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Next Level Europe: Ist es Zeit für die Europäische Republik?

Europa steckt in der Krise: politisch, wirtschaftlich, aber auch ideell. Desintegration als Antwort scheint plötzlich nicht mehr unmöglich. Doch ist es nicht viel mehr an der Zeit den großen Schritt zu wagen?

Bild: Bild: Vulkan: Umstülpen/Inside Out Urheber: Valeska Peschke Collage 2015 Lizenz: Dietz-Verlag

Wohin treibt die EU, wohin Europa? Für die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sind das die falschen Fragen. Klar, Europa stecke in einer Malaise, die viele Facetten und Ursachen habe. Doch Europa, das ist kein passives Etwas, sondern wir Bürger_innen, die Vielen, wie sie sagt, die Europa tagtäglich leben in den Städten und Regionen des Kontinents. Für uns sollte die tatsächliche Frage daher sein: In welchem Europa wollen wir leben? Ihre Antwort darauf hat Ulrike Guérot in ihrem jüngst erschienenen Buch dargelegt, ein leidenschaftliches, ja enthusiastisches Plädoyer für die Utopie einer Europäischen Republik.

Vorgestellt wurde das Buch am 12. April in der FES in Berlin. Der große Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Gekommen waren neben Ulrike Guérot auch Alfred Grosser. Der Grand Seigneur der deutsch-französischen Aussöhnung – vor zwei Monaten wurde er 90 Jahre alt – ist Europäer durch und durch. Doch vom Enthusiasmus Ulrike Guérots ließ er sich nicht recht anstecken und zeigte sich eher als Skeptiker von Guérots Republik-Ideen.

Wodurch aber zeichnet sich eine Europäische Republik aus? Zunächst einmal solle sie die Fehlkonstruktion der Europäischen Union beheben. Denn eine echte Union, die auf souveränen Nationalstaaten fußt, sei laut Ulrike Guérot ein Widerspruch in sich. Sie zitierte den französischen Historiker Pierre Rosanvallon: „Europa wurde auf einer Lüge gegründet und wir zahlen den Preis dafür.“ Die Lüge bestehe darin, dass Europa und Nationalstaat gleichzeitig nicht geht. Die anvisierte Republik ist denn auch keine Neuauflage der Idee der Vereinigten Staaten von Europa, kein neuer Debattenbeitrag über Föderalisierung oder Zentralisierung. Für Guérot würden Demokratie und tatsächliche politische Gleichheit sowie eine am Gemeinwohl ausgerichtete Wirtschaftspolitik durch die Europäische Republik überhaupt erst möglich werden.

Ulrike Guérot sieht die Nationalstaaten von heute als historische Irrwege. Die Europäische Republik ist daher nicht als Staatenbund gedacht. Im Zentrum steht vielmehr ein Netzwerk der Städte und insbesondere der Regionen, denn diese seien die eigentliche Heimat der Menschen.

Alfred Grosser erinnerte jedoch daran, dass Konflikte auch zwischen Regionen existieren – wie zum Beispiel in Belgien zwischen der Wallonie und Flandern. Er zeigte sich grundsätzlich wenig überzeugt von der Idee einer Europäischen Republik und äußerte die Befürchtung, diese könne zu mächtig werden.

Für Ulrike Guérot besteht ein großes Problem im Umgang mit den momentanen Krisen darin, dass die Europäer_innen in ihrer Solidarität unterschätzt würden. Sie zitierte eine Umfrage des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, wonach sich europaweit 73 Prozent für eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung aussprachen und sich auch in Deutschland eine, wenn auch knappe, Mehrheit (53 Prozent) dafür findet.

Vonseiten des Publikums kam einige Kritik, aber auch viel Zustimmung. Woher kann die Energie kommen, Europa auf eine solch gewagte, neue Grundlage zu stellen? Würde ein Kontinent der Regionen nicht in eine neue Kleinstaaterei zurückfallen? Grundsätzlich war jedoch zu spüren, dass der Vorschlag die Sympathie vieler Anwesenden hatte. Spontan gab es Applaus, als Ulrike Guérot ausrief, dass sie nicht an den Hass der Europäer_innen untereinander glaube. Sie wolle keinen Masterplan, sondern ein Gesprächsangebot für Europa vorlegen, betonte sie mehrfach. Sicher wird ihr Entwurf für viele eine Inspiration sein, die Realitäten nicht hinzunehmen, sondern sich für ein geeintes und solidarisches Europa der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen – für die europäische res publica eben.

Links:

Ulrike Guérot: Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie, Dietz-Verlag 2016, zur Leseprobe hier.

Länderstudie: EU vor der Bewährungsprobe - Was wollen die Bürger und Bürgerinnen? policy matters im Auftrag der FES 2016

Arne Schildberg: EU-Umfrage: Was wollen eigentlich die Bürgerinnen und Bürger Europas? Politik für Europa - 2017plus, 2016

Magdalena König: Stürmische Zeiten für die europäische Demokratie!
Politik für Europa - 2017plus, 2016

Stephan Collignon: Bundesrepublik Europa? Die demokratische Herausforderung und Europas Krise, Vorwärts-Verlag 2007
Eine Rezension von Dr. Björn Hacker bei der Humanistischen Union findet Sie hier.


Demokratisches Europa

Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.

Ansprechpartnerin

Marie Meier

+49 30 26935-7418
Marie.Meier(at)fes.de

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