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Die überarbeitete EU-Entsenderichtlinie muss Schutz vor Ausbeutung bei Lohn und Arbeitsbedingungen bieten.
Bild: von werner22brigitte / pixabay.com lizenziert unter Pixabay License
Die Grundlage des europäischen Binnenmarktes ist, dass sich Arbeitnehmer, Kapital, Waren und Dienstleistungen frei ihn ihm bewegen können. Die Frage, welches nationale Recht im transnationalen Wirtschaftsverkehr gelten soll, bestimmt seither den Regulierungsbedarf dieser vier Grundfreiheiten. Anders als im Warenverkehr, für den der Europäische Gerichtshof schon 1979 entschieden hatte, dass Produktstandards der Herkunftsländer in der EU automatisch wechselseitig anerkannt werden müssen (Herkunftslandprinzip), sollte für Arbeitnehmer_innen das Ziellandprinzip gelten – also die Lohn- und Arbeitsbedingungen des EU-Landes, in dem sie für eine Weile arbeiten. So sollten reichere Mitgliedstaaten vor befürchtetem Lohn- und Sozialdumping durch „Billigkonkurrenz“ aus ärmeren Mitgliedstaaten und Arbeitnehmer vor Ausbeutung geschützt werden.
Das ist der Kern der 1996 erlassenen Entsenderichtlinie der EU, die 2016 insgesamt 2,3 Millionen Arbeitnehmer_innen in der EU betraf. Deutschland ist das beliebteste Zielland in der EU, steht gleichzeitig aber auch als Herkunftsland entsandter Arbeitskräfte hinter Polen auf Platz zwei. Im vergangenen Jahr beschloss die EU eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie. Seitdem gilt: Arbeitnehmer haben nicht mehr nur Anspruch auf den Mindestlohn des Ziellandes, sondern auf den Tariflohn der entsprechenden Branche inklusive aller Zusatzleistungen und auf Gleichbehandlung etwa bei Urlaub, Arbeits- und Ruhezeiten oder Arbeitssicherheit. Dabei sollen Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten vom Arbeitgeber übernommen und Arbeitnehmern nicht mehr angerechnet werden. Eine Entsendung darf maximal 18 Monate dauern.
Ob Arbeitnehmer dadurch wirklich besser geschützt sind und was Europa darüber hinaus für einen fairen europäischen Arbeitsmarkt tun kann, wurde auf einer Veranstaltung "Gleicher Ort - Gleicher Lohn? Soziale und faire Arbeit in Europa gestalten" des Julius-Leber-Forums der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bremen diskutiert. Die EU-Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, die überarbeitete Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Joachim Schuster, sozialdemokratischer Abgeordneter im Europaparlament, wies darauf hin, dass es noch umstritten sei, wie lange ein entsandter Arbeitnehmer an einem Ort arbeiten müsse, um die vollen Rechte des Ziellandes zu bekommen. Ognyana Ivanova von der Bremer und Bremerhavener Beratungsstelle für mobile Beschäftigte und Opfer von Arbeitsausbeutung berichtete aus der Praxis, dass die Verbindung von Arbeitsplatzangebot und Übernachtungsplatz missbrauchsanfällig sei. Einem bulgarischen Arbeiternehmer würden mitunter große Teile des ohnehin niedrigen Lohns für die Übernachtung in einem schäbigen Achtbettzimmer wieder abgezogen. Besonders Lkw-Fahrer haben mit schlimmen Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Für sie soll die überarbeitete Entsenderichtlinie jedoch erst gelten, wenn die EU ein Mobilitätspaket mit Vorschriften für den Transportsektor verabschiedet hat, das noch sehr umstritten ist. Thomas Hentschel vom Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) plädierte für einen europäischen Mindestlohn, der sich in den Mitgliedstaaten an der nationalen Kaufkraft orientiert. Diesen Vorschlag macht auch die SPD in ihrem Wahlprogramm für die Europawahl 2019.
Die Sprengkraft des Themas Arbeitsmigration für die europäische Integration zeigte sich nicht erst in seiner zentralen Bedeutung für die Brexit-Kampagne 2016. Schon Mitte der 2000er-Jahre löste das Herkunftslandprinzip im Entwurf der Bolkestein-Richtlinie zur Dienstleistungsfreiheit in der EU massive Proteste aus. Das führte nicht nur zur Übernahme des Ziellandprinzips, sondern trug in der Bewertung vieler Experten auch zur Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden bei.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Diesen Grundsatz auch praktisch durchzusetzen, stellt die EU aber vor die nächste Herausforderung. Hierfür hat die Europäische Kommission den Vorschlag gemacht, eine europäische Arbeitsbehörde einzurichten, die den nationalen Behörden zur Seite steht.
Ansprechpartner in der Stiftung
Dietmar Molthagen
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Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.
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