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Am Limit: Ist das kommunale Ehrenamt noch zeitgemäß?

Hohe Erwartungen werden an die gewählten kommunalen Mandatsträger_innen gerichtet und das Arbeitspensum ist enorm. Ist das zeitgemäß? Leon Schwarze stellt in seinem Artikel das kommunale "Ehren"amt in Frage. Sind Sie seiner Meinung?

Bild: Leon Schwarze von Leon Schwarze privat

261 Seiten. Nein, das ist nicht der Umfang der Unterlagen für eine Ratssitzung, sondern das sind die Unterlagen für den Bau- und Vergabeausschuss. Auch ein Schulausschuss redet selten über weniger als 200 Seiten Anträge, Beschlussvorlagen und Mitteilungen. Schaut man in die Bezirksvertretungen, dann sieht es hier nicht besser aus. Und wer schon einmal den Packen für die Ratssitzungen vor sich liegen hatte, fragt sich spätestens dann, ob dieses Arbeitspensum überhaupt noch zu schaffen ist. 

Die Erwartungen an "Kommunalos" sind hoch

Die Erwartungen an Stadtverordnete in einer Stadt von der Größe wie Bonn sind hoch: mindestens einmal im Monat tagt der Stadtrat. Anwesenheit unbedingt erforderlich. Zum Rat kommen dann noch mehrere Ausschüsse, in denen man entweder ordentliches Mitglied oder Stellvertreter_in ist. Dann muss auch noch die Fraktionssitzung jede Woche eingeplant werden. Und der eigene Wahlkreis muss auch betreut werden: Bürgeranfragen beantworten, an lokalen Events teilnehmen und auch im eigenen Ortsverein ist immer etwas zu tun. Insgesamt kommt man damit durchaus auf die Stundenzahl eines klassischen Teilzeitjobs.

Was dabei oft vergessen wird: fast alle Stadtverordneten sind berufstätig. Wenn die Ratssitzung um 18 Uhr beginnt und bis spät in die Nacht geht, dann kommen die meisten Stadtverordneten direkt von ihrem Arbeitsplatz zur Sitzung. Ist die Sitzung dann zu Ende, ist mindestens ein 12-Stunden-Tag vorbei. 

Oft geht das Gerücht um, dass ein kommunales Mandat mit großen Reichtümern belohnt wird. Auch das ist nicht der Fall. Wirft man einen Blick z.B. in die Entschädigungsordnung der Stadt Bonn, dann sieht man direkt, dass Kommunalpolitiker_innen nicht einmal im Ansatz die Gelder bekommen wie ihre Kolleg_innen auf Landes- und Bundesebene. Es bleibt also tatsächlich ein Ehrenamt, wenn man sich in der Kommunalpolitik engagiert. 

Die Themen werden immer komplexer

Wirft man einen Blick auf die Themen, die monatlich im Rat entschieden werden müssen, dann fällt einem schnell auf, dass von A wie Abwassersatzung bis Z wie Zweitwohnsitzsteuer alles vertreten ist. Und nicht nur die Vielfalt, sondern vor allem die Komplexität der einzelnen Themen macht es unmöglich, sich in jeden Bereich einzuarbeiten. Dass Dinge aus dem Ruder laufen wie es beim WCCB der Fall war und wie es auch bei der Sanierung der Beethovenhalle der Fall sein wird, ist vor dem Hintergrund nicht weiter verwunderlich. 

Dazu kommt, dass die Realität und die öffentliche Wahrnehmung massiv auseinandergehen. Nur den wenigsten ist bewusst, was allein für ein Zeitaufwand hinter einem kommunalen Mandat steckt. Kein Wunder, dass es immer schwieriger wird, Menschen für kommunale Ehrenämter zu begeistern. Denn nicht selten bekommen vor allem die Kommunalpolitiker_innen den Frust der Bürger_innen zu spüren, wie etwa das Attentat auf den Bürgermeister von Altena eindrücklich gezeigt hat.

Vieles spricht für Berufspolitiker_innen in den Stadträten

Betrachtet man die Situation, dann stellt sich die Frage, ob das Konzept der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker_innen heutzutage für Städte in der Größenordnung wie Bonn noch zukunftsfähig ist. 

Denn das Konzept des Berufspolitikertums würde einige Vorteile mit sich bringen. Würde man das kommunale Mandat hauptamtlich ausgestalten, dann würde das vor allem den Vorteil mit sich bringen, dass jede_r Mandatsträger_in in der Lage ist, sich intensiv in Entscheidungen einzuarbeiten. Soll etwa eine Entscheidung im Bereich Kinder und Jugend getroffen werden, dann kann sich jede_r Mandatsträger_in mit den Betroffenen austauschen, andere Lösungen erarbeiten und am Ende einen guten Kompromiss finden, ohne nebenbei noch seinem normalen Beruf nachgehen zu müssen. Allein schon aus zeitlichen Gründen liegt hier ein klarer Vorteil. 

Auch die Wahlkreisarbeit wäre ein klarer Gewinner. Denn wenn Bürgeranfragen nicht immer nur nach Feierabend beantwortet werden können und man für jede Veranstaltung im Wahlkreis nicht extra Urlaub nehmen muss, kommt das auch den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zugute. Regelmäßige Bürgersprechstunden oder Informationsangebote - die Zeit dafür wäre da. So könnten die Volksvertreter_innen ihre Aufgabe deutlich besser noch erfüllen.

Der finanzielle Aspekt darf natürlich nicht unterschätzt werden. Die Diäten müssten so hoch sein, dass jede_r davon gut leben kann. Dass die Größenordnungen wie auf Landes- oder Bundesebene für kommunale Kassen nicht leistbar sind, leuchtet ein. Daher wäre die Idee, dass die Diät auf jeden Fall als alleiniges Gehalt ausreichend ist, jedoch den Mandatsträger_innen die Möglichkeit offengehalten wird, noch einen Job anzunehmen. Er oder sie wäre nur nicht mehr dazu gezwungen, weil die Einkünfte aus dem kommunalen Mandat ausreichen würden.

Der Weg ist noch weit

Doch bis wir darüber ernsthaft diskutieren, wird es noch ein langer Weg. Gerade in Zeiten der chronisch klammen Stadtkassen sind die Widerstände gegen neue Ausgaben groß. Langfristig jedoch überwiegen die Vorteile der Abkehr vom kommunalen Ehrenamt hin zum/zur Berufspolitiker_in im Stadtrat. Denn die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, werden nicht einfacher. Und der Zeitaufwand, der hinter jeder einzelnen Entscheidung steckt, muss jedem bewusst sein.

Der Autor

Leon Schwarze über sich: "Nachdem ich drei Jahre lang die Schülerinnen und Schüler des Hardtberg-Gymnasiums in Bonn als Schülersprecher vertreten durfte, begann ich 2017 mit meinem politischen Engagement. Mein Ziel ist es, dass auch junge Menschen in der Kommunalpolitik Gehör finden. Dafür setze ich mich stetig ein – unter anderem auch als stellvertretendes Mitglied im Schulausschuss. Neben meinem Engagement in einer Partei studiere ich an der Universität Bonn und bin im Vorstand des Kinder- und Jugendrings Bonn aktiv.

 

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