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Shifting Powers: Neue Akteure erobern den Markt der Nachrichtenagenturen – werden geopolitische Grabenkämpfe nun künftig in Newsrooms ausgetragen?
“Shifting Powers” war das Thema des diesjährigen Global Media Forums (GMF) der Deutschen Welle, das vom 27.-28. Mai in Bonn stattgefunden hat. Insgesamt waren rund 2400 Gäste aus aller Welt nach Bonn gekommen, um an einem breit aufgestellten Programm teilzunehmen und sich miteinander zu vernetzen. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet waren namhafte Expert_innen aus der Medienwelt eingeladen, etwa Internetpionier Jaron Lanier oder Springer-Chef Matthias Döpfner. Die mexikanische Investigativjournalistin Anabel Hernandez wurde mit dem Freedom of Speech Award 2019 ausgezeichnet.
Wie schon in den vergangenen Jahren beteiligte sich die FES auch 2019 mit einer eigenen Diskussionsveranstaltung am Programm der Deutschen Welle. In einer Fishbowl-Diskussion zum Thema „News Agencies and Geopolitics: New Emerging Players“ wurden „Power Shifts“ im Bereich der Marktanteile von Nachrichtenagenturen und deren potentielle geopolitische Implikationen erörtert.
Während Themen wie Fake News, Bots oder die Macht von Algorithmen im digitalen Zeitalter häufiger öffentlich diskutiert werden, wird ein mögliches Agenda-Setting durch Agenturmeldungen bislang kaum in den Blick genommen. Dabei wird oft vergessen, dass ein großer Teil der Nachrichten, die jeden Tag publiziert und konsumiert werden, mehr oder weniger direkt aus Agenturmeldungen stammen. Damit könnten Agenturen zumindest potentiell eine hohe Meinungsmacht und somit auch eine hohe Verantwortung haben; gerade in Zeiten geopolitischer Differenzen.
Bei der von der FES veranstalteten Diskussion ging es als Fallbeispiel insbesondere um die gestiegenen Marktanteile der chinesischen staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua und die Wahrnehmung von Xinhua als Akteur auf dem afrikanischen Kontinent.
Chinas globale „Public Diplomacy“-Ansätze und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsweise chinesischer Medien im Ausland, die Strategie und das Businessmodell Xinhuas und seine tiefe Verbindung zur Kommunistischen Partei Chinas wurden von Prof. Shi Anbin, Ministry Endowment Professor of Global Media and Communication Studies an der Tsinghua Universität in China, ausführlich dargestellt. Immer wieder betonte Prof. Shi das „Meinungsmonopol“ des Westens und die – vermeintlich exklusiv westlichen – Ansichten bezogen auf bestimmte weltpolitische Ereignisse, insbesondere hinsichtlich der Darstellung Chinas, der die chinesischen Akteure durch ihre positivere Berichterstattung etwas entgegenzusetzen versuchen; auch Xinhua als Nachrichtenagentur wurde in diesen Kontext einbezogen.
Der ebenfalls von der FES eingeladene Olaf Zapke, Managing Director Germany bei Thomson Reuters, grenzte sich hiervon klar ab und machte deutlich, dass die Aufgabe einer Nachrichtenagentur nach seinem Verständnis nicht sei, eine Meinung wiederzugeben, sondern Fakten zu berichten. Auch wenn Thomson Reuters in privater Hand ist, sei dieser Anspruch die Grundlage jeder Recherche, so Zapke. Das Businessmodell von Reuters beruhe auf Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit und dies versuche man so gut dies geht zu gewährleisten.
Emeka Umejei, Visiting Assistant Professor an der American University of Nigeria, machte klar, dass Xinhua schon jetzt ein enorm wichtiger Player auf dem afrikanischen Markt sei und dies nicht zuletzt auf die wirtschaftlichen Grundlagen der staatlich gelenkten Agentur zurückzuführen sei, die es sich u.a. leisten kann, Meldungen umsonst oder für sehr wenig Geld zur Verfügung zu stellen und z.B. eine Reihe von Vereinbarungen mit staatlichen afrikanischen Agenturen bzw. direkt mit afrikanischen Verlagen geschlossen hat. Er ordnete die Bemühungen Chinas, sich Zugänge zum afrikanischen Markt zu verschaffen, kritisch ein; so betonte er u.a. dass ein nicht-demokratischer Staat wohl kaum Interesse an zentralen Werten wie Meinungspluralismus oder Informationsfreiheit vertrete, die aber für den Großteil der Afrikaner_innen erstrebenswert seien. Mit Blick auf die Rolle von Nachrichtenagenturen betonte auch Emeka Umejei, dass es nicht mehr als eine Faktenlage gebe, über die man berichten könne, er aber bei Xinhuas Berichterstattung – gerade wenn es etwa um China betreffende Infrastrukturprojekte ginge – mitunter diesen Eindruck vermittelt bekomme.
Einig waren sich alle Diskutanten – und auch das in die Fishbowl-Diskussion involvierte Publikum – dass man trotz der beachtlichen Expansion Xinhuas und anderer „aufstrebender“ Agenturen (wie etwa dem russischen Sputnik) nicht davon ausgehen könne, das künftig bisher relevante „Global Players“ wie Reuters, AP oder AFP keine entscheidende Rolle auf dem weltweiten Markt mehr einnehmen werden. Besonders wichtig wird es deshalb sein, dass sich diese Akteure ihrer Verantwortung zu qualitativ hochwertiger und ausgewogener Berichterstattung bewusst sind.
Nachrichtenagenturen nehmen eben sehr wohl eine zentrale, wenngleich auch vielleicht nicht die offensichtlichste, Rolle im Kontext eines potentiellen „Global Power Shifts“ im Mediensektor ein. Ihre Bedeutung dürfte trotz neuer Herausforderungen durch die sich im Zuge der weltweit vorangetriebenen Digitalisierung eröffnenden Publikationskanäle und die notwendig gewordene bessere und andere Aufbereitung von Inhalten auch nicht signifikant zurückgehen. Umso wichtiger wird es sein, weiter einen konstruktiven, kritischen Dialog über die Aufgabe, Macht und Verantwortung großer Agenturen zu führen.
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