Die 42-jährige Enelesi Namanedi aus dem Dorf Nkhulambe im Bezirk Phalombe im Süden Malawis verlor ihr jüngstes Kind, einen vierjährigen Jungen, auf tragische Weise durch die gewaltigen Überschwemmungen, die der Zyklon Freddy im März 2023 nach sich zog und die als schwerste Klimakatastrophe in der Geschichte des Landes eingestuft wurde.
Rund 300 Meter von Enelesis früherem Zuhause entfernt steht das öffentliche Krankenhaus von Nkhulambe, das die einzige Gesundheitseinrichtung vor Ort ist und das ganze Dorf versorgt. Nach dem Zyklon haben Felsbrocken, Schutt und Schlamm das Krankenhaus schwer beschädigt, sodass für fast 50.000 Menschen in diesem Gebiet keinerlei Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht. Enelesi zeigt auf ein zerstörtes Wöchnerinnenheim; die Sorge über die drohende Gefahr für das Leben werdender Mütter ist ihr anzusehen. Für sie hat das Krankenhaus eine ganz besondere Bedeutung, denn dort hat sie alle ihre Kinder zur Welt gebracht.
„Wegen der Flutschäden müssen wir jetzt 12 Kilometer bis zum nächsten Krankenhaus fahren. Die meisten schwangeren Frauen entbinden auf dem Weg zur Klinik. Das ist eine lebensbedrohliche Situation“, sagt sie.
Frauen gebären auf dem Weg zur Klinik
Als Zyklon Freddy über Madagaskar, Mosambik und Malawi hinwegzog, gab es nach Angaben des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, (United Nations Population Fund, UNFPA) 32.000 schwangere Frauen, bei denen der Geburtstermin in den darauffolgenden Wochen lag. Der Wirbelsturm verwüstete und zerstörte Häuser, Gesundheitseinrichtungen und Transportwege; dadurch erhöhten sich die mit der Entbindung verbundenen Risiken erheblich. Allein im Bezirk Phalombe sind aufgrund der Überschwemmungen und Schlammlawinen sechs Krankenhäuser nicht betriebsbereit. Damit ist die Zuverlässigkeit der Gesundheitsversorgung insgesamt stark gefährdet. Überschwemmungen haben fast immer verheerende Folgen: Sie beschädigen die Infrastruktur, fordern Menschenleben und vernichten Sachwerte.
In dem Bericht zur Bedarfsermittlung nach Katastrophenfällen (Post-Disaster Needs Assessment Report) wird der Gesamtschaden im Gesundheits- und Ernährungssektor in allen 16 betroffenen Kommunen auf fast vier Millionen Dollar beziffert. Dies verdeutlicht nicht nur das Ausmaß der Schäden, sondern zeigt auch, wie anfällig der Gesundheitssektor für die Auswirkungen des Klimawandels ist.
Sechs Krankenhäuser von Schlammlawinen erfasst
Sosten Chiwotha, regionaler Programmdirektor der Nichtregierungsorganisation Leadership for Environment and Development Southern and Eastern Africa (LEAD), spricht von den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels für die Allgemeinbevölkerung und hebt hervor, dass werdende Mütter am stärksten gefährdet sind, weil sie in besonderem Maße auf verlässliche Transportmöglichkeiten und medizinische Versorgung angewiesen sind. Beides kommt während und nach Katastrophen wie Überschwemmungen zum Erliegen.
„Wegen der Schäden an den Krankenhäusern konnten die reproduktiven Gesundheitsdienste den Betrieb nicht aufrechterhalten. Schwangere Frauen mussten für Routineuntersuchungen längere Strecken zu Fuß zurücklegen, weil die Straßen nicht mehr passierbar waren und Krankenwagen nicht durchkamen. Das war für die werdenden Mütter eine enorme Herausforderung“, unterstreicht Chiwotha. Durch den Klimawandel bedingte Extremwetterereignisse wie die jüngsten Überschwemmungen, so Chiwotha weiter, wirken sich aber nicht nur auf die reproduktive Gesundheitsversorgung, sondern auch auf die psychische Gesundheit aus.
„Drei Monate lang hatten die Menschen Albträume von den Überschwemmungen und realisierten erst beim Aufwachen, dass sie nur geträumt hatten. Eine sehr belastende Erfahrung“, fügte er hinzu.
Jährlich wüten Wirbelstürme über Malawi
Am 3. Dezember fand auf der COP28 der erste Gesundheitstag der WHO und ihrer Partner statt. Die malawische Gesundheitsministerin Khumbize Kandodo Chiponda sprach auf der Konferenz über die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels auf den Gesundheitssektor des Landes und die dadurch ausgelöste Zunahme von Krankheitsfällen.
Sie berichtete insbesondere von der Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen durch die Wirbelstürme, die das Land regelmäßig heimsuchen. Es müssten dringend Mittel für den Ausbau der Gesundheitssysteme bereitgestellt werden, damit sie auf Notfallsituationen wirksam reagieren können. „In den letzten vier bis fünf Jahren gab es in Malawi fast jedes Jahr Wirbelstürme. Die Prävalenzen und Krankheitsmuster verändern sich. Wir hatten den schlimmsten Ausbruch von Cholera, der sich über ein Jahr hinzog. Angesichts dieser Probleme müssen wir innehalten, um uns darüber klar zu werden, womit wir es zu tun haben.“
„Das Gesundheitssystem ist überlastet und überfordert“, so Chiponda. „Einige besiegt geglaubte Krankheiten treten inzwischen wieder auf. Die Wirbelstürme setzen der Bevölkerung zu; Menschen verlieren durch Überschwemmungen ihre Existenzgrundlage. Wir müssen unsere Gesundheitssysteme so ausbauen, dass sie auf all diese Katastrophen vorbereitet sind; derzeit gelingt es uns noch nicht, rechtzeitig zu reagieren.“
Der Gesundheitsaktivist George Jobe forderte, Ländern wie Malawi den Zugang zu dem auf der COP28 beschlossenen Verlust- und Schadensfonds zu gewähren, damit sie ihre Gesundheitsinfrastruktur nach den Zerstörungen durch die Wirbelstürme wieder aufbauen und sich an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können.
Aktivist_innen weisen darauf hin, dass angesichts solcher Entwicklungen die Weltgemeinschaft als Ganze gefordert ist. Deshalb komme es entscheidend darauf an, international an einem Strang zu ziehen, wenn es darum geht, die Gesundheitssysteme weltweit widerstands- und zukunftsfähig zu machen.
Aus dem Englischen von Christine Hardung