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Gewerkschaften sind treibende Kräfte des gesellschaftlichen Wandels. Wandel kann aber nur dann nachhaltig gelingen, wenn er geschlechtergerecht ist. Deshalb müssen auch Gewerkschaften geschlechtergerechte Organisationen werden.
von: Natalia Figge und Priyanka Kapar
Gewerkschaften fördern Solidarität, verstärken kollektive Stimmen, kämpfen für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und setzen sich für eine faire und gerechte Arbeitswelt ein. Oft gelten sie jedoch als Orte der „Brüderlichkeit“, in denen für einen großen Teil der Arbeitnehmenden – Frauen und genderdiverse Menschen – kaum Platz ist. Gleichzeitig streben Frauen auf Arbeitsmärkten, die immer fragmentierter, prekärer und informeller werden, nach menschenwürdiger Arbeit. Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, dass Gewerkschaften geschlechtergerechtere Organisationen werden, damit sie wirklich alle Arbeitnehmenden einbeziehen und repräsentieren.
Im aktuellen politischen und wirtschaftlichen Umfeld ist geschlechtergerechter Wandel besonders wichtig. Die Arbeitswelt ist im Umbruch, und in vielen Ländern erlebt der politische Konservatismus einen Aufschwung. Diese Entwicklungen führen dazu, dass Gewerkschaften zunehmend unter Druck geraten. Vor diesem Hintergrund muss Geschlechtergerechtigkeit ein wesentlicher Bestandteil eines umfassenderen Kampfes für die Rechte von Arbeitnehmenden sein.
Obwohl weltweit immer mehr Frauen in Gewerkschaften eintreten, sind sie in deren Führungsebenen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Zudem sind sie als Mitglieder umso schwerer zu halten, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Stimmen und Interessen nicht angemessen vertreten werden. Für Gewerkschaften ist es daher von strategischer Bedeutung, Frauen und ihre Interessen konsequent einzubeziehen – nicht nur, um die Mitgliederbasis zu stärken, sondern auch, um relevant zu bleiben und gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten zu wahren.
Geschlechtergerechter Wandel erfordert Bemühungen sowohl auf der gewerkschaftspolitischen Ebene als auch in der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit. Die Gewerkschaftspolitik ist einer der wichtigsten Hebel für institutionellen Wandel, denn sie prägt, wie Gewerkschaften von ihren Mitgliedern wahrgenommen werden. Zu den politischen Maßnahmen, die einen transformativen Wandel vorantreiben können, gehören die Schaffung institutioneller Strukturen, für Frauen reservierte Führungspositionen, Geschlechterquoten in Führungs- und Gewerkschaftsstrukturen, verbindliche finanzielle Quoten für Programme zur Geschlechtergerechtigkeit sowie Maßnahmen zur Bekämpfung sexueller Belästigung und zur Schaffung eines geschlechtergerechten Arbeitsumfelds. Weitere Wege zur geschlechtergerechten Umgestaltung von Gewerkschaften sind die Integration von Geschlechterfragen und die Verbesserung geschlechtergerechter Praktiken – etwa bei der Organisation, in Tarifverhandlungen, bei Bildungs- und Ausbildungsaktivitäten, der Schaffung von Netzwerken und Bündnissen sowie durch Gender-Audits.
Für die FES sind Gewerkschaften als treibende Kräfte für Veränderung die wichtigsten Partnerorganisationen in ihrem Engagement für nachhaltigen transformativen Wandel. Aus diesem Grund misst die FES ihrer Zusammenarbeit mit Gewerkschaften auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit große Bedeutung bei. Damit diese Transformation gelingt, braucht es Wissensaustausch, Kapazitätsaufbau und Unterstützung auf dem Weg zu einer gerechteren Arbeitswelt. Das Handbuch Transformative Strategies towards Gender Equality in Trade Unions bietet Strategien, Ideen und Methoden, mit denen viele Gewerkschaften die Gleichstellung der Geschlechter bereits fördern – zum Beispiel durch aktive Beteiligung auf verschiedenen Ebenen, Lobbyarbeit und Aufbau von Netzwerken. Zusammengenommen zeigen diese Ressourcen, wie Gewerkschaftsaktivist_innen Fragen der Geschlechtergerechtigkeit innerhalb ihrer Organisationen diskutieren und ihre Organisationen damit zu Akteur_innen des Wandels in der Arbeitswelt und der Gesellschaft machen – mit dem Ziel einer geschlechtergerechten und sozial gerechten Zukunft.
Die Publikationsreihe “Let’s make trade unions more gender just” bricht die Inhalte des Handbuchs in klare, umsetzbare Formate herunter, die Gewerkschaften in ihrer alltäglichen Arbeit nutzen können. Die Reihe besteht aus zwei Heften – Heft 1:Gender Just Policies and Structures und Heft 2:Spaces and Strategies for Gender Just Transformation in Core Union Activities.
Jedes der beiden Hefte bietet praktische Schritte, konkrete Beispiele und Empfehlungen, die sich gut in die alltägliche Arbeit und Politik der Gewerkschaften integrieren lassen. Heft 1 enthält Anregungen für inklusive Praktiken und Strategien, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jedes Mitglied – egal welchen Geschlechts – wertgeschätzt, gehört und gestärkt fühlt. Es bietet klare Leitlinien und umsetzbare Strategien und gibt Gewerkschaftsaktivist_innen Instrumente an die Hand, um den notwendigen Wandel wirksam voranzutreiben.
Heft 2 bietet praktische Informationen, wie Frauen als Führungskräfte und Mitglieder in die Kernfunktionen der Gewerkschaften integriert werden können, um die Organisationen geschlechtergerechter zu gestalten. Der Text führt in den Nachhaltigkeitszyklus ein und bietet Arbeitsblätter, die Wissen vermitteln, um Gender-Analysen zu verstehen und umzusetzen, Konsultationen mit Interessengruppen durchzuführen, Gender-Aktionspläne zu erstellen, diese Pläne umzusetzen und die Umsetzung zeitgerecht zu überwachen und evaluieren.
Mit diesen Arbeitsheften unterstützt die FES die Bemühungen der Gewerkschaften um den Aufbau von Wissen und die Schaffung eines gerechteren und faireren gewerkschaftlichen Umfelds.
Gewerkschaftliche Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit profitieren von einem vielschichtigen Ansatz, bei dem globale, regionale und lokale Dynamiken zusammenwirken. Auf globaler Ebene spielen Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) und die Globalen Gewerkschaftsföderationen (GUFs) eine entscheidende Rolle. Sie legen Normen fest, beeinflussen die Politik und fördern die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften aus verschiedenen Regionen. Ihre Rahmenwerke zu Geschlechtergerechtigkeit und Rechte von Arbeitnehmenden bieten Gewerkschaften wichtige Anhaltspunkte, die dann an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden können.
Auf regionaler Ebene können Gewerkschaften direkter auf die spezifischen Herausforderungen reagieren, mit denen Arbeitnehmende vor Ort konfrontiert sind. In Asien beispielsweise befassen sich Gewerkschaften in Ländern wie Indien und den Philippinen zunehmend mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und setzen sich für eine Politik ein, die Frauen am Arbeitsplatz - insbesondere in der informellen Wirtschaft und in der Gig-Economy - besser schützt. Solche regionalen Bemühungen sind von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung von Strategien, die den Bedürfnissen von Arbeitnehmenden in ihrem jeweiligen lokalen Kontext gerecht werden.
Auf lokaler Ebene müssen sich die Gewerkschaften an die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen ihrer Mitglieder anpassen. In Ländern wie Deutschland haben sie erfolgreich starke Unterstützungsnetzwerke für weibliche Beschäftigte aufgebaut, sich für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt und Maßnahmen vorangetrieben, die ein inklusiveres, geschlechtergerechteres Umfeld ermöglichen. Durch die Verknüpfung globaler Rahmenbedingungen mit regionalen Erkenntnissen und lokalen Maßnahmen können Gewerkschaften die Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft wirksam vorantreiben.
In einer sich rasch verändernden politischen Landschaft, in der Geschlechtergerechtigkeit und die Rechte von Arbeitnehmenden durch konservative Kräfte immer stärker unter Druck geraten, müssen Gewerkschaften an vorderster Front für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Globale, regionale und lokale Vernetzungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung bieten dabei die notwendige Unterstützung, um sich gegen diese regressiven Kräfte zu wehren. Wenn Gewerkschaften Geschlechtergerechtigkeit in ihre Kernarbeit integrieren, werden sie nicht nur Fortschritte auf dem Weg zu einer gerechteren Arbeitswelt machen, sondern auch ihre Rolle als Akteur_innen eines transformativen gesellschaftlichen und politischen Wandels stärken.
Serrano, Melisa R.; Viajar, Verna Dinah Q.
Spaces and strategies for gender just transformation in core union activities / Authors: Melisa R. Serrano, Verna Dinah Q. Viajar. - Kathmandu : Friedrich-Ebert-Stiftung Nepal Office, 2024. - 31 Seiten = 1 MB, PDF-File. - Electronic ed.: Kathmandu : FES, 2024
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Gender just trade union policies and structures / Authors: Melisa R. Serrano, Verna Dinah Q. Viajar. - Kathmandu : Friedrich-Ebert-Stiftung Nepal Office, 2024. - 47 Seiten = 2,6 MB PDF-File. - Electronic ed.: Kathmandu : FES, 2024
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A handbook / Melisa R. Serrano and Verna Dinah Q. Viajar. - Kathmandu : Friedrich-Ebert-Stiftung Nepal Office, Gender Justice Hub Asia, 2022. - 79 Seiten = 870 KB, PDF-File. - Electronic ed.: Kathmandu : FES, 2022
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Natalia Figge ist Leiterin des FES Nepal Büros und des FES Regionalprojekts Gender Justice in Asia.
Priyanka Kapar ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Regionalprojekts Gender Justice Asia bei der FES Nepal.
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