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Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts prägen Sozialist_innen und Sozialdemokrat_innen den Begriff „Marxismus“ für ihre Interpretationen der Analysen von Karl Marx. Mit dem „Marxismus“ wird dessen Gesellschafts- und Kapitalismuskritik popularisiert, viele europäische Arbeiterparteien der Zeit verstehen sich als marxistisch.
Der Begriff trägt aber auch zur Vorstellung bei, Marx habe bei seinem Tod eine geschlossene Lehre hinterlassen. Doch schon der Blick auf ausgewählte „Marxismen“ zeigt, dass das nicht stimmt. Im Gegenteil: Marx hinterlässt zwar eine umfassende, aber eben eine unvollständige und auch in sich widersprüchliche Kritik und Analyse der kapitalistischen Gesellschaft.
Auch weil Vieles lange unveröffentlicht ist, versuchen verschiedene Personen, Parteien und Bewegungen die Leerstellen und Lücken zu schließen. So erschaffen sie neue „Marxismen“. Oft beziehen sie sich inhaltlich eng aufeinander, andere grenzen sich bewusst ab.
Der Marxismus-Leninismus ist eine Lehre, die auf Marx und Lenin aufbaut, um sich gegen andere Strömungen der Zeit zu behaupten. Das Konzept bekennt sich zum Historischen Materialismus als historischem Ablaufschema und erhebt den Anspruch, die wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse zu sein. Die Staatsdoktrin vieler kommunistischer Länder ist gekennzeichnet durch: den Ausschluss von friedlich-evolutionären Übergängen, die „Diktatur des Proletariats“ als Kern des sozialistischen Staats- und Gesellschaftssystems im Übergang von Kapitalismus zum Kommunismus, die Notwendigkeit einer politischen Avantgarde, die die Arbeiterklasse anführt, und ein sozialistisches Wirtschaftssystem. Der ML erzeugt die Illusion einer geschlossenen Welterzählung.
Leo Trotzki trägt mit gnadenloser Härte zum Sieg der Bolschewiki nach 1917 bei. Im Kampf um Lenins Nachfolge unterliegt er Stalin, der ihn daraufhin bis zu seiner Ermordung im mexikanischen Exil 1940 verfolgen lässt. Im Gegensatz zu Stalin meint Trotzki, dass eine „Weltrevolution“ die ganze Welt vom Kapitalismus befreien müsse, damit der Sozialismus und der Kommunismus erfolgreich sein können. Zunächst den Sozialismus in einem Land, der Sowjetunion, zu verwirklichen, reiche angesichts des weltweiten Einflusses des Kapitalismus nicht aus. Der Begriff „Trotzkismus“ wird durch Stalin zum Kampfbegriff gegen politische Gegner.
Mao Zedong arbeitet eigene Thesen heraus, bei denen er sich auch auf Karl Marx und den Marxismus-Leninismus bezieht: Die ausgebeutete Landbevölkerung ist Träger der Revolution und der Guerillakrieg ist eine Strategie, die Macht zu erobern, wie sie Mao unterscheidet im revolutionären Kampf zwischen Haupt- und Nebenwidersprüchen. Als Hauptwidersprüche definiert Mao seine jeweiligen Gegner: die Japaner, die Teile Chinas besetzten, die nationalistischen Guomindang, nach der Gründung der Volksrepublik China die Intellektuellen und schließlich alle (vermeintlichen) Kritiker_innen. Trotz der Gewalt, die Mao ausüben lässt, wird er in den 1960er Jahren der Star der Linken im „globalen Westen“.
Der Titoismus beschreibt die Ideologie sowie die Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unter Josip Broz Tito in Jugoslawien. Beim Titoismus geht es um die Abgrenzungvom sowjetischen Modell durch die Arbeiterselbstverwaltung, die den Arbeiter_innen ein gewisses Maß an Mitbestimmung ermöglicht, durch die Selbstbestimmungsrechte für die jugoslawischen Teilrepubliken und autonomen Gebiete sowie durch die „Blockfreiheit“ in der Außenpolitik, die auch Kontakte zu nicht-kommunistischen Staaten ermöglicht. Trotzdem ist der Titoismus eine Einparteienherrschaft, die, wie der blutige Zerfall Jugoslawiens nach 1990 zeigt, eine Zwangsgemeinschaft begründet.
Die Kritische Theorie ist eine rund um das Institut für Sozialforschung in Frankfurt entwickelte Gesellschaftstheorie. „Kritisch“ meint eine Distanzierung von ‚orthodoxen‘ Interpretationen wie dem Marxismus-Leninismus, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Philosophie der Aufklärung nach der Erfahrung des Nationalsozialismus. Ihre bekanntesten Vertreter Theodor W. Adorno und Max Horkheimer analysieren und kritisieren die Herrschaftsmechanismen in kapitalistischen Gesellschaften, die Ökonomisierung der Lebensbereiche sowie die Auswirkungen auf das Individuum. Dabei bringen Sie (sozial)psychologische Konzepte in die Theorie ein. Wie Marx geht es ihnen um die Emanzipation des Menschen und die Veränderung der Gesellschaft, aber mit einem stärkeren Blick auf das Individuum und Gruppen jenseits von Klassen.
Der Begriff „Austromarxismus“ beschreibt das intellektuelle Netzwerk um den österreichischen Sozialdemokraten Otto Bauer. Dieses Umfeld verbindet das Interesse, die marxschen Ideen vor einer starren Interpretation zu schützen. Zwei Punkte machen die Strömungen des Austromarxismus ab den 1920er Jahren aus: das Festhalten an moralischen Überzeugungen, aber vor allem, dass der Sozialismus mit friedlichen und demokratischen Mitteln errungen werden kann. „Nicht die Köpfe einschlagen, sondern die Köpfe gewinnen.“ heißt die Strategie Bauers.
Unter Eurokommunismus wird eine Bewegung innerhalb westeuropäischer Kommunist_innen nach 1945 verstanden, die sich von der Dominanz der Sowjetunion befreien möchten – insbesondere nach den brutalen Niederschlagungen der Aufstände in Ungarn 1956 und der Tschechoslowakei 1968. Es ist der Versuch, sich durch die Eroberung der Staatsmacht innerhalb der parlamentarischen Demokratie den Weg zum Sozialismus zu ebnen. Der Revolutionsgedanke tritt zunehmend in den Hintergrund. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verliert der Eurokommunismus an Bedeutung.
Der Demokratische Sozialismus hat seinen Ursprung in der Diskussion um Reform oder Revolution, die in der deutschen Sozialdemokratie um 1900 einsetzt. Es ist ein Konzept, dass sich zur Demokratie als Ziel bekennt: „Sozialismus wird nur durch Demokratie verwirklicht, die Demokratie durch den Sozialismus erfüllt“ heißt es im Godesberger Programm von 1959. In einem demokratischen Sozialstaat sollen die Lebens- und Arbeitsbedingungen in einer kapitalistischen Gesellschaft für alle verbessert werden. In Skandinavien wird auch vom „funktionalen Sozialismus“ gesprochen – nicht zuletzt um sich von der Beanspruchung des „demokratischen Sozialismus“ durch kommunistische Bewegungen abzugrenzen. Der Revolutionsgedanke weicht einer prozessualen Entwicklung der Gesellschaft.
Ernesto Ché Guevara bezieht sich bei der Begründung des revolutionären Kampfes in der „Dritten Welt“ auf Karl Marx, auf den Marxismus-Leninismus und den Maoismus. Er sieht jedoch nicht die Parteikader als die treibenden Kräften der Revolution, sondern die Guerilla, die Kämpfer_innen auf dem Land und in den Bergen Lateinamerikas. So bilden nach Guevara die unterentwickelten Länder die Vorhut, der die weltweite Überwindung des Kapitalismus folgen werde.
Etwa zur gleichen Zeit der Entwicklung des Guevarismus entsteht im Umfeld der katholischen Kirche Lateinamerikas die Befreiungstheologie, die ebenfalls den von den USA wirtschaftlich und militärisch unterstützten Regimen den Kampf ansagt. Die Befreiung der armen und unterdrückten Bevölkerungsgruppen sei ein christlicher Anspruch, der auch durch sozialistisch-demokratische Gesellschaftsreformen erfüllt werden kann.
In Abgrenzung von der Kommunistischen Partei entsteht in den 1960er Jahren in Italien der Operaismus. Die Operaisten möchten den Staatsapparat erobern und generell die modernen Ausbeutungsformen der Fabrikarbeit bekämpfen. Der Operaismus bezieht sich auf Karl Marx und die sozialen Bewegungen der 1960er Jahre. Für diese Strömung bedingt nicht nur der Kapitalismus den Klassenkampf, sondern der Klassenkampf wirkt auch auf die Entwicklung des Kapitalismus. Die Auseinandersetzungen müssen an die Orte verlegt werden, wo die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse produziert werden: in die Fabriken. Streiks, Arbeitsverweigerungen, „Krankfeiern“, aber auch Entführungen sind die Strategien der Operaisten seit den 1970er Jahren. Dies soll die für die Entwicklung des Kapitalismus nötige Disziplin stören.