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Rückblick auf die 17. Sommerakademie „Ungleiche Stadt? Ungleiches Land?“

Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland herstellen? Da sind kommunal Engagierte gefragt! Diese trafen sich zur 17. Sommerakademie in Bonn und beschäftigten sich mit (Un-)Gleichheit. Hier können Sie lesen, worum es genau ging!

Das Heft wieder in die kommunale Hand nehmen

Verwundert schauten die ankommenden Teilnehmer_innen auf den Boden, als sie am sommerlichen Freitagnachmittag des 28. Junis 2019 im Foyer der FES eintrafen. Da lasen sie die Namen ihrer Städte und Kreise auf Pappschildern, dazu Prozentzahlen zu Bruttoeinkommen oder Breitbandausbau . „Wie (un-)gleich ist Deutschland?“ fragten andere Pappschilder. Schnell in die Fachforen und Workshops eingetragen und der Sache auf den Grund gegangen. An installierten Laptops lasen sich die Besucher_innen vorab in die Karten des Disparitätenberichts 2019 ein. Sie konnten ihre Kommune in nackten Zahlen betrachten, wie hoch die Kinder- und Altersarmut ist oder wie sich die kommunalen Schulden in ihrer Stadt entwickeln.

So bereiteten Anne Haller, Leiterin der KommunalAkademie, und ihr Team den geistigen Weg für die 17. Sommerakademie, die dieses Jahr die Frage „Ungleiche Stadt? Ungleiches Land?“ stellte. „Wer kann für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen? Bei den Temperaturen verspreche ich mir ein Wochenende mit rauchenden Köpfen, heißen Debatten und glühenden Ideen“, begrüßte Anne Haller die ca. 60 Teilnehmer_innen humorvoll im fühlbar erhitzten Konferenzraum. Damit setzte sie die positive Grundstimmung des Wochenendes. Mit Martin Hennicke, Ministerialdirigent a.D. und Co-Autor des Dispariätenberichts, stellte im Anschluss ein Experte aus der Praxis die zentralen Ergebnisse des Berichts vor. 

5 Mal Deutschland: Der Disparitätenbericht 2019

Deutschland, so die Analyse, sei kein uniformes Land, weder wirtschaftlich noch in der Infrastruktur. Vielmehr teile es sich in fünf Cluster, die gleichermaßen Chancen und Herausforderungen bieten. In den starken Mittel- und Großstädten lockten großen Unternehmen mit Arbeit. Aber fehlender und teurer Wohnraum und überlasteter ÖPNV lasse Bürger_innen zweimal überlegen, ob sie sich dort noch niederlassen können oder wollen. Die Profiteure dieser Powerhäuser seien die Speckgürtel im Umland. Oftmals mit eher geringen Kommunalschulden hätten sie noch Kapazitäten, z.B. Fachärzte anzusiedeln und Breitband auszubauen. Diese Möglichkeiten habe die „solide Mitte“ Deutschlands nicht. Mit zum Teil hohen Schulden und einem geringeren Anteil an Hochqualifizierten stünde ein großer und stabiler Teil Deutschlands weiterhin vor Herausforderungen. Viele berufstätige Frauen, gute Kinderbetreuung – damit könnten manche ländlichen Räume in Strukturkrise punkten. Doch bei schrumpfender Bevölkerung hätten diese Regionen ein großes Risiko, abgehängt zu werden. Zu guter Letzt präsentierte Hennicke die städtischen Regionen im andauernden Strukturwandel. Ärzte gäbe es dort genug, allerdings werden die Menschen dort dennoch nicht alt und die Wahlbeteiligung ist gering.

Ungleiches ungleich behandeln

„Was tun?“, fragten sich angesichts dieser Ergebnisse viele im Publikum. „Nehmt das Heft wieder in die kommunale Hand“, appellierte Hennicke, „behandelt Ungleiches ungleich!“ Zudem riet er, die Finanzen der Kommune besser zu beobachten. Nur so habe man einen Überblick, wofür welches Geld benötigt wird. Außerdem brauche es mehr soziale Räume, wo die Bürger_innen aufeinandertreffen und sich kommunales Potential entwickeln kann.

„Wer hat sich in diesen Deutschlands wiedergefunden?“ wollte Moderatorin Flora Lisa vom Hofe von den Besucher_innen dann wissen. Fast alle Hände gingen in die Höhe – viele hatten entsprechend Kommentare und Fragen zum Bericht. Wie kann Beteiligung von Mieter_innen gelingen? Wie kann ich Kommunalbeamt_innen gewinnen? Meine Kommune wird als schrumpfend abgestempelt – wie kann ich dem entgegenwirken? Hennicke bot mit seinen Aussagen Diskussionsstoff auch noch beim Abendessen.

Bezahlbarer Wohnraum, Mobilitätswende und Digitalisierung in der Kommune – drei brennende kommunalpolitische Themen

Wohnraum, Mobilität, Digitalisierung – drei Themen, die die Kommunen umtreiben. „Das Tafelsilber wurde verkauft und nun werden nur Schicki-Micki-Toskana-Häuser für die reichen Großstädter gebaut“ – die Beschwerden im Fachforum von Dipl.-Ing. Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik difu zum Thema „Kommunale Strategien für bezahlbaren Wohnraum“ ähnelten sich.  So einfach sei es nicht, sagte die Expertin. Wohnraum sei noch da, zum Teil nur schlecht verteilt. „Kommt nach Görlitz, da gibt’s luxussanierten Leerstand für drei Euro pro Quadratmeter“, lud Moderator Harald Prause-Kosubek die anderen ein. Tatsächlich stellt sich die Frage, was bezahlbar heißt. Eine Woche Arbeit für eine Monatsmiete – ist das akzeptabel?

Mobilitätswende + Energiewende = Verkehrswende, diese Gleichung machte Mobilitätsexpertin Anne Klein-Hitpass auf. Denn vollgestopfte Städte mit hoher Abgasbelastung sind schon heute ein Problem. Deshalb müsse sich der Verkehr der Zukunft radikal wandeln – bei der Wahl der Verkehrsmittel und deren Ausstoß. Als Impulsgeberin und Nutzerin könne die Kommune da viel gestalten. Nur wer jetzt die Nase im Wind habe, habe auch in der Zukunft Chancen, die Stadt und das Land lebenswert zu machen.

Digitalisierung in der Kommune? Unausweichlich, so Denes Kücük. Der stellvertretende Innovation/Information Chief der Stadt Dortmund präsentierte im Fachforum „Digitalisierung verschlafen?“ daher Ideen, die Kommune smart zu gestalten. Bürger_innenservice sei dabei nur ein kleiner Teil. Mobilität, interkommunaler Austausch, Sicherheit – in allen Bereichen bestünde Handlungsbedarf. Diesen hielten die Teilnehmer_innen in einer Ist-Soll-Analyse konkret vor Augen. Das Ergebnis war eindeutig: In den meisten der Heimatgemeinden gab es Potential nach oben!

Kompetenz und Soft Skills

Über Nacht konnten die Impulse sacken, sodass am nächsten Morgen im Plenum viele gute Themenvorschläge für das abendliche BarCamp, hier KomCamp kamen. Ab dann sollten aber die Teilnehmer_innen im Fokus stehen. Vier Workshops voll Kompetenz und Soft Skills standen auf der Tagesordnung. Das Seminar von Gwendolin Jungblut fand man vorwiegend in Gruppen draußen über Plakate gebeugt zusammengesellt. Gemeinsam planten sie als Projektmanager_innen Radtouren und Neubauten in Westfalen und analysierten Stakeholder. In sich gekehrter ging es im Workshop von Celina Schareckzu. Dort stellten sich die Teilnehmer_innen ganz persönliche Fragen nach ihren Stärken, seien sie im gestaltenden oder mehr im fürsorglichen Bereich. Selbsterkenntnis sollten auch die Tests bringen, die die Trainerin aus Erfurt mitgebracht hatte.

„Dass du als Politiker_in mit der Bahn fährst, interessiert niemanden! Warum die Bahn zu spät kommt – damit kriegst du die Leute.“ So holte Trainer Leif Neugebohrn seine Teilnehmer_innen immer wieder auf den Boden seiner magnetischen Politik zurück. Immer wieder mussten sie sich von sich selbst lösen und überlegen, was die Wähler_innen anspricht. Nur so gelinge gute Kampagnenarbeit. Im Nebenraum überzeugte Linnea Riensberg ihr Seminar dagegen von Teamarbeit. „Und was mache ich, wenn es im Team erst mal gar nicht passt?“ Der Schlüssel liege in den Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder, so die Berliner Coachin.

KomCamp 2019

Zum Abendessen trafen sich alle wieder, es sollte nun wieder ums Fachliche gehen. An acht Tischen sollte gegessen und geredet werden: Wie geht man mit Rechtextremismus um? Ist die Digitalisierung aufzuhalten? Diese Fragen bestimmten die Tischrunden, nachdem Dr.  Roland Schmidt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der FES die Sommerakademiker_innen begrüßt hatte. Die Akustik machte der Idee einen kleinen Strich durch die Rechnung, nichtsdestoweniger unterhielten sich die Leute angeregt bei kühler Gazpacho und Hackbällchen. Wer sich bis dato noch nicht über den Weg gelaufen war, hatte an diesem lauen Sommerabend danach noch reichlich die Gelegenheit. 

Mit positiven Vorzeichen in 2020

Mit verbliebener Restpower ging es bei strahlendem Sonnenschein am nächsten Morgen in Kurzworkshops zu Podcast, Kreativität und Schlagfertigkeit weiter. „Kompetent, kurzweilig, ich habe viel mitgenommen“ war dann das positive Fazit aus den Workshops. Idee gut, Ausführung ausbaufähig, auch diese kritische Rückmeldung zum KomCamp nahm Anne Haller im Abschlussplenum konstruktiv entgegen. Zugleich fragten die Teilnehmer_innen schon nach dem Termin für nächstes Jahr – ein gutes Zeichen. So verstreuten sich die kommunalpolitisch Engagierten nach einem gemeinsamen Mittagsessen wieder in die ganze Bundesrepublik – mit neuen Ideen und festem Vorsatz, nächsten Sommer wieder in Bonn zu sein!

Impressionen der 17. Sommerakademie


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