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Krisen als Chance für einen Neubeginn: Das ist mehr als eine Floskel. Nur – von selbst geschieht nichts: Zum 60. Geburtstag bedarf es mutiger Richtungsentscheidungen für ein soziales Europa.
Bild: "Mother and son" von Sagie lizenziert unter CC BY-SA 2.0
Auch den Europäischen Kommission und den Vertreter_innen der Mitgliedstaaten ist klar, dass die Debatte um die Zukunft der EU nicht länger den rechtspopulistischen und europaskeptischen Stimmen überlassen werden kann. Das von Kommissionschef Juncker vorgelegte Weißbuch und die darin beschriebenen fünf Szenarien zur Zukunft der EU haben dazu beigetragen. Mit der gemeinsamen Erklärung von Rom, einem positiven Plädoyer für ein starkes Europa und dem Vorschlag eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten haben die Mitgliedstaaten nun nachgezogen. Europa braucht diese Richtungsdebatten mehr denn je. Doch nicht nur in Junckers eher vorsichtig gehaltenem Weißbuch fehlt weiterhin eine politische Vision oder die viel beschworene neue europäische Erzählung. Neben der Politik der kleinen Schritte braucht es eine neue Begeisterung für das europäische Projekt um Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen und der Erosion der Solidarität in Europa entgegenzuwirken. Für die europäische Sozialdemokratie bedeutet diese Vision zwingend ein gemeinsames und umfassendes Bekenntnis für ein soziales Europa!
Eben zu diesem Schluss kommen auch die Teilnehmer_innen der Tagung „Europa neu erfinden. Vorschläge für einen Neustart“ am 17. März 2017 zu der die Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften in Osnabrück in Zusammenarbeit mit dem Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Niedersachsen, der Hans-Böckler-Stiftung und weiteren Partner geladen hatte.
Angesichts von Rechtspopulismus und humanitärer Krise – ein Begriff den Prof. Birgit Mahnkopf in Abgrenzung von der irreführenden Bezeichnung ‚Flüchtlingskrise‘ vorschlägt – kann die weiter grassierende Wirtschaftskrise in vielen Teilen der EU, die immer wieder aufflammende Eurokrise im Süden Europas und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in diesen Ländern schnell aus dem Blick geraten. Doch all diese Krisen sind aufs engste miteinander verbunden, deuten sie doch auf gesellschaftliche und zwischenstaatliche Entsolidarisierungsprozesse.
So wird der Neustart für Europa in Osnabrück in erster Linie als Neustart für eine gemeinsame Sozialpolitik, als Aufbruch in eine Solidaritätsunion und als Abkehr von einer einseitigen, neoliberalen Marktintegration verstanden. Für Prof. Arne Heise, Direktor des Zentrums für Ökonomische und Soziologische Studien (ZÖSS), heißt das nicht zuletzt ein Ende der Austeritätspolitik und der „Haushaltspolitik der schwarzen Null“, die die Wirtschaftskrise eher verschärft habe. Denn letztendlich könne die EU nur dann Vertrauen zurückgewinnen – darin sind sich die Teilnehmer_innen einig –, wenn sie als Problemlöserin und nicht als Verursacherin wahrgenommen wird. Dazu gehören soziale Investitionsprogramme, solidarische Umverteilung und, so möchte man hinzufügen, eine auch in der Sozialdemokratie lange verdrängte Debatte um einen Schuldenschnitt für Griechenland. Sowohl für Heise, als auch für Mahnkopf – die sich für eine supranationale Koordination der Flüchtlingspolitik stark macht – ist dieses sozialere Europa mit einer Stärkung der politischen und demokratischen Dimension Europas verbunden. „Es braucht mehr Europa, aber anders“ und zwar sozial und gerechter, fasst der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske zusammen.
Die Vision steht: Ein soziales Europa soll es sein. Alsbald wird es darum gehen, realistische Konzepte zur Umsetzung zu diskutieren. Jean-Claude Juncker will Ende April einen umfassenden Aufschlag machen, ihm geht es vor allem um gemeinsame Mindeststandards – möglicherweise erst einmal „nur“ innerhalb der Eurozone. Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ist momentan allgemein en vogue: Eine sozialpolitische Avantgarde könnte als Vorreiter für ein progressives Europa eintreten und so den Neustart Europas forcieren.
Die EU ist am Wendepunkt; und wie heißt es in der Einladung zur Osnabrücker Tagung: „Entweder gelingt ein soziales Europa oder es wird zerfallen“.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Urban Überschär
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Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.
Ansprechpartnerin
Marie Meier
+49 30 26935-7418Marie.Meier(at)fes.de