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Die SPD und die Herausforderungen der Zukunft – Aus der Perspektive einer jungen Bundestagsabgeordneten; Mit Verena Hubertz, MdB, SPD-Bundestagsfraktion, stellv. Fraktionsvorsitzende

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Aus der Perspektive einer jungen Abgeordneten, die selbst als Unternehmerin erfolgreich war, haben wir die aktuelle politische Situation diskutiert: Von der Transformation bis zur Zeitenwende. Das Publikum erlebte eine äußerst engagierte Abgeordnete.

Die Aufgaben, die die Ampelkoalition zu stemmen hat, sind gewaltig: Von der Klimakrise und der Transformation der Wirtschaft über die Nachwirkungen der Coronapandemie bis zum Angriffskrieg in der Ukraine. Mit der vom Kanzler angekündigten „Zeitenwende“ sind die Weichen in Deutschland neu gestellt worden. Das Ringen um die beste Antwort auf die immensen Herausforderungen zieht sich durch alle Generationen, da der Bundestag jünger, weiblicher und diverser geworden ist. Aus welcher Perspektive packen junge Bundestagsabgeordnete die großen gesellschaftspolitisch relevanten Themen an? Welche Veränderung bringen sie ins Politikgeschäft? Was wollen sie vorantreiben, verändern?

Um diese und weitere Fragen zu diskutieren, lud der Managerkreis Rhein-Main am 23.03.2023 zu einer Veranstaltung in das Gästehaus Frauenlobstraße der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Frau Hubertz ist bei der Bundestagswahl 2021 als Direktkandidatin der SPD im Wahlkreis Trier gewählt worden und ist seit Dezember 2021 stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion. Die 35-Jährige ging in ihrer Keynote und der anschließenden Podiumsdiskussion auf ihren unternehmerischen Hintergrund ein und gewährte den Teilnehmenden einen erkenntnisreichen Blick auf die wirtschaftspolitischen Herausforderungen der Zeitenwende und wie diesen innerhalb der Regierungskoalition unter Führung der SPD begegnet wird. Moderiert wurde der Abend von der Vorstandsvorsitzenden des Managerkreises Rhein-Main, Silke Hillesheim.

In ihrer Keynote ging die Referentin zunächst auf ihre Vergangenheit vor dem Einzug in den Bundestag ein. Als Studentin der Betriebswirtschaftslehre und spätere Gründerin eines Start-Ups, welches eine international erfolgreiche Koch-App betreibt, hat sie eine ausgeprägte, unternehmerische Denkweise, die ihr auch in der Politik weiterhilft. SPD Mitglied wurde sie im Jahr 2010. In ihrem Ortsverband hat sie sich besonders für die Einführung des Mindestlohns engagiert und wurde einige Monate vor der Bundestagswahl 2021 von dem damaligen Parteivorstand der SPD dazu ermutigt, für den Bundestag zu kandidieren. Frau Hubertz entschied sich für diese Herausforderung, gab die Geschäftsleitung in ihrem Unternehmen ab und fokussierte sich vollständig auf den Wahlkampf. Sie gewann das Direktmandat und ist mit ihrem wirtschaftlichen Hintergrund und ihrem Amt als stellvertretende Fraktionsvorsitzende sehr eng in die Wirtschaftspolitik der Bundesregierungen eingebunden. Bezüglich der anstehenden, großflächigen Transformationsprozesse sprach sie sich für klar für ein mehr an Start-Up Mentalität aus. Dies beinhaltet für sie ein klares Bekenntnis zu Innovationen und einer Stärkung des Gründungsgedankens in Deutschland.

Bezogen auf den Fachkräftemangel betonte sie die Bedeutung einer guten finanziellen Ausstattung der Kitas, um mehr Frauen in den regulären Arbeitsmarkt integrieren zu können. Das Gesundheitswesen müsse entbürokratisiert werden, da ein großer Anteil der Arbeitszeit für Dokumentationszwecke aufgewendet wird. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll zusätzliche Hürden für ausländische Arbeitskräfte abbauen. Die Bundestagsabgeordnete äußerte sich zudem positiv gegenüber dem Thema Bürgergeld und Kindergrundsicherung, da sich beide Instrumente aus ihrer Sicht positiv auf die Wirtschaft auswirken würden. Ersteres schaffe bei entsprechender Ausrichtung einen Weiterbildungsanreiz und zweiteres sei unerlässlich, um Bildungsungleichheiten zu vermindern und Armut konkret zu bekämpfen. Zum Abschluss ihrer Keynote ging Frau Hubertz noch auf die internationale Perspektive ein und stellte die Notwendigkeit von funktionierenden Handelsbeziehungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland heraus, auch wenn diese in einigen Fällen, wie beim Gasabkommen mit Katar auch Bauchschmerzen verursachen würden. Die SPD habe hier den richtigen Kompass, auch in Fragen der Rolle von E-Fuels oder Wärmepumpen, die Partei müsse aber ihre Position nach außen schärfen, um neben den beiden anderen Koalitionspartnern sichtbarer zu werden. 

In der anschließenden Podiumsdiskussion stellte sich Verena Hubertz zunächst den Fragen der Moderation. Sie berichtete, dass unternehmerisches Denken frischen Wind in die Bundestagspolitik bringt, da dort eher der juristische Hintergrund von vielen Abgeordneten vorherrschend sei. Für sie persönlich sei die unternehmerische Erfahrung als Newcomerin auf der großen politischen Bühne eine große Hilfe, da sie Durchsetzungsfähigkeit und Konfliktbereitschaft direkt mit in den neuen Aufgabenbereich übertragen konnte. Bezüglich der Wärmepumpenstrategie der Bundesregierung sprach sie sich für preislich kompetitive Förderungen und Biogas als wichtige Brückentechnologie aus.   

Im Anschluss hatte das Publikum die Chance, Fragen an die Bundestagsabgeordnete zu richten. Hierbei wurde ein breites Themenfeld, von Möglichkeiten des Bürokratieabbaus über eine kapitalgedeckte Altersvorsorge und des Fachkräftemangels, bis hin zur Frage nach dem noch anhaltenden frischen Wind durch die vielen neuen jungen Abgeordneten im Bundestag,  angesprochen. Verena Hubertz bekräftigte, dass es sich Deutschland aufgrund des Fachkräftemangels nicht leisten könne, ältere Arbeitnehmer nicht genügend wertzuschätzen. Auch bestärkte sie die Forderung nach einer aktiven Industriepolitik des Staates. Hierfür müssten alte Denkmuster des Raushaltens des Staates aus der Wirtschaft, überwunden werden. Beispielsweise mit einem Staatsfond, welcher für die Bürger Zukunftsinvestitionen ermöglichen soll, indem Gelder an den Finanzmärkten angelegt werden und die Bürger Renditeerträge aus diesem Fond erwarten können. Persönlich setzt sie sich hier mit der Idee eines „Zukunfsfonds“ ein, eine überparteiliche Initiative, zu der es mehr Informationen unter www.mission-zukunftsfonds.de zu finden gibt. Einnahmen des Staates für eine aktive Industriepolitik sollen u.A. aus einer effektiveren Erbschaftssteuerreform, einem Transformationssolidaritätszuschlag oder Kostensenkungen durch Effizienzsteigerungen beim Bürokratieabbau generiert werden.  Bezogen auf die Fachkräfteproblematik befürwortet Frau Hubertz die Einführung von Transferverträgen und einen Wechsel zu einer größeren Wertschätzung von Ausbildungsberufen, an dem die Jobcenter durch ihre Präsentation von Ausbildungsberufen eine wichtige Rolle spielen würden. Abschließend betonte sie den weiter anhaltenden Zusammenhalt der jungen Abgeordneten in der Koalition, auch wenn man unterschiedliche Strömungen vertrete und hatte noch einen kleinen Kommmunikationstipp gegenüber der Öffentlichkeit für den Kanzler parat, dem sie intern eine hohe Führungsqualität attestierte.


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