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Ob die geschlechterpolitischen Forderungen und Empfehlungen der Women7 in das Kommuniqué der G7 Eingang fanden, klärt der Abschlussartikel unseres FES W7-Blogs.
„Es ist Zeit zu liefern!“ – So lautete der Appell der „Women7 Engagement Group (W7) an die Staats- und Regierungschef*innen der G7, die sich vom 26.-28. Juni 2022 in Elmau trafen, um gemeinsame Antworten auf die größten Krisen der Welt zu finden. Kritisch begleitet wurde der Gipfel von der internationalen Zivilgesellschaft. In diesem Beitrag widmen wir uns der Frage, inwieweit die geschlechterpolitischen Forderungen und Empfehlungen der Women7 in das Kommuniqué der G7 Eingang fanden. Unserer Ansicht nach enthält das Dokument ehrgeizige und inklusive geschlechterpolitische Ziele; kritisch sehen wir jedoch den Mangel an konkreten Initiativen und finanziellen Zusagen für politische Maßnahmen, die zeitnah umgesetzt werden könnten.
Am 26. Juni war in Zeitungen weltweit ein Foto von sieben Staats- und Regierungschef*innen in einer malerischen Bergwelt zu sehen. Einige hatten die Arme umeinander gelegt. Es war das traditionelle „Familienfoto“, das am ersten Tag des G7-Gipfels in Elmau aufgenommen wurde. Das Bild sollte ein Gefühl politischer Einheit und Gleichrangigkeit innerhalb der G7 vermitteln. Obwohl mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen immerhin eine (weiße) Frau am Tisch saß und am zweiten Tag des Gipfeltreffens auch Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika als G7-Outreach-Länder vertreten waren, konnte nichts darüber hinwegtäuschen, dass die sieben führenden demokratischen Industrienationen immer noch von einer homogenen Gruppe weißer Männer mittleren Alters angeführt werden.
Der Gipfel war der Höhepunkt der deutschen G7-Präsidentschaft im Jahr 2022. Mehrere zivilgesellschaftliche Engagement-Gruppen, darunter Women7, hatten sich im Vorlauf an umfassenden Evaluations- und Konsultationsprozessen beteiligt, die in das Ergebnis einfließen sollten. Beim W7-Gipfel in Berlin, der unter dem Motto „It is #timetodeliver on gender equality“ stand, überreichten über 60 Vertreter*innen von Frauenorganisationen und feministischen Gruppen aus 24 Ländern Bundeskanzler Olaf Scholz als Vorsitzenden der G7 ein Abschlusskommuniqué mit einem Implementierungsplan und konkreten Empfehlungen.
Frauen an der Spitze von Staaten und Regierungen sind in diesen Zeiten, die von der Pandemie, der Klimakrise, Kriegen und geschlechterpolitischem Backlash geprägt sind, eher die Ausnahme als die Regel. Daher schien es beinahe ein frommer Wunsch von Feminist*innen und Frauenrechtsaktivist*innen, dass die G7 Geschlechtergerechtigkeit in ihren Debatten zu einer Priorität machen und damit den Weg für eine geschlechtergerechtere Zukunft bereiten würden. Wir haben das G7-Kommuniqué darauf geprüft, inwieweit die W7-Empfehlungen übernommen wurden, um nachzuvollziehen, ob die G7 ihrem Engagement für echten „Fortschritt hin zu einer gleichberechtigteren Welt“ gerecht geworden sind.
Die gute Nachricht zuerst: Neben den üblichen Bekenntnissen zur Einbeziehung von Frauen und marginalisierten Gruppen ist dem G7-Kommuniqué auch ein breiteres Verständnis von Geschlecht und Geschlechtergerechtigkeit zu entnehmen. Zum ersten Mal in der Geschichte der G7 werden auch transgender und nichtbinäre Personen sowie LGBTIQ+ erwähnt. Die Stärkung sexueller und reproduktive Gesundheit und Rechte sowie die Berücksichtigung von sexueller Orientierung und Geschlechteridentität werden als wichtig für die Förderung von Vielfalt und als essentieller Hebel für die Stärkung von Frauen und Mädchen anerkannt. Auch die Forderung der W7 nach einem geschlechtergerechten Wiederaufbau nach der Pandemie nach den Prinzipien einer transformativen Wirtschaftspolitik, die auch strukturelle Hindernisse für Geschlechtergerechtigkeit adressiert und den Wert un- und unterbezahlter Sorgearbeit anerkennt, wurden fast wörtlich in das Kommuniqué übernommen. Hierzu gehört auch die Zusage über 79 Millionen US-Dollar, um den Childcare Incentive Fund der Weltbank zu unterstützen. Dennoch hatten die W7 sich mehr erhofft: Es hätte eine Zusage über zusätzliche Investitionen in Höhe von 2 % des BIP für die soziale Infrastruktur und die Förderung geschlechtergerechter Gesundheits- und Pflegedienstleistungen gebraucht, um echten strukturellen Wandel herbeizuführen. Zum Vergleich: 79 Millionen US-Dollar entsprechen gerade einmal 0,002 % des BIP Deutschlands im Jahr 2021. Folglich ist es nur einen Tropfen auf den heißen Stein, mit dem die durch die Pandemie offenbarten und verstärkten Mängel in der sozialen Infrastruktur nicht behoben werden können. Das ist enttäuschend.
Vor dem Hintergrund des verheerenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der massiven Verletzung der Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan bekräftigen die G7 ausdrücklich ihr Engagement für die Stärkung und Verbesserung von Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und zur transparenten Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Zudem erwähnt das Kommuniqué erstmals – wenn auch in einem Nebensatz – die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen „im Sinne einer feministischen Entwicklungs-, Außen- und Handelspolitik“. Das ist eine bemerkenswerte Aussage im Kontext der G7, für die sich feministische Aktivist*innen engagiert eingesetzt haben. Dennoch stellen sich beim Lesen einige Zweifel ein. Das angebliche Bekenntnis zu einer feministischen Außenpolitik schlägt sich nämlich strukturell keineswegs im Abschnitt über Außen- und Sicherheitspolitik nieder. Die Passage über die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ (Women, Peace and Security, WPS) unterscheidet sich nicht wesentlich von Formulierungen vorheriger multilateraler Erklärungen.
Zudem sind wir äußerst skeptisch, was die Implementierung einer feministischen Handelspolitik angeht. Eine feministische Handelspolitik würde weitreichende wirtschaftliche und politische Veränderungen mit sich bringen. Wir leben in einer Welt des Outsourcing und der intransparenten Produktionsketten. Sinnvolle Initiativen für geschlechtergerechte globale Lieferketten und eine wirtschaftliche Stärkung von Frauen, wie die W7 sie fordern, existieren derzeit weder innerhalb noch außerhalb der G7. Die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, denen besonders Frauen jeden Tag ausgesetzt sind, widerspiegeln das mangelnde globale Engagement für eine geschlechtergerechtere Arbeitswelt mit menschenwürdigen Bedingungen für alle. Im Kontext einer feministischen Entwicklungspolitik ist die Zusage der G7, den Anteil der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und zur Stärkung von Frauen und Mädchen zu erhöhen, eine wichtige Geste. Es kann jedoch nur ein erster Schritt hin zu einem wahrhaft feministischen Ansatz in der Entwicklungspolitik sein. Insgesamt mangelt es dem Dokument an konkreten Zusagen und Initiativen, mit denen diese Ziele erreicht werden könnten. So sind feministische Aktivist*innen zu Recht skeptisch, ob die Staats- und Regierungschef*innen der G7 den Ankündigungen einer feministischen Entwicklungs-, Außen- und Handelspolitik einen ganzheitlichen Ansatz folgen lassen werden.
Wir sind ebenfalls enttäuscht, dass das Kommuniqué keine Aussagen zu Geschlechtergerechtigkeit in der Klimakrise trifft und keine intersektionalen Perspektiven zur Klimagerechtigkeit im Hinblick auf die geplante Gründung des Klimaclubs widerspiegelt. Obwohl die G7 unter anderem ihre Verpflichtung erneuert, die von den Industrieländern zugesagten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zur Klimafinanzierung zu erreichen und damit eine wichtige Forderung des W7-Kommuniqués erfüllt, ist in der gemeinsamen Erklärung zum geplanten Klimaclub nicht ein einziges Mal von Geschlechtergerechtigkeit die Rede. Außerdem fehlen jegliche Bezugnahmen auf sich überschneidende Auswirkungen der Klimakrise, etwa auf erzwungene Migration und Vertreibung oder die globale Gesundheitsinfrastruktur.
Einige allgemeine Bemerkungen zum Schluss: Das Abschlusskommuniqué der G7 macht viele Versprechungen. Drei Punkte bereiten uns jedoch Sorgen. Erstens fehlen spezifische finanzielle Zusagen. Zweitens wird im Dokument nicht anerkannt, dass die G7-Länder eine erhebliche Verantwortung für die vielen Krisen tragen, in denen sich die Welt derzeit befindet. Drittens trägt der Text kaum intersektionalen Perspektiven Rechnung, die auch die Rolle von Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit als strukturelle, historisch gewachsene Faktoren widerspiegeln, die ihre Wurzeln in Kolonialismus und Patriarchat haben. Dieses erkennbar fehlende Bewusstsein für die globale Verantwortung der G7 ist eine essenzielle und strukturelle Barriere für Frauen in all ihrer Vielfalt – auch und gerade als BIPoC¹ oder LGBTIQ+. Ohne Berücksichtigung intersektionaler Perspektiven bleiben Frauen und marginalisierte Gruppen beim Zugang zu politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Teilhabe weiterhin außen vor. Dass dies auch in den G7-Staaten zum Problem werden kann, hat die Aufhebung des Grundsatzurteils Roe vs. Wade (Recht auf Schwangerschaftsabbruch) in den USA erst kürzlich gezeigt.
Wir, die Women7, erwarten, dass die Staats- und Regierungschef*innen der G7 ihren Worten während der zweiten Hälfte der deutschen G7-Präsidentschaft Taten folgen lassen. Das G7 Dashboard on Gender Gaps, das kürzlich mit dem Ziel einer größeren Transparenz in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit gegründet wurde, ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Jetzt liegt es an den Staats- und Regierungschef*innen der G7, ihre Versprechen umzusetzen. Es ist Zeit zu liefern.
¹ BIPoC = Black, Indigenous, Persons of Color (dt.: Schwarze, Indigene und Menschen mit als nichtweiß wahrgenommener Hautfarbe)
Vera Otterstein (sie/ihr) ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Advocacy des W7-Projekts beim Deutschen Frauenrat.
Madita Standke-Erdmann (sie/ihr) ist Referentin für Advocacy und Dialog des W7-Projekts und Referentin für Internationale Gleichstellungspolitik beim Deutschen Frauenrat.
Der Deutsche Frauenrat ist Gastgeberin des Women7-Dialogs während der deutschen G7-Präsidentschaft. Als Dachverband von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen ist er die größte frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung in Deutschland.
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