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Wieso, weshalb und wie? Bürger_innenbeteiligung wirksam und nachhaltig gestalten

Immmer mehr Kommunen beziehen ihre Bürger_innen regelmäßig in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse ein. Reicht die repräsentative Demokratie auf kommunaler Ebene nicht aus? Nein, sagen die Verfechter_innen von Bürger_innenbeteiligung. Und recht haben sie. Wer nach einer fairen und inklusiven Gesellschaft strebt, bei der die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Einwohner_innen in Entscheidungsprozesse einfließen, kann das durch mehr Partizipation erreichen.

Bild: von picture alliance Westend61 HuberStarke

Große Zukunftsthemen wie Klimawandel, Mobilitätswende, soziale Gerechtigkeit oder moderne digitale Verwaltungen stehen auf der kommunalen Agenda. Notwendige politische Entscheidungen können nicht nur an die Menschen kommuniziert werden, sie müssen von ihnen akzeptiert und mitgetragen werden. Nur so lassen sich die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern.

In den Kommunen gestaltet Politik die Lebensqualität direkt vor Ort. Nirgendwo ist Politik so erfahrbar wie in der Kommune. Bürger_innenbeteiligung ermöglicht die Einbindung in demokratische Veränderungs- und Gestaltungsprozesse derjenigen Menschen, die in den Städten und Gemeinden leben und deshalb von den politischen Entscheidungen unmittelbar betroffen sind. Durch Bürger_innenbeteiligung werden deren unterschiedliche Perspektiven und Lebensrealitäten berücksichtigt.

Dennoch verbinden auch viele Kommunalpolitiker_innen Ängste und Sorgen mit mehr Partizipation. Wir möchten deshalb mit einigen Mythen rund um Bürger_innenbeteiligung aufräumen und zeigen, worauf Kommunalpolitiker_innen achten sollten, damit sie zum Erfolg wird:

Die drei Stufen der Partizipation: Information – Deliberation – Kokreation

Bürger_innenbeteiligung ist nicht gleich Bürger_innenbeteiligung. Häufig assoziieren viele mit dem Begriff den Bürger_innenentscheid. Aber Partizipation fängt schon viel früher an! Beteiligung kann in drei Stufen unterteilt werden:

  1. Bei der informativen Beteiligung ist die Sender- und Empfängerrolle klar definiert: Es gibt einen abgestimmten Umfang von Informationen, den die Bürger_innen erhalten. Sie hören nur zu und haben keine Möglichkeit, sich am Gestaltungsprozess zu beteiligen.
  2. Bei der deliberativen Beteiligung treffen sich Bürger_innen mit anderen Akteur_innen, um miteinander zu diskutieren und sich zu einer Fragestellung auszutauschen. Gemeinsam formulieren sie eine Handlungsempfehlung. Die finale Entscheidung über das Vorgehen treffen dann andere, meist die zuständigen politischen Verantwortlichen.
  3. Die kokreative Beteiligung gestaltet den Beteiligungsprozess von Grund auf neu. Gemeinsam mit den Beteiligten wird ein Prozess entwickelt, Ziele miteinander abgestimmt und ergebnisoffen gearbeitet. Kokreation geht auch immer mit einem Haltungs- und Verhaltenswechsel seitens der Beteiligten einher. Die Bürger_innen akzeptieren auf diese Weise eher den Beteiligungsprozess und bringen sich intensiver in die Umsetzung mit ein.

Alle drei Stufen der Beteiligung haben ihre Berechtigung und kommen zu Anwendung, je nach Intention der Beteiligung.

Schein oder Sein? Die Einbindung der Partizipation in politische Entscheidungen

Mit am wichtigsten bei der Beteiligung ist die politische Einbindung. Wie ist das Verfahren in den politischen Entscheidungsprozessen verankert? Wurde es aus der Politik initiiert, kam es aus der Zivilgesellschaft oder aus der Verwaltung? Und vor allem, wie wird mit den Ergebnissen nach der Beteiligungsveranstaltung umgegangen? Im Kern unterscheidet sich hier gute von schlechter Bürger_innenbeteiligung. Sind die Ergebnisse nicht verbindlich, handelt es sich um Empfehlungen. Das sollte im Vorhinein geklärt sein, damit die Bürger_innen nicht den Eindruck erhalten, es handle sich nur um eine Scheinbeteiligung. Sind die Ergebnisse hingegen verbindlich, sollte sich die Kommunalpolitik bei der Entscheidung und die Verwaltung bei der Umsetzung auch daran halten.

Müssen Bürger_innen gebremst werden?

Eine Bürger_innenbeteiligung ergibt nur dann Sinn, wenn Handlungsspielräume vorhanden sind. Du hast Angst, dass sich Bürger_innen in Utopien verrennen und die Bürger_innenbeteiligung zum Wunschkonzert wird? Du wirst feststellen, dass auch die Bürger_innen interessiert daran sind, dass ihre Steuergelder nicht einfach so verschleudert werden. Es liegt auch in ihrem Interesse, die Realisierbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen und Ziele im Blick zu behalten. Informiere die Bürger_innen deswegen frühzeitig über die Rahmenbedingungen der Beteiligung. Mache die Spielräume der Beteiligung deutlich, damit alle Beteiligten wissen, welche Gestaltungsspielräume und welche Restriktionen es gibt.

Die richtigen (W)Orte finden

Gelungene Bürger_innenbeteiligung lässt alle Beteiligten zu Wort kommen. Denn häufig kommen in Bürger_innenbeteiligungsprozessen leider nur diejenigen zu Wort, die besonders laut sind oder einen privilegierten Platz in der Gesellschaft innehaben. Deshalb ist es wichtig, an Orte zu gehen, an denen Menschen nicht regelmäßig an Politik partizipieren und sich zu fragen: Welche Sprache spricht die Zielgruppe? Haben die Adressierten Vorkenntnisse oder nicht? Wie verständlich ist die eigene Kommunikation? Digitale und analoge Formate sollten kombiniert werden. Je nach Zielgruppe sind vielleicht informelle Beteiligungsformen mit offenen Prozessen wirksamer, bei denen es gilt, miteinander ins Gespräch zu kommen und zuzuhören. Schwer erreichbare Gruppen sollten gezielt aufgesucht, angesprochen und anschließend in ihrer Beteiligung hinreichend unterstützt werden.

Respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe

Die Bürger_innen möchten ihre Perspektiven und ihre Ortskenntnis in Planungs- und Gestaltungsprozesses mit einbringen. Befrage die Bürger_innen also bevor du ihnen fertige Ergebnisse vor die Nase setzt. Sie sind die Expert_innen vor Ort. Sie kennen die Geschichte ihres Viertels, die Begebenheiten vor Ort. Sie wissen, was ihre Mitmenschen brauchen. Sie können einschätzen, welche Entwicklungen hilfreich und gut, welche eher schädlich und kontraproduktiv sind. Kommunikation auf Augenhöhe ist das Gebot. Fachkenntnisse und Fachsprache sollten die Bürger_innen nicht vom Prozess ausschließen und sie an der Beteiligung hindern. Nutzt dazu entwurfsorientierte Methoden, denn diese sind für Menschen mit unterschiedlichem Bildungsstand oder Sprachkenntnissen leichter zugänglich, da sie oft auf visuellen und praktischen Techniken beruhen.

Die Meta-Ebene gemeinsam im Blick behalten

Nicht nur der Inhalt der Bürger_innenbeteiligung sollte Teil des Prozesses sein. Auch über die Beteiligungsform an sich solltet ihr euch gemeinsam Gedanken machen. Folgende Fragen können euch bei der Vorbereitung helfen:

  • Was wollen wir mit der Beteiligung überhaupt erreichen?
  • Welche Zielgruppen sollten unbedingt in den Beteiligungsprozess mit eingebunden werden?
  • Mit welchen Methoden werden das definierte Ziel und die verschiedenen Zielgruppen erreicht?

Bei diesem Schritt kannst du auch Expert_innen zu Rate ziehen. Sie haben im Idealfall eine Vielzahl an Methoden und Erfahrungen in ihrem Werkzeugkasten. Zumindest bei der erstmaligen Durchführung einer Bürger_innenbeteiligung sollte man sich externe Expert_innen als Berater_innen leisten, wenn man nicht auf eigene Kräfte zurückgreifen kann. Externe Expert_innen haben im Idealfall schon zahlreiche Bürger_innenbeteiligungsprojekte betreut, bringen wertvolle Erfahrungen mit und können außerdem die Rolle neutraler Mediator_innen einnehmen. Dies kann insbesondere bei spannungsbehafteten Themen von besonderer Bedeutung sein.

Nach der Beteiligung ist vor der Beteiligung

Mit Hilfe von Evaluationsprozessen und Rückkoppelungsschleifen können alle Beteiligten selbst Schlüsse ziehen, um die Qualität zukünftiger Verfahren zu verbessern und weiterzuentwickeln. Auch über die Wirksamkeit von Bürger_innenbeteiligungsverfahren können Erkenntnisse gewonnen werden. Eine lückenlose Dokumentation und ein einsehbares Protokoll machen auch im Nachhinein nachvollziehbar, was wann besprochen oder verhandelt wurde. Insbesondere bei zukunftsorientierten Prozessen ist eine regelmäßige Überprüfung von Bedeutung. Schaffe Kontinuität, sodass ihr immer sicherer im Umgang mit den Methoden und vielleicht auch untereinander werdet.

Du möchtest gerne tiefer einsteigen?

Vom 22. bis 23. September 2023 findet in Bielefeld das Seminar „Gemeinsam Lösungen entwickeln: Bürger_innenbeteiligung nachhaltig gestalten“ statt! Die Trainer_innen Lotte Langer und Christoph Schösser vom Institut für Partizipatives Gestalten vermitteln, wie Beteiligungsprozesse in der Kommune gestaltet sein müssen, damit sie inklusiv, wirkungsvoll und nachhaltig sind. Ihr erhaltet einen genaueren Überblick über die drei Stufen von Beteiligung und lernt verschiedene Beteiligungsverfahren sowie deren Aufbau und Ziele kennen. Gemeinsam entwickelt ihr Ideen, wie ihr kokreative Beteiligungsverfahren initiieren und umsetzen könnt. Meldet euch heute noch an!

Du möchtest dich weiter informieren?

In unserer Publikation „So geht Bürgerbeteiligung - Eine Handreichung für die kommunale Praxis“ findest du ausführliche Informationen rund um das Thema und Best Practice Beispiele zu gelungener Bürger_innenbeteiligung.

Auch das Institut für Partizipatives Gestalten liefert wertvolle Tipps und spannende Informationen zum Thema Partizipation und Kokreation!


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Anne Haller

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