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Der Brexit-Prozess läuft seit über einem halben Jahr, aber es gibt kaum Fortschritte. Doch Großbritannien und die EU haben beide ein Interesse an einer einvernehmlichen Lösung.
Bild: von stevepb lizenziert unter Creative Commons
Premierministerin Theresa May hat sich direkt in die Verhandlungen um die Modalitäten des Austritts eingeschaltet. Sie flog am 16. Oktober nach Brüssel, um persönlich mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Chefunterhändler Michel Barnier zu sprechen. Anscheinend sah sich die britische Regierungschefin genötigt zu intervenieren und das weitere Vorgehen nicht ihrem Außenminister Boris Johnson oder dem Minister für den Brexit, David Davis zu überlassen.
Das ist nicht verwunderlich, denn die Regierung des Inselstaats ist uneins, welche Ziele sie beim Brexit verfolgt. Außenminister Johnson preschte zuletzt mit der Ankündigung „roter Linien“ vor, was nicht mit seiner Chefin abgesprochen war. Offensichtlich positionieren sich schon die potentiellen Nachfolger von Theresa May. Sie haben Blut geleckt, denn May musste in der von ihr selbst vorzeitig ausgerufenen Parlamentswahl eine empfindliche Niederlage einstecken. Seitdem hat sie keine eigene Mehrheit im Unterhaus. Auch auf dem zuletzt abgehaltenen Parteitag der Konservativen Partei konnte sie keine Stärke demonstrieren: mehrfach musste sie ihre Rede wegen starker Hustenanfälle unterbrechen.
In den Verhandlungen mit Brüssel ist man indes so gut wie gar nicht vorwärts gekommen. Noch immer steckt man in der ersten Verhandlungsrunde fest. Drei Themenbereiche sollen in dieser behandelt werden: die Ausgleichszahlungen der Briten an die EU; der Status der EU-Bürger_innen auf der Insel und umgekehrt derjenige von Briten_innen auf dem Kontinent; und die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland. Besonders die Höhe der Ausgleichszahlungen blockiert die Verhandlungen.
Im Gegensatz zur britischen Seite ist die Verhandlungsposition der EU eindeutig und geschlossen. Die EU-Vertreter Michel Barnier (Kommission) und Guy Verhoftstadt (Parlament) sind erfahrene und geschickte Politiker. Zudem ist die EU, der Block der 27 Staaten, in einer stärkeren Position. Die Zeit arbeitet zudem für die EU. Denn für Britannien wäre ein harter „messy“ Brexit ohne jegliche Vereinbarung die denkbar schlechteste Variante und Mays Behauptung, kein Deal sei besser als ein schlechter, schlicht falsch.
Es ist wahrscheinlich, dass bis zum eigentlichen Endtermin im März 2019 keine abschließende Einigung erzielt wird. Das ist auch die Position von Seb Dance, Labourabgeordneter im EU-Parlament. "Ich sehe keine Chance, dass bis 2019 alles hinreichend geregelt ist," so Dance. Er sprach am 5. Oktober in Kassel bei der Veranstaltung „Der Brexit: Lasst uns Freunde bleiben!?“. Sein Landsmann Nick Leake, britischer Botschaftsrat in Berlin, schafft es wegen Sturm Xavier nicht nach Hessen. Dance‘ Gesprächspartner an diesem Abend, der Volkswirt Dr. Bert Van Roosebeke vom Centrum für europäische Politik ermahnte die EU hingegen, nicht zu herablassend zu agieren, auch für sie steht viel auf dem Spiel, denn zu eng sind die wirtschaftlichen Verflechtungen: „Die teils arrogante oder belächelnde Sicht auf die britische Verhandlungsstrategie steht uns daher nicht gut zu Gesicht."
Das Vereinigte Königreich wird die Europäische Union verlassen. Der Schriftsteller Robert Menasse, der 2013 den Essay „Der Europäische Landbote“, ein leidenschaftliches Plädoyer für die EU veröffentlichte, berichtet, dass in der Brüsseler Bürokratie nach dem Brexit-Referendum ein Aufatmen zu vernehmen war. Endlich könne man frei agieren, ohne das ständige Sperrfeuer der Briten. Vielleicht. Doch auf dem Weg zur Trennung der beiden Partner kann noch viel kaputt gemacht werden. Das Ziel muss aber die bestmögliche Lösung für beide Seiten sein. Das ist ein Gebot der politischen Vernunft – gerade für das postnationale Friedens- und Handelsbündnis EU.
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Simon Schüler
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