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Drei programmatische Aufgaben der Sozialdemokratie sind bedeutend, wenn sie wirtschaftlich, sozial und auch ökologisch tragfähig sein will.
Bild: Windkraftanlage von rclassen / photocase.de
Mehrjähriger Finanzrahmen, Wiederaufbaufonds, Konjunkturprogramme – Während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands werden von der Europäischen Union und den Regierungen ihrer Mitgliedstaaten große Summen mobilisiert, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Die Weichen dafür sind längst gestellt. Vor dem Ausbruch der Pandemie hat die EU mit dem «European Green Deal» eine Strategie vorgelegt, durch die Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden soll. Politik und Wirtschaft erhoffen sich damit nicht nur einen maßgeblichen Beitrag gegen den Klimawandel, sondern auch einen wettbewerbsfähigen Platz auf den zunehmend umkämpften globalen Klimaschutzmärkten. In den kommenden zehn Jahren soll Europas Industrie führend bei der Entwicklung klimaschonender Technologien und Wertschöpfungsketten werden. Erstmals wird damit der Versuch unternommen, ambitionierten Klimaschutz und eine zukunftsweisende Industrie- und Technologiepolitik zu einer gemeinsamen Strategie zusammenzuführen, was nicht zuletzt neue Reformallianzen zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbänden ermöglichen könnte.
Für Europas Sozialdemokratien liegt darin eine Chance. Das Ziel eines klimaneutralen Europas eröffnet die Möglichkeit, sozialdemokratische Kernanliegen wie Klimaschutz, gute Arbeit, sozialer Zusammenhalt und Wirtschaftsförderung zu einem neuen Fortschrittsprojekt zusammenzubringen. Um diese Chance nutzen zu können, müssen sich die sozialdemokratischen Parteien Europas programmatisch weiterentwickeln. Sozialdemokratische Vorstellungen von Wohlstand und Wertschöpfung werden im 21. Jahrhundert nur bestehen können, wenn sie nicht nur wirtschaftlich und sozial, sondern auch ökologisch tragfähig sind. Drei programmatische Aufgaben sind dabei vordringlich:
Erstens müssen Sozialdemokrat_innen das Ziel eines klimaneutralen Europas als eine soziale Frage verstehen. Die globalen Umweltveränderungen führen zu einer Verschärfung von Verteilungskonflikten. Das emissionsintensive Verhalten der einen Akteure untergräbt zunehmend die Existenzrechte anderer. Durch seine vielgestaltigen Folgewirkungen ist der Klimawandel schon heute zur unsichtbaren Hand hinter vielen sozialen Verwerfungen geworden. Die durch den Klimawandel hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Belastungen liegen bereits bei mehreren hundert Milliarden Euro pro Jahr und werden deutlich steigen. Gleiches gilt für die Kosten, die anfallen, um die Folgewirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Damit die europäische Sozialdemokratie in die Verteilungskonflikte des Anthropozäns gestaltend eingreifen kann, brauchen sie ein umfassendes Verständnis von ökologischer Gerechtigkeit.
Zweitens müssen Sozialdemokraten ein sozial-ökologisches Verständnis von Arbeit entwickeln. Die Gestaltung der Arbeitswelt war und ist eine der wichtigsten Aufgaben der Sozialdemokratie. Zu ihrem identitätsgeschichtlichen Markenkern gehört die Schaffung guter Arbeitsbedingungen, sozialpartnerschaftlichen Arbeitsbeziehungen, Vollbeschäftigung und sozialem Aufstieg. Vor dem Hintergrund globaler Umweltveränderungen muss ein moderner Arbeitsbegriff die Regenerationsbedingungen der menschlichen und natürlichen Ressourcen gemeinsam diskutieren. Ein sozial-ökologischer Begriff von Arbeit umfasst neben der sinnvollen, gerecht entlohnten und sozial abgesicherten Tätigkeit auch solche, die umweltverträglich ist, die innerhalb nachhaltiger Wertschöpfungsketten stattfindet und die nachhaltige Lebenskonzepte ermöglicht. Ein moderner Arbeitsbegriff diskutiert die Regenerationsbedingungen der menschlichen und natürlichen Ressourcen zusammen.
Drittens bedarf es einer zeitgemäßen Definition von Fortschritt. Anders als noch im fossilen 20. Jahrhundert können Sozialdemokrat_innen kein grenzenloses Wachstum mehr anvisieren – denn damit würden sie eine Welt befördern, in der soziale Demokratie auf Grund der massiven sozialen Verwerfungen keine Chance mehr hat. Stattdessen steht die Frage nach einer zeitgemäßen Definition von Fortschritt im Raum - einem Fortschritt, der Wachstum als Mittel zur Erreichung qualitativer Ziele kennt, aber Wachstum nicht zum Ziel als solches hat. Damit Europa klimaneutral werden kann, bedarf es enormer, Wachstum erzeugender Investitionen in neue Technologien, und auch ein klimaneutraler Industriestandort Europa kann absehbar nicht auf Stahl, Zement, Grundstoffchemikalien und andere Materialien verzichten, auf die derzeit rund 20 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen entfallen. Umso wichtiger ist eine gesellschaftliche Verständigung darüber, was in Europa wachsen soll und was nicht. Die europäischen Sozialdemokratien sollten den European Green Deal nutzen, um eigene Ideen zu entwickeln, wie Wachstum zu mehr sozialem Zusammenhalt, zu ökologischer Nachhaltigkeit und zu einem Zuwachs an Lebensqualität führten kann.
Matthias Jobelius leitet das Referat Mittel- und Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Anschluss an seine Arbeit im FES-Büro in Indien war er Landesvertreter der Stiftung in Rumänien und der Republik Moldau sowie in Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Er hat Politikwissenschaft und Development Studies in Berlin und London studiert.
Jobelius, Matthias
Programmatic challenges for a climate-neutral Europe / Matthias Jobelius. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Dept. for Central and Eastern Europe, May 2020. - 5 Seiten = 100 KB, PDF-File. - (Perspective). - (Climate change, energy and environment)Electronic ed.: Berlin : FES, 2020ISBN 978-3-96250-572-1
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Die Mehrheit der deutschen Unternehmen missachtet in ihren Lieferketten Menschenrechte und Sozialstandards. Ein Gesetz ist längst überfällig.
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Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.
Ansprechpartnerin
Marie Meier
+49 30 26935-7418Marie.Meier(at)fes.de