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Bild: FES Header Chinas Aufstieg 3 2
„Chinas Aufstieg – Herausforderungen für die EU und die USA“ lautet der Titel der digitalen Veranstaltung des Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Stiftung Asienhaus am 25.112021. Sohel Ahmed, Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung sagte in seiner Begrüßung, dass die zentrale Fragestellung sei, wie die EU aber auch die USA auf die veränderte Situation, die mit dem Aufstieg Chinas in den letzten Jahrzehnten einhergeht, umgehen soll. Welche neuen Herausforderungen ergeben sich aus dem wachsenden geopolitischen Einfluss Chinas? Wie könnte eine europäische – oder eine transatlantische China Politik aussehen? Und wie soll vor allem Deutschland in diesem Kontext auf die Erwartungen der USA und anderer Partnerländer reagieren?
Zur Beantwortung dieser Frage boten drei Expert_innen ihr Wissen an. Bernd Lange, Mitgliedes des Europäischen Parlaments, der sich als Vorsitzender des Handelsausschusses tagtäglich mit der geopolitischen Konstellation Chinas konfrontiert sieht. Prof. Dr. Dr. Nele Noesselt, Politikwissenschaftlerin an der Universität Duisburg Essen und dort Lehrstuhlinhaberin des Lehrstuhls Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt China/Ostasien und Thomas Reichart welcher von 2014 bis 2019 das ZDF-Studio Ostasien in Peking leitete und als solcher vor Ort journalistisch arbeitete.
Vor den Inputvorträgen der drei Gäste ordnete die Moderatorin, Joanna Klabisch der Stiftung Asienhaus den Abend thematisch ein. Aus europäischer Sicht werde China immer wieder im Dreiklang als Partner, Wettbewerber und Rivale benannt, in der Realität zeige sich jedoch ein stetig polarisierender Diskurs und insbesondere auf chinesischer Seite verhärtende politische Strukturen, welche einen einheitlichen Dreiklang immer schwieriger machen. Umso wichtiger sei es, neue Strategien im Umgang mit China zu entwickeln, wozu auch die Debatte des Abends beitragen könne.
Thomas Reichart stellte vor Beginn die Dimension des Wandels und der damit einhergehenden Herausforderung in den Vordergrund. „Es ist eine Herausforderung, die so fundamental und grundsätzlich ist, wie der Epochenwandel des Falls der Berliner Mauer. Es verändert sich etwas grundlegend im internationalen System durch den Aufstieg Chinas und es verändert sich damit auch fundamental etwas, was unser Leben betrifft.“ Gleichwohl mahnte der Journalist, man solle sich nicht vor dieser Herausforderung fürchten, sondern sie annehmen. Dabei sei es jedoch grundlegend, dass man sich vor Augen führe, womit man es eigentlich zu tun habe. Betrachte man China, so Reichart, sei es fundamental zu unterscheiden zwischen der chinesischen Bevölkerung auf der einen und dem politischen System in Persona der kommunistischen Partei auf der anderen Seite. Während man ersteren durchaus Bewunderung und Respekt für ihren Aufstiegswillen und Pragmatismus entgegenbringen könne, sollte man vor letzterem auf der Hut sein. Deren Wille nach politischer Macht sei anders als in der Vergangenheit nicht mehr nur noch auf den geografischen Raum Chinas begrenzt. Spätestens seit 2017 sei ein Wandel im Selbstbewusstsein der chinesischen Politik erkennbar. Das China, mit dem man sich seitdem konfrontiert sieht, ist „ein China, das seine innere Verfasstheit, seine Macht und auch den Willen, die Regeln der Welt neu zu schreiben nach außen trägt.“ Für die europäischen Staaten und die EU sei es in diesem Wandel entscheidend, sich keine Illusionen zu machen, die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen anzuerkennen und sich ihnen anzunehmen, schloss Reichart seinen Input.
Bernd Lange knüpfte in seinem Input, in welchem die Rolle der Europäischen Union im Fokus stand, an die genannten Herausforderungen an. Die europäische Strategie sei sowohl was die Kooperativen als auch die konfrontativen Elemente angehe, bereits entwickelt. „Ich glaube, dass angesichts der veränderten politischen Wirklichkeit in China dies genau der richtige Weg ist“, bekräftigte der Parlamentarier den europäischen Weg. So hätten Maßnahmen zu Integration Chinas in die globalen Zusammenhänge, wie zum Beispiel die Welthandelsgemeinschaft, zu Veränderungen im Land beigetragen. Dies hätte aber nicht verhindern können, dass China mit einem neuen Selbstverständnis und einer klaren geopolitischen Ausrichtung auf der internationalen Bühne agieren will. Isolation könne nie die alleinige Strategie der EU werden, denn „politisch wird eine Isolationsstrategie nicht zum Erfolg führen“, mahnte der Parlamentarier. Im Gegenteil werde es zur Verstärkung konservativer Elemente in der chinesischen Politik führen. Vielmehr könne mithilfe einer ganzheitlichen Betrachtung aller politischen Ebenen multilateral, bilateral, aber auch unilateral erfolgreiche Kooperationen erreicht werden, was langfristig erfolgversprechender sei. Diese Kooperationen seien, anders als häufig betrachtet, auch im beidseitigen Interesse. So würde China rund 20 Prozent der Steuereinkünfte aus ausländischen Unternehmen generieren, in welchen rund acht Prozent aller Beschäftigten einen Arbeitsplatz fänden. Diese Interdependenzen, entgegen der aktuellen chinesischen Strategie, aufrechtzuerhalten sei essenziell, damit die geopolitischen Absichten der chinesischen Regierung kontrollierbar bleiben können. „Die beiden Pfade der Strategie“, schloss Lange seinen Input, „kooperative Elemente stärken und konfrontative Elemente schärfen, wo immer es notwendig ist.“
Prof. Nele Noesselt rückte in Ihrem Input das gegenseitige Verständnis in den Mittelpunkt. Aktuelle Studien würden hierbei deutlich machen, dass das Bild von China in der europäischen Öffentlichkeit in den letzten Jahren deutlich negativer geworden ist. Dies hänge nicht unbedingt mit einer Veränderung auf chinesischer Seite, sondern vielmehr damit zusammen, dass bisherige Annahmen der europäischen Perspektive sich nicht bestätigt hätten. Dies machte die Wissenschaftlerin an „drei Mythen“ fest. Der erste Mythos sei die Erwartung gewesen, dass die Einbindung Chinas in die Welthandelsorganisation zu einer Demokratisierung beitragen könnte. „Dieser Mythos Wandel durch Handel hat sich jedoch zerschlagen.“ Weiterhin hätte sich ebenso nicht bewahrheitet, dass ein Teil der chinesischen Strategie die aktive Spaltung der EU herbeiführe. Projekte, die dies herbeiführen sollten wie zum Beispiel der 17 + 1 bzw. 16 + 1 Gipfel, seien langfristig gesehen gescheitert. Als Gründe hierfür nannte Noesselt unter anderem, dass viele Projekte zwar angekündigt, jedoch nicht durchgeführt wurden und dass auch die osteuropäischen Staaten in sicherheitspolitischen Perspektiven eher auf die westlichen Partner, vor allem auf die USA schauen, als sich China zuzuwenden. Der dritte Mythos behandelt den vermeintlichen Technologievorsprung westlicher Industrienationen gegenüber von China. Dieser sei, so Noesselt, insbesondere in der Verarbeitung von Big Data und künstlicher Intelligenz nicht mehr gegeben. „China holt auf. Wir sehen in vielen Bereichen (...) dass China hier viele Experimente gestartet hat“, machte die Professorin deutlich.
Diese drei Mythen sollten auch der Ausgangspunkt für die weitere Diskussion des Abends sein. So widersprachen sowohl MdEP Lange als auch Thomas Reichert der Aussage, dass eine aktive Spaltung der EU durch China nicht stattfände. „Die Frage der Spaltungsversuche müssen wir doch etwas ernster nehmen. Das ist nicht nur ein Mythos“, führte Lange aus und verdeutlichte dies anhand der engen Kooperationen zwischen China und Ungarn, die in diesem Punkt gleiche Ziele verfolgen würden. Anders verhielt es sich gegenüber dem ersten Mythos. Hier bekräftigte Thomas Reichart die vorherigen Ausführungen. „Ich stimme dem zu, dass Wandel durch Annäherung nicht funktioniert hat. Wir haben viel Annäherung und wenig Wandel gesehen.“
Neben den drei Panelist_innen nutzten auch die Teilnehmer_innen der Veranstaltung ihre Möglichkeiten zur Debatte, sodass sich schon nach kurzer Zeit einige Fragen und Anmerkungen im Chat wiederfinden konnten. Die Moderatorin sortierte diese in mehrere Frageblöcke. Einer dieser Frageblöcke drehte sich um die innere Verfasstheit Chinas und auch um die Rolle von Xi Jinping in dieser. Reichart führte hierzu an: „Wir erleben tatsächlich eine Zentralisierung der politischen Macht, wie sie China seit Mao nicht mehr gesehen hat. (…) Die politische Macht in China ist fokussiert auf einen sehr engen Kreis, auf Xi Jinping und seine Vertrauten“, und führte weiterhin aus „Wer in China die Herrschaft der kommunistischen Partei herausfordert, der wird rücksichtslos bestraft, weil es der Kern der Herrschaft ist, dass sie unumstritten ist.“
Ein weiterer Themenkomplex, der von vielen Teilnehmer_innen angeschnitten wurde, ist die sogenannte „Neue Seidenstraße“. Dabei sei es zunächst entscheidend zu verstehen, was dieses Projekt überhaupt sei, führte Noesselt an „Die meisten Projekte, die wir im Infrastrukturbereich sehen sind keine Seidenstraßenprojekte. Auch in Südostasien oder in Zentralamerika: Diese ganzen angekündigten Projekte sind gar nicht wirklich an den Start gegangen und die Infrastrukturprojekte die wir sehen, das sind oftmals Projekte die lange davor schon geplant worden sind. (…) Ich würde argumentieren, das alles ist vor allem ein schönes Narrativ.“ Thomas Reichart stimmte dem zu an und fügt weiterhin an. „Es ist ein großes Narrativ das alles fasst, auch Dinge, die wenig miteinander zusammenhängen, mit dem Ziel an einen großen Mythos anzuknüpfen und im Grunde auch eine Kontinuität der Herrschaft herzustellen von der Tang Dynastie bis eben zu Xi Jinping.“
Abschließend fasste Johanna Klabisch den Verlauf der eineinhalbstündigen Veranstaltung zusammen und kam zu dem Fazit: „Man kann sich China in eineinhalb Stunden leider nicht ausreichend annähern. (…) Wir haben es dennoch versucht und einige wichtige Ansätze diskutiert und hoffentlich viele Fragen beantworten können.“
Text: Jonas Fritz
Veranstaltungsnummer: 254242 – als .ics herunterladen
Donnerstag, 25.11.2119:00-20:30 Uhr
Teilnahmepauschale keine
+++Online+++
Sohel Ahmed sohel.ahmed@fes.de
Kontaktanschrift
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