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Bisher hat die EU nur von der Brüsseler Tribüne zugeschaut, wie die Demokratie in einigen Ländern der EU abgebaut wird. Sie sollte sich aber einmischen.
Bild: von daniel.schoenen / photocase.de lizenziert unter Basislizenz 5.0
Dem Institutionengefüge der Europäischen Union wird seit Langem ein Demokratiedefizit angelastet: Zu technokratisch, eine zu starke Exekutive, ein zu schwaches Parlament mit zu wenig Rechten und nicht nach dem Prinzip „one man, one vote“ zusammengesetzt. Die EU hat aber noch ein anderes Demokratieproblem – das nationale. Dem Abbau demokratischer checks und balances in Ungarn etwa hat die EU viel zu lange zugesehen.
Dabei hat die EU juristische und politische Handhabe gegen Mitgliedstaaten, die Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen versuchen. Die bislang schärfste politische Option ist das Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags, das mit dem Entzug von Stimmrechten eine gravierende Sanktion bietet und daher häufig auch als die „nukleare Option“ bezeichnet wurde. Ein solches Verfahren setzt jedoch große Mehrheiten in EU-Parlament und Rat voraus. Polens und Ungarns Regierungen sehen sich aktuell damit konfrontiert.
Eine weitere politische Möglichkeit bietet der mehrjährige Finanzrahmen der EU für 2021 bis 2027, der im Mai beschlossen werden soll. Hier könnten EU-Gelder an die Wahrung demokratischer Grundwerte geknüpft werden. Außerdem sollen nationale zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Demokratie einsetzen, durch das „Rights and Values Programme“ der EU gefördert werden. Juliane Schulte unterstützt diese Verbindung von Sanktionen und positiven Maßnahmen in dem Bericht „Was 2018 der Demokratie in der EU gebracht hat – und worauf es jetzt ankommt“ für das Referat Mittel- und Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie plädiert allerdings für eine Aufstockung der bislang dafür vorgesehenen EU-Gelder. Darüber hinaus schlägt Schulte vor, einen Kriterienkatalog zu entwickeln, anhand dessen ein unabhängiges Gremium Gefahren für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten präzise identifizieren kann.
Es gibt jedoch auch juristische Instrumente, die künftig konsequenter eingesetzt werden sollten: So konnte etwa durch ein Vertragsverletzungsverfahren und eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof die Zwangspensionierung von Richtern in Polen gestoppt werden.
Dass die EU-Institutionen inzwischen bereit sind, ihre Sanktionsmöglichkeiten zu nutzen, sieht Schulte als Hoffnungsschimmer gegen Demokratieabbau. Gleichwohl müssten auch die europäischen Parteienfamilien gegenüber ihren Mitgliedern, mit denen sie im Europaparlament Fraktionen bilden, entschlossener auftreten – etwa die konservative Europäische Volkspartei gegenüber Viktor Orbáns Fidesz. Aber auch die Sozialdemokratische Partei Europas müsste den politischen Willen entwickeln, die sozialdemokratischen Regierungen einiger Mitgliedstaaten auf alle demokratischen Grundwerte zu verpflichten. Die Achtung rechtsstaatlicher Prinzipien und demokratischer Grundwerte ist dabei nicht nur für sich genommen ein hoher Wert, sondern essentiell für viele praktische Aspekte der europäischen Integration: Für justizielle Zusammenarbeit muss auf die Unabhängigkeit der Gerichte Verlass sein, im gemeinsamen Wirtschaftsraum müssen Unternehmen und Bürger auf Rechtssicherheit zählen können, bei Europawahlen muss eine freie Berichterstattung garantiert sein, in einem europäischen Asylverfahren müssen Menschenrechte überall bedingungslos gelten. Europäische Demokratie beginnt im Nationalstaat.
Ansprechpartnerin in der Stiftung
Juliane Schulte
Schulte, Juliane
und worauf es jetzt ankommt / Juliane Schulte. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Referat Mittel- und Osteuropa, November 2018. - 5 Seiten = 110 KB, PDF-File. - (Perspektive | FES Berlin)Electronic ed.: Berlin : FES, 2018ISBN 978-3-96250-251-5
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Ansprechpartnerin
Marie Meier
+49 30 26935-7418Marie.Meier(at)fes.de