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Die Auflösung des ehemaligen Jugoslawien führte Ende der 1990er Jahre zur größten humanitären Katastrophe Europas seit dem II. Weltkrieg. Neben dem Verlust an Menschenleben, der Tragik massenhafter Flucht und Vertreibung und der materiellen Zerstörung war die Weltöffentlichkeit vor allem von der menschenverachtenden Brutalität der Auseinandersetzungen schockiert, die primär entlang ethnischer Grenzen verliefen. Symbolisch für die begangenen Kriegsverbrechen steht das Massaker von Srebrenica, dem bis zu 8.000 Menschen zum Opfer fielen.
Eine der Wurzeln des verheerenden Konflikts war die unzureichende Aufarbeitung der Geschichte der Region. Der frühere Bruderstaat Jugoslawien implodierte auch auf Grund von Stereotypen, Opfermythen und nationalistischer und ausgrenzender Rhetorik in Politik, Kultur und Medien. Historische Narrative dienten dazu, nationale Eigenheiten zu begründen und sich abzugrenzen von den Nachbar_innen und Angehörigen ethnischer Minderheiten.
Die staatsnahe Geschichtsschreibung und –lehre wurde verengt auf eine identitätsstiftende Nationalhistoriographie. Auch im Schulunterricht wurden Geschichte und Gegenwart nicht kritisch betrachtet. Vielmehr wurden die durch die Konflikte verstärkten Stereotype fort- und in das Bewusstsein der Schüler_innen eingeschrieben.
Inzwischen haben die Länder des sogenannten »westlichen Balkan« wichtige Schritte unternommen, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und gute nachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen – nicht zuletzt, weil das Voraussetzungen sind für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Aber Versöhnung im engeren Sinne bedarf noch größeren politischen Mutes und Willens.
Umso wichtiger ist es, der Fülle zivilgesellschaftlicher Initiativen zur Versöhnung zwischen den ehemals verfeindeten Teilrepubliken Jugoslawiens mehr Aufmerksamkeit und politischen Raum zu geben. Insbesondere leisten sie einen großen Beitrag dazu, die Ursachen und Abläufe - nicht nur der unmittelbaren Konfliktperiode - historisch aufzuarbeiten.
Der Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung würdigt in diesem Jahr die besonderen Verdienste des »Center for Democracy and Reconciliation in Southeast-Europe« (CDRSEE).
Die im Jahr 1998 gegründete Nichtregierungsorganisation setzt sich in Südosteuropa ein für die Stärkung demokratischer und pluralistischer Gesellschaften, europäische Werte, Marktwirtschaften, die sich an Rechtsstaatlichkeit und sozialer Verantwortung orientieren, der Inklusion von benachteiligten Gruppen und der Versöhnung zwischen den Völkern dieser Region. Sie tut dies in Form von Bildungsprogrammen, öffentlichen Debatten, konkreten Hilfs- und Vernetzungsangeboten, sowie Konferenzen und Seminaren.
Aus der Fülle der Aktivitäten sticht in unseren Augen eine besonders heraus: das »Gemeinsame Geschichtsprojekt«. Mit diesem seit 14 Jahren laufenden Projekt möchte der CDRSEE Schüler_innen und Lehrer_innen eigene Zugänge zur Geschichte der oft als »Pulverfass Balkan« betitelten Region eröffnen, die »mehr Geschichte produziere, als sie verdauen könne«.
Die in zehn Landessprachen übersetzten Geschichts-Arbeitsbücher des CDRSEE regen Lehrer_innen und Schüler_innen an, einen kritischen Blick auf historische Ereignisse und Zusammenhänge zu entwickeln. So geben sie ihnen das Rüstzeug mit für ein besseres Verständnis von Vergangenheit und Gegenwart.
Auch die politisch Verantwortlichen in den Ländern Südosteuropas konnte der CDRSEE davon überzeugen, dass historisches Wissen auf neue Arten vermittelt werden muss, wenn die gegenseitigen Stereotype und Vorurteile überwunden werden sollen. Inzwischen wurden neue Lehrkonzepte und Lehrbücher in die Curricula einiger Länder der Region aufgenommen.
Darüber hinaus fördert der CDRSEE die regionale Kooperation von Lehrer_innen und Lehrer_innenverbänden. Forscher_innen, Übersetzer_innen, Verleger_innen, Student_innen aus ganz Südosteuropa beteiligen sich an dem Projekt.
Man muss sich an das aufgeheizte und von Ressentiments – wenn nicht von Hass - geprägte Klima in der Region des »westlichen Balkan« um 1999 erinnern, um zu ermessen, mit welchem Glauben, welcher Überzeugung die Initiator_innen des »Gemeinsamen Geschichtsprojektes« die Arbeit an den Geschichts-Arbeitsbüchern für Südosteuropa begonnen haben. Die Widerstände gegen ihren Ansatz waren erwartungsgemäß groß, das berühmte »Bohren dicker Bretter« schreckte die Verantwortlichen und deren Unterstützer_innen jedoch nicht davon ab, ihr Ziel der Versöhnung und Demokratisierung zu verfolgen.
Durch ihr Engagement, ihre Courage und die bemerkenswerte Ausdauer, die sie dabei beweisen, haben sie einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung zwischen den Ländern Südosteuropas geleistet. Diese herausragende Leistung will die Friedrich-Ebert-Stiftung mit der Verleihung des Menschenrechtspreises würdigen.
Der Menschenrechtspreis wurde am 28. Oktober 2013 in der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin durch Kurt Beck an CDRSEE verliehen. Die Laudatio hielt Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments.
Begründung für die Nominierung Programm des Festakt und der anschließenden Podiumsdiskussion
Interviews:Interview mit Nenad Šebek (CDRSEE) (engl., 7min10) Interview mit Nenad Šebek (CDRSEE) (dt. voiceover, 7min10) Rede von Nenad Šebek (CDRSEE) (engl., 6min16) Laudatio von Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments (10min52) Englische Übersetzung der Laudatio von Martin Schulz
Pressestimmen zur Veranstaltung in Berlin:Ebert-Stiftung ehrt Center for Democracy and Reconciliation (WDR, 31.10.2013)Geschichte mit den Augen des Anderen sehen (Deutsche Welle, 30.10.2013) Europas Frieden bewahren (Vorwärts, 30.10.2013)
Publikationen des CDRSEEArbeitsbücher des »Gemeinsamen Geschichtsprojects« in englischer Sprache CDRSEE, 2. Auflage, 2009
Publikationen der Friedrich-Ebert-StiftungUnsere Verantwortung endet nicht an den Grenzen der EU Für eine engagierte Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union Dietmar Nietan, FES Internationale Politikanalyse, 2013 Unruhe im Preševo-Tal Zur wirtschaftlichen Dimension eines Minderheiten-Konflikts Michael Ehrke, Perspektive FES Belgrad, 2013 Monitoring regional cooperation in South East Europe Stefan Dehnert et al. (Hrsg), FES, 2012The dynamics of conflict in the multi-ethnic state of Bosnia and Herzegovina Timo Kivimäki, Marina Kramer und Paul Pasch, FES Study, 2012Exiting conflict, owning the peace Local ownership and peacebuilding relationships in the cases of Bosnia and Kosovo Mary Martin et al. (Hrsg.), FES Study, 2012
Weiterführende LinksWebsite des CDRSEE