frei nach der (etwas simplen) Logik: des einen Überschüsse sind des anderen Defizite und Schulden – abgebaut werden. Auch der Internationale Währungsfonds sieht das ähnlich. Für viele Beobachter_innen liegt das ungelöste Kernproblem der Eurokrise in der zu unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsbilanz der Euroländer.

Eine Podiumsdiskussion auf der von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin organisierten Konferenz zum 15-jährigen Bestehen des Makroökonomischen Kreises des DGB ging diesen Zusammenhängen nach. László Andor, von 2010 bis 2014 EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, interpretierte das EU-Motto „In Vielfalt geeint“ in „In Ungleichgewichten geeint“ um. Sein Plädoyer: Exzessive Handelsungleichgewichte in Europa müssen unbedingt angegangen werden müssen.

Einsicht ist der erste Schritt – hoffentlich nicht der letzte

Deutschland hat das Problem zwar erkannt. Als Lösung favorisieren Christdemokraten Steuersenkungen, Sozialdemokraten hingegen Investitionen. Allerdings verweisen Politik und Medien in Deutschland auch allzu gerne auf die Dimensionen der wirtschaftlichen Zusammenhänge und politischen Zuständigkeiten: die deutschen Exporte würden durch den günstigen Euro und billige Rohstoffe befeuert, jeweils ohne Einflussmöglichkeit deutscher Politik; andere Staaten müssten ihre strukturellen „Hausaufgaben“ so gut erledigen wie Deutschland und  Produkte herstellen, die mit deutschen Importen konkurrieren oder nach Deutschland exportiert werden können; der Binnenkonsum sei schon der größte Wachstumstreiber in Deutschland; die Investitionen nähmen nicht zuletzt durch die Flüchtlingsintegration zu; die Löhne stiegen bereits, seien aber Sache der Tarifpartner.

Ein näherer Blick auf das letzte Argument zeigt, dass die Tarifbindung in Deutschland seit Jahrzehnten abnimmt, in Kleinunternehmen gibt es sie kaum. Nicht nur vor dem Hintergrund marginalisierter Gewerkschaften und eingebrochener Löhne in den Krisenstaaten, sondern auch des gespaltenen Arbeitsmarkts und jahrelanger Lohnzurückhaltung in Deutschland forderte IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban daher in der Diskussion, die Tarifbindung überall in Europa wiederherzustellen. Zusammen mit nachhaltigen öffentlichen Investitionen sieht er darin die Grundlage einer europäischen Wertschöpfungsunion, die ihre Gewinne gerecht in der Bevölkerung verteilt und so Spaltungspotentialen entgegenwirkt.

Ansprechpartner in der Stiftung:

Markus Schreyer


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