Handel ist ein wichtiger und oft unterschätzter Entwicklungsfaktor für die afrikanischen Volkswirtschaften. Schon jetzt übersteigen die Gewinne aus innerafrikanischem und interkontinentalem Handel die Beträge von Entwicklungszusammenarbeit und Diaspora-Rücküberweisungen (Remittances) zusammen um ein Vielfaches. Trotzdem sind afrikanische Länder im internationalen Handel oft benachteiligt. Mit aktuell 2,3% Anteil am weltweiten Handel liegt Afrika weit zurück – Potenzial bleibt ungenutzt.
Potenzial für Handel als Entwicklungsmotor bisher ungenutzt
Die Handelsbeziehungen mit der EU werden oft als asymmetrisch kritisiert. Dies zeigt sich u.a. daran, dass Europa oft teure und hochentwickelte Technologie nach Afrika exportiert, während afrikanische Staaten oft unverarbeitete Rohstoffe exportieren. Diese unterliegen teilweise enormen Preisschwankungen, was die afrikanischen Volkswirtschaften besonders krisenanfällig macht.
In diesem Kontext bewegt sich ein umfangreiches und von der FES Genf und dem Referat Afrika der FES unterstütztes Forschungsvorhaben von Prof. David Luke, Professor am Firoz Lalji Institute for Africa der London School of Economics (LSE). Die Arbeit mit dem Titel „How Africa Trades“ erscheint im Frühjahr 2023, doch zentrale Forschungsergebnisse liegen schon jetzt vor.
Diese zu präsentieren und mit Entscheidungsträger_innen auf Europäischer Ebene ins Gespräch zu kommen, war Ziel einer dreitägigen Besuchsreise in Brüssel, co-organisiert von der FES Brüssel und dem Referat Afrika der FES. Gemeinsam mit Prof. David Luke und Prof. Melaku Desta, dem Koordinator des Trade Policy Centers bei der Wirtschaftskommission für Afrika der Vereinten Nationen (UNECA), fanden verschiedene Gesprächstermine mit Europaabgeordneten, Think Tanks und Vertreter_innen der Europäischen Kommission statt. So machten u.a. die Europaabgeordneten Udo Bullmann (Koordinator im Entwicklungsausschuss für die S&D Fraktion im Europaparlament) und Joachim Schuster (Mitglied im Wirtschaftsausschuss und Leiter des Gesprächskreises Afrika) deutlich, dass Europa die Interessen der Afrikanischen Staaten bei der Gestaltung von Handelsbeziehungen stärker in den Blick nehmen müsse. Nur durch eine veränderte EU-Handelspolitik könne der europäische Anspruch, Beziehungen „auf Augenhöhe“ zu haben, auch nur annähernd erfüllt werden.
Nachhaltiger Handel im Einklang mit der afrikanischen Freihandelszone gefordert
Die Forschung von Prof. David Luke zeigt, dass Europa – anders als von vielen angenommen – noch immer größter Handelspartner Afrikas, sowohl in Bezug auf Importe als auch Exporte ist und damit vor China liegt. Der Anteil Afrikanischer Exporte nach Europa nimmt jedoch langsam ab – eine besorgniserregende Entwicklung so Prof. Luke. Er fordert eine Neujustierung der Europäischen Handelspolitik, die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent im Sinne der Agenda 2030 und die regionalen Integrationsbemühungen der afrikanischen Staaten stärker in den Mittelpunkt stellt. Dazu gehöre u.a., den Fokus der EU auf die Implementierung und Neuabschließung von sogenannten Economic Partnership Agreements (EPA) auf Kompatibilität mit der afrikanischen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area, AfCFTA) hin zu überprüfen. Denn diese könnten regionale bzw. kontinentale Integration verhindern. Auch fordern David Luke und Melaku Desta, dass die afrikanischen Staaten gegenüber externen Akteuren wie Europa noch stärker mit einer Stimme sprechen, um eine bessere Verhandlungsposition einnehmen zu können.