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Asylsuchende aus Südosteuropa haben keine Chance auf Asyl in Deutschland, gute Gründe für ihre Flucht schon.
Noch ist das Jahr nicht vorbei und es ist bereits klar: Das Jahr 2015 wird Deutschland nachhaltig prägen. Rund 250.000 Menschen stellten bis Oktober dieses Jahres einen Antrag auf Asyl in Deutschland. Viele werden bleiben. Die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, haben die Einwandernden selbst beantwortet. Die Frage aber, ob Deutschland ein Einwanderungsland sein möchte, ist umstritten, die Gesellschaft ist gespalten. Pegida auf der einen, gelebte Willkommenskultur auf der anderen Seite. “Wir schaffen das” steht gegen “Wir sind überfordert”. Eine Position jedoch, auf die sich große Teile der Bevölkerung einigen können, ist es, den Menschen, die vor Krieg fliehen, zu helfen, den so genannten “Wirtschaftsflüchtlingen” jedoch mit Härte zu begegnen.
“In dieser Schwarz-Weiß-Argumentation haben Hintergründe oft keinen Platz”, stellt Felix Henkel vom FES-Regionalbüro Südosteuropa fest. “Der Debatte über ‘gute’ und ‘schlechte’ Flüchtlinge verkennt die verschiedenen Beweggründe der Menschen, ihre Heimat zu verlassen.” Im Papier “Flucht und Migration - Debattenbeiträge aus den Ländern des Westbalkan“ schildern Auslandsmitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie einheimische Experten deshalb in sechs Berichten ihre Sicht auf die aktuelle Diskussion.
Es sei zwar richtig, dass die Menschen aus den Staaten Südosteuropas nicht politisch verfolgt werden und es dort auch keine bewaffneten Konflikte gibt, so Henkel, das sei jedoch nur die eine Seite. Die Analysen zeigen, dass ein Großteil der Asylsuchenden aus Serbien, Albanien und Mazedonien Roma sind. Roma werden in allen Staaten der Region diskriminiert, sie finden kaum Wohnraum, leben oft ohne Heizung oder Strom und verfügen nur selten über Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. “Auch wenn die Suche nach einem würdevollen Leben kein anerkannter Asylgrund ist, so ist es doch ein Gebot der Menschlichkeit, diese Menschen und ihre Motive ernst zu nehmen”, appelliert Henkel. „In Härtefällen sollte auf Abschiebungen während des Winters weiterhin verzichtet werden.“
Unter kosovarischen Asylsuchenden ist der Anteil an Roma mit etwa neun Prozent am geringsten, die Zahl der Auswandernden jedoch am höchsten. “Dort ist die sozioökonomische Lage insgesamt desaströs und Aussicht auf Besserung nicht in Sicht”, so der Leiter des Landesbüros der FES im Kosovo, Wulf Lapins. Zahlen der Weltbank zeigen, was mit desaströs gemeint ist: 45 Prozent der Kosovaren müssen mit 1,40 Euro am Tag auskommen, die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent, bei Jugendlichen wird sie sogar auf 70 Prozent geschätzt. Das Durchschnittsalter im Kosovo liegt bei 27 Jahren. Für diese Menschen müssen legale Wege nach Europa, jenseits des politischen Asyls, geschaffen werden, so die Forderung der Experten. „Die jungen Leute in der Region sind hoch motiviert, viele sprechen deutsch.“ Wir sollten, so Henkel, mehr Ausbildungsplätze in Deutschland bereitstellen, und gleichzeitig Anreize so setzen, dass Absolventen nach einer gewissen Zeit in ihre Heimatländer zurückkehren.
Eine Forderung, die, nicht nur den Westbalkan betreffend, quer durch alle Parteien erhoben wird, lautet: Fluchtursachen bekämpfen. Leider gebe es vor Ort keine schnellen Lösungen, so Henkel. Vielleicht habe es aber auch sein Gutes, dass die globalen Abhängigkeiten von der breiten Bevölkerung in einer neuen Unmittelbarkeit erfahren werden. Die Flüchtlingskrise biete trotz aller Herausforderungen die Chance, dass Europa zu einem besseren Umgang mit seiner Nachbarschaft findet. „Die Staaten des westlichen Balkans sind Teil der europäischen Familie. Man muss hoffen, dass sie die Chance, sich als solidarische und konstruktive Akteure zu beweisen, nicht verpassen.“
Die komplette Studie können Sie hier nachlesen.
Die neuen außenpolitischen Herausforderungen überfordern nationalstaatliche Reaktionsmöglichkeiten: Europa muss einen gemeinsamen Weg finden. Bei der konkreten Ausgestaltung jedoch dominiert oft nationalstaatliches Denken. Eine europäische Zusammenarbeit ist hier besonders schwer, da nationale Sicherheit naturgemäß ein sensibles Thema ist. Trotzdem wollen wir mit verschiedenen Formaten Vertrauen schaffen und Möglichkeiten aufzeigen, an welchen Stellen eine bessere Kooperation sinnvoll wäre.
Ansprechpartnerin
Marie Meier
+49 30 26935-7418Marie.Meier(at)fes.de