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Wirtschaftswissenschaftler zweifeln seit jeher an den ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen der Eurozone. Die Politik jedoch hat sich die Wirklichkeit bis zur Eurokrise zurechtgebogen. Mit den richtigen Reformen hätte der Euro trotzdem enormes Potential.
Bild: Geldschein von Oliver Tacke lizenziert unter CC BY 2.0
Zu lange ist man in Europa der Wunschvorstellung aufgesessen, die politische und wirtschaftliche Realität des Euro würde die Bedenken volkswirtschaftlicher Theorien optimaler Währungsräume widerlegen. Soziales Elend in den Krisenländern und ein Reformstau im mittlerweile siebten Jahr sind das Resultat. Die Rache der bestätigten Ökonomen ist daher alles andere als süß, zumal ihr Ringen um politische Anerkennung und Umsetzung ihrer Erkenntnisse so schwierig bleibt wie eh und je. Das mag auch daran liegen, dass die Volkswirtschaftslehre selbst öffentlich dadurch diskreditiert ist, dass nur wenige Ökonomen die der Eurokrise vorausgegangene Finanzkrise rechtzeitig auf dem Schirm hatten.
So polarisieren komplexe Interessenlagen, politische Kompromisslosigkeit und ökonomische Einäugigkeit die Reformdiskussion und ziehen sie in Endlosschleife. In einer Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert Jan Priewe ökonomische Theorie, politische Versäumnisse und vor allem die nach wie vor großen Potentiale eines reformierten Euro:
- Größere Währungsräume können die Geldfunktionen (Tauschmittel, Wertmessung, Wertaufbewahrung) effektiver erfüllen als kleinere. Transaktionskosten und Währungsrisiken fallen weg, Preisvergleiche werden einfacher. Insgesamt sollten sich die Bilanzen von Banken und Unternehmen, aber auch die Kreditratings der Mitgliedstaaten verbessern.
- Abwertungswettläufe gehören der Vergangenheit an – was allerdings zu internem Abwertungsdruck über Löhne und Steuern führen kann.
- Niedrigere durchschnittliche Inflation im Währungsraum als bei vielen nationalen Währungen lässt günstigere Realzinsen erwarten, was Wachstum und Beschäftigung gut tut.
Diese Vorteile gibt es politisch aber nicht umsonst. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank kann es nicht alleine richten. Fiskalpolitik muss sie ergänzen – zentrale Geldpolitik bei dezentraler, schwacher Fiskalpolitik in den Mitgliedstaaten ist daher Murks. Starre Haushaltsregeln müssten durch eine gemeinsame Fiskalpolitik und koordinierte Lohnpolitik ersetzt werden, sodass unterschiedliche Inflationsraten in den Mitgliedsländern nicht auf die Realzinsen durchschlagen und sich die Lohnstückkosten im Euroraum symmetrisch entwickeln. Fiskalpolitisch wären eine solidarische Transferunion oder antizyklische Politik mit automatischen Stabilisatoren (zum Beispiel einer europäischen Arbeitslosenversicherung) oder flexiblerer, auf hohe Beschäftigung ausgerichteter Fiskalpolitik geboten. Koordinierte Fiskalpolitik ist effektiver als isolierte Politik der Euroländer, die der Fiskalpakt mit willkürlich gesetzten Grenzwerten fesselt.
Über wirtschafts- und fiskalpolitische Solidarität im Euroraum, ihre Voraussetzungen und ihre moralischen Risiken ist viel diskutiert worden. Solidarität kann jedenfalls nicht bedeuten, dass Deutschland vom Euro nicht nur als Exporteur und Regelgeber profitiert, sondern obendrein noch von Zinsen auf Rettungskredite. Auf Solidarität gründende, demokratisch legitimierte Institutionen sind in einer Währungsunion heterogener Staaten nicht nur politisch notwendig, um der öffentlichen Wahrnehmung ungerechter Lastenverteilung zwischen ihren Gewinnern und Verlierern entgegenzuwirken. Auch ökonomisch ist es undenkbar, dass ein Mitglied einer Währungsunion ohne die Solidarität der anderen Mitglieder aus eigener Kraft einen Staatsbankrott überwindet, wenn ihm die Möglichkeiten von Währungsreform und Schuldenschnitt genommen sind . Die Nichtbeistandsregel muss daher weg, außerdem muss die Europäische Zentralbank auch legal zum „lender of last resort“ werden, zur letzten Finanzierungsinstanz von Staatsanleihen. Der traurigen Realität, dass der Euro Europa nicht verbindet, sondern spaltet und ein politisch und ökonomisch dysfunktionales System geschaffen hat, muss endlich entschieden begegnet werden.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Markus Schreyer
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Die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Europa muss neu und vor allem gemeinsam gedacht werden. Damit sich die Krisen Europas nicht beliebig wiederholen, werden dringend progressive Konzepte benötigt. Doch welche Ideen von Wohlstandsgenerierung und Investitionsprogrammen gibt es? Wie können wirtschaftliche mit sozialpolitischen Maßnahmen verknüpft werden, so dass einerseits die Bewegungsfreiheit innerhalb Europas bestehen bleibt, andererseits aber auch soziale Sicherheit gewährleistet wird? Diesen Fragen wollen wir uns widmen und einen impulsgebenden Beitrag leisten.
Ansprechpartnerin
Marie Meier
+49 30 26935-7418Marie.Meier(at)fes.de