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Konstruktiv ist nicht nur positiv

Die Idee des konstruktiven Journalismus klingt verlockend: Lösungen anbieten, statt Probleme zu dramatisieren. Aber so einfach ist es nicht immer.

Die Nachrichten sind voll von Drama, Krieg und Tod. Im täglichen Rauschen aus Breaking News, Facebook-Splittern und Boulevard-Geschrei scheint der Journalismus, der einen Schritt zurücktritt und einordnet, kein Gehör mehr zu finden. Die Macher von Perspective Daily wollen das ändern: Sie möchten auf ihrer Plattform konstruktiven Journalismus anbieten, und fernab der Tagespolitik Lösungen für die großen und kleinen Probleme dieser Welt recherchieren und präsentieren.

Ob ob eine solche Form von Journalismus überhaupt machbar, sinnvoll und dauerhaft finanzierbar ist, darüber stritten die Gäste bei der Diskussionsrunde am ersten Tag der Medien-SommerAkademie. Felix Austen, Autor bei Perpective Daily, ist überzeugt: "Die Menschen nehmen die Realität anders wahr, als sie ist. Oft glauben sie, die Situation wäre schlimmer, als sie sich tatsächlich darstellt." Journalisten könnten dazu beitragen, diese verzerrte Sicht auf die Dinge mit umfangreicher Recherche und guten Argumenten zu korrigieren.

Für Tom Schimmeck, freier Journalist und Mitgründer der Tageszeitung taz, eine naive Vorstellung - die Flüchtlingskrise sei dafür ein treffendes Beispiel: "Je mehr Fakten wir als Journalisten präsentieren, je mehr Gerüchte wir aufklären, desto stärker ist der Gegenwind aus einer bestimmten Richtung." Auch die grundlegende Idee hinter dem konstruktiven Journalismus leuchte ihm nicht ein: "Ich warne davor, zu glauben, dass es DIE eine Expertenlösung für politische Probleme geben kann." Die Vorstellung, man müsse nur eine bestimmte Formel finden und Probleme wären gelöst, sei fern der Realität.

Doch das sei auch gar nicht die Basis, auf der konstruktiver Journalismus aufbaue, entgegnete Austen. Im Gegenteil, man müsse weg von dem allgegenwärtigen Expertentum kommen, mit dem die Medien den Eindruck erweckten, bestimmte immer wiederkehrende Experten hätten bei einem bestimmten Thema den Überblick. "Es geht uns eher um Lösungen, die in der Breite hervorgebracht werden, also eine Summe von Erkenntnissen, Studien und Forschungen. Wir wollen helfen, auf der Metaebene zu verstehen, was für Optionen es überhaupt gibt."

Ein Ansatz, den Kabarettist und Mediziner Dr. Eckart von Hirschhausen auch in der Wissenschaft beobachtet: "Der Trend geht weg von Einzelexperten und hin zu Teamlösungen, mehr Bürgerbeteiligung und damit einer Dezentralisierung des Wissens." Früher sei in Europa sauberes Wasser die gesellschaftliche Herausforderung gewesen, heute sei es analog dazu das saubere Wissen. Daher machte sich Hirschhausen für werbefreie Informationsangebote stark: "Wenn es den Konsumenten nicht mehr bewusst ist, ob sie Werbung oder echte journalistische Inhalte konsumieren, haben wir ein Problem." Deshalb unterstütze er Projekte wie das Rechercheteam Correctiv oder Perspectiv Daily: "Der Ansatz, unabhängig für gute Information zu sorgen, finde ich sehr positiv."

Ein positiver Ansatz heiße übrigens nicht, dass man im konstruktiven Journalismus nur positiv berichten könne oder gar müsse, betonte Perpective Daily-Autor Felix Austen: "Man kann auch Lösungen anbieten, Position beziehen und trotzdem ausgewogen berichten."

 


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