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Die Beziehungen zwischen Europa und Russland sind auf einem Tiefpunkt. Ein nüchterner Blick auf den Riesen im Osten ist angezeigt – und ernstgemeinste Angebote zum Dialog.
Bild: Shadows von Luca Sartoni lizenziert unter CC BY-SA 2.0
Russland und Europa, Europa und Russland – eine Geschichte der Missverständnisse. Man gehört zusammen, aber gibt es nicht ebenso viel Trennendes? Man teilt Geschichte und Kultur, aber ist der größte Staat der Erde nicht doch „ganz anders“? Man kommt nicht aneinander vorbei, aber hat doch ganz verschiedene Interessen. Nimmt man zu Europa noch die USA hinzu und spricht vom „Westen“, ist die Konstellation der Unstimmigkeiten komplett.
Doch über diese allgemeinen und mehr oder weniger gewöhnlichen Probleme hinaus hat sich in den letzten Jahren die Sicherheitslage laufend verschlechtert. Die Rede ist von einem „kleinen Kalten Krieg“ und davon, dass Russland mit der Annexion der Krim die europäische Sicherheitsordnung aufgekündigt habe, die im Minimum auf der Unverletzlichkeit der Grenzen bestand. Besonders der fortgesetzte „hybride Krieg“ durch den Einsatz und die Unterstützung von Freischärlern in der Ostukraine, während sich die Kremlpropaganda als Opfer westlicher Provokationen geriert, frustrieren die Westeuropäer. Hinzu kommt, dass Russland das Modell der liberalen Demokratie überhaupt verworfen zu haben scheint, sich stattdessen immer offener zu einem autoritären Staat entwickelt und diese, auch in Frankreich oder Deutschland nicht fremden Tendenzen, zum Beispiel mit seinen Informationskanälen (RT und Sputnik) mal mehr, mal weniger offen unterstützt. Und schließlich scheint Russland bewusst und unter Missachtung des humanitären Völkerrechts den Krieg in Syrien zu eskalieren. Wenn Wladimir Putin weiterhin von „unseren Partnern“ in Europa und den USA spricht, ist dies wohl eher spöttisch gemeint. Kurz: Seit dem Untergang der Sowjetunion waren die Beziehungen zwischen ihrem Nachfolgerstaat und dem Westen noch nie so miserabel.
Wie konnte es dazu kommen? Eine Antwort darauf sowie Ansätze für einen Neustart der Kooperation mit Russland gibt Reinhard Krumm, Leiter des Referats Mittel- und Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung. Skizziert hat er sie in dem Vortrag „The West, Russia and Europe’s Security Order“, den er im Rahmen des 9. „Transatlantic Security Symposium“ Ende September in Rom hielt. Krumm geht davon aus, dass „sowohl das Ergebnis des Kalten Kriegs als auch die Ereignisse der 1990er Jahr an der Wurzel der heutigen Krise liegen“. Das heißt zum einen, dass in Washington, Berlin und anderen westlichen Hauptstädten lange die Unfähigkeit Moskaus, dem Untergang des Sowjetimperiums etwas entgegenzusetzen, als Unterstützung für die neue, unipolare, Weltordnung missverstanden wurde. Zum anderen machte man sich in der NATO und der EU – und entgegen gegensätzlicher Garantien – daran, die ehemaligen Ostblockstaaten an sich zu binden, im Falle der EU womöglich etwas blauäugiger und naiver und ohne die strategischen Absichten der NATO.
Krumm empfiehlt den USA mehr Pragmatismus – und man muss wohl die EU hinzurechnen – im Umgang mit Russland. Richtig ist sicher, dass oft sehr eindeutige Interessen, wirtschaftliche oder auch strategische, hinter der Demokratie- und Menschenrechtsrhetorik des Westens verbergen. Hinzu kommt bei den USA, dass sie den „unipolaren Moment“ nicht nur nicht genutzt, sondern regelrecht missbraucht haben, mit verheerenden Konsequenzen für den internationalen Frieden und die Sicherheit. Und auch Deutschland hat was die Kriegsführung anbelangt schon lange keine weiße Weste mehr – Stichwort Luftangriff bei Kundus. Mehr Zurückhaltung in moralischen Fragen tut „dem Westen“ sicher gut. Trotzdem ist ein souveränes Auftreten gegenüber Putin notwendig, auch und gerade wenn man den Dialog aufrechterhalten will. Denn in Europa sollte man sich daran erinnern, dass man zuvorderst selbst für die Sicherheit auf dem Kontinent verantwortlich ist. Das schließt zwar das von Frank-Walter Steinmeier zurecht kritisierte „Säbelrasseln“ aus. Aber ebenso eine zu lasche Haltung gegenüber einem Russland, das sich in eine Richtung bewegt, die keine tragfähige Perspektive für Europa bietet – weder in West noch in Ost. Denn das Ziel bleibt das „gemeinsame Haus Europa“.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Peer Teschendorf
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