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Die Herausforderungen des neuen französischen Präsidenten liegen in der Überwindung der Spaltung der Gesellschaft – dafür braucht er eine neue Sprache. Für Europa bedeutet seine Wahl eine neue Chance.
Bild: von iStock.com / caracterdesign
Nach der Wahl ist vor der Wahl: Diese schlichte Erkenntnis trifft derzeit auf Frankreich zu wie auf kein zweites Land in der EU. Bezieht man die parteiinternen Vorwahlen der Präsidentschaftskandidat_innen ein, befindet sich das Land seit Oktober letzten Jahres in einem Dauerwahlkampf. Die Mitte Juni anstehenden Wahlen zur Nationalversammlung bilden den Höhepunkt. Ihr Ergebnis wird den innen- und außenpolitischen Handlungsspielraum des neu gewählten französischen Präsidenten Emmanuel Macron maßgeblich bestimmen. Schafft er es, mit seiner neuen, gerade zur Partei gereiften Bewegung eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bilden, könnte der Wandel gelingen, nach dem sich große Teile der französischen Gesellschaft sehnen.
Trotz der Erleichterung, die angesichts des europafreundlichen Kurses von Macron allenthalben in Europa zu spüren ist: Die im Wahlkampf offenbarte „Malaise der französischen Gesellschaft“ sei für sie prägend gewesen, so die Leiterin des Frankreichprogramms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Claire Demesmay, auf einer Podiumsdiskussion der FES in Hamburg. Die Wahl Macrons könne kaum als Erfolg bezeichnet werden, wenn eine mögliche Präsidentin Le Pen für viele Millionen Französinnen und Franzosen jeden Schrecken verloren habe. Die Trennlinien in der Gesellschaft verliefen zwar noch in den alten Lagern „links“ und „rechts“. Doch hinzu träten neue Linien: „oben“ und „unten“, „Peripherie“ und „Stadt“. Die Peripherie liege nicht allein in den Banlieues großer Zentren, sondern auch und gerade in den wirtschaftlich und kulturell abgehängten Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Die große Aufgabe Macrons bestehe darin, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, mit allen Menschen zu sprechen und sie mitzunehmen. Was aus deutscher Sicht abgedroschen klingt, ist ungewöhnlich in einem Land, das traditionell von Eliten geprägt ist.
Die Wahl Emmanuel Macrons hat Frankreich aufgewühlt und die politischen Lager gesprengt. Für Günter Gloser, vormaliger Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit, ist diese Sprengung ein Resultat einer nicht geführten Debatte über die Rolle Frankreichs in einer vernetzten und globalisierten Welt. Dies sei in den 2000er Jahren verpasst worden. Gloser kontrastierte besonders die deutsche Sozialpartnerschaft mit dem Selbstbild französischer Betriebsräte und Unternehmer, unter denen Konsens traditionell wenig gilt. Dass der neue Präsident eben diesen Konsens betont und die Unterschiede zwischen „links“ und „rechts“ überwinden will, sei „bald der Weg in eine sechste Republik.“ Flexibilität statt Starrheit könne Frankreich voranbringen, wobei Gloser erinnerte, dass es einzelne Lockerungen etwa der 35-Stunden-Woche bereits gäbe. Auch das tatsächliche Renteneintrittsalter in Frankreich läge im Schnitt über dem gesetzlich vorgesehenen.
Deutschland und Europa bräuchten jetzt eine Wiederbelebung der deutsch-französischen Partnerschaft, unterstrich Claire Demesmay. Beide Länder sollten die Schaffung eines Eurobudgets in der Eurozone und eine Reform des Schengen-Raums auf die politische Agenda setzen. Frankreich begeistere sich zwar weiter für Europa, doch es kritisiere zugleich die EU, die ihre Bürger_innen nicht schützt. Man müsse deswegen unbedingt „über die Ängste, Hoffnungen und Narrative von Europa sprechen.“ Gloser schloss an, man dürfte nicht die anderen europäischen Länder aus dem Blick verlieren ebenso, wie jeder Eindruck einer deutschen Sonderrolle in Europa zu unterlassen sei. Gerade im Verhältnis zu Deutschland käme es vielen Französinnen und Franzosen darauf an, ergänzte Demesmay, dass Macron sich Deutschland gegenüber nicht unterwürfig zeigt.
Macron muss nun darauf setzen, dass seine junge Bewegung die Begeisterung aufrecht halten kann und nicht an der Kompromisslosigkeit der französischen Gesellschaft scheitert. Er wird überzeugen und sprechen müssen, und zwar mit allen Schichten. Er muss Lösungen für die abgehängten Regionen und Städte anbieten. Gelingt ihm das nicht, wird das progressive Europa in fünf Jahren erneut bangen, ob eine Rechtsextremistin in den Elysée einzieht.
Ansprechpartnerin in der Stiftung:
Freya Grünhagen
FES Hamburg:
Christian Testorf
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Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.
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+49 30 26935-7418Marie.Meier(at)fes.de