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Wie kann gesellschaftliche Vielfalt stärker in der Kommunalpolitik abgebildet werden?
Diese Frage diskutieren der lokale Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen (LAKA BW) und FES in einer Veranstaltungsreihe in Baden-Württemberg. Wir sprachen mit ArgyriParaschaki, Geschäftsführerin der LAKA BW, über die Hintergründe.
Das Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg und der LAKA BW organisieren in diesem und kommendem Jahr mindestens fünf Diskussionstermine zum Thema „gesellschaftliche Vielfalt in der Kommunalpolitik“. Warum wurde gerade dieses Thema für die Veranstaltungsreihegewählt und weshalb haben Sie sich für die FES als Partner entschieden?
Dieses Thema ist für uns als Landesverband und somit auch für unsere Mitglieder in den Kommunen ein sehr wichtiges! Dieses Jahr hatten wir in Baden-Württemberg Landtagswahlen, diverse Oberbürgermeister_innenwahlen und natürlich auch die Bundestagswahl. Leider sehen wir, dass sich in Kommunalparlamenten die Vielfalt der Gesellschaft am wenigsten bis kaum widerspiegelt. Auf Landes- und Bundesebene ist das Ergebnis zwar etwas besser ausgefallen, aber trotzdem gibt es noch viel zu tun. Themen wie „Migration und Integration“ spielen in Wahlkämpfen keine Rolle – werden also gemieden – und wenn, dann werden diese Themen auf Flüchtlinge und Asylsuchende reduziert. Gesellschaftliche Vielfalt ist aber längst Realität und dafür wollen wir sensibilisieren und das Thema in die Öffentlichkeit tragen. Ausgangspunkt für die Kooperation mit der FES war deren Studie „Brücken bauen für die Demokratie“. Die Studie untersucht generell die zunehmende Distanz zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement und politischen Parteien und der Kritik vieler Bürger_innen, dass ihre Interessen von den Parteien nicht mehr vertreten werden. Die Interessen von Menschen mit ausländischen Wurzeln sind zwar nicht Gegenstand der Untersuchung, doch sind viele der Befunde auch für migrantische Gruppen relevant. Da Repräsentation und Partizipation in allen Bereichen (Politik, Gesellschaft, Verwaltungen, …) für die LAKA zentrale Themen sind, wollten wir diesen Diskurs um die Interessen migrantischer Gruppen erweitern.
Wo sehen Sie die größten Hindernisse für Migranten_innen auf ihrem Weg in die Kommunalpolitik?
Zunächst einmal ist es wichtig, sich mit der eigenen Kommune zu identifizieren, dafür wiederum braucht es Vorbilder, die die Themen „schmackhaft machen“, die „zum Anfassen“ sind, die Beteiligung „erlebbar“ machen. Vorbilder können als Brückenbauer zwischen Verwaltung und Politik auf der einen Seite und Menschen mit Migrationshintergrund und deren Communities auf der anderen Seite agieren und fungieren. Diese Brückenbauer bzw. Vorbilder sind aktuell leider kaum vorhanden und wenn, dann wenig sichtbar. Die gilt es zu ändern und sie endlich sichtbar zu machen! Außerdem braucht es Wissen – politische Bildung -um partizipieren zu können und das Verständnis, dass vieles im Alltag Politik ist und mich selbst betrifft. Nur so kann ich selber aktiv werden, um meine Interessen platzieren, aber auch vertreten zu können.
Menschen mit Migrationshintergrund haben es in der Politik hingegen häufig schwerer. Es fehlen die Netzwerke und sie werden bei ihrem Engagement häufig auf die Migrationsthemen reduziert. Seit Jahren bestimmt außerdem die Flüchtlingsdebatte die Integrationsdebatte und somit die gesellschaftliche Entwicklung. Den Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Stunde, den sogenannten Gastarbeitern, fehlt die offizielle Wertschätzung ihrer Leistung für die deutsche – für unsere – Gesellschaft. Dieses Gefühl, „nicht verstanden“ und „nicht wergeschätzt“ zu werden, machen sich im Übrigen auch ausländische Regierungschefs zunutze. Sie mischen sich in Deutschland ein und werben aktiv um die Gunst der hier lebenden Menschen mit Migrationsgeschichte. Ausländische Politiker_innen füllen somit ein Vakuum, das die deutsche Politik, ehrlich gesagt, auch lange einfach wachsen ließ. Nach jahrelangem Zögern, versucht man dies nun auszugleichen. Mein Wunsch wäre, dass alle demokratischen Parteien die Menschen viel stärker emotional abholen. Das gelingt der deutschen Politik nach wie vor nicht so gut. Dabei ist es für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft heute wichtiger denn je!
Was muss sich ändern, damit es mehr Vielfalt in der Kommunalpolitik gibt und welche Rolle spielen dabei Parteien?
Zum einen müssen sich die Lebenswelten und -wirklichkeiten auch in den Parteien widerspiegeln. Parteien müssen sich vielfältiger aufstellen. Damit meine ich nicht nur die kulturellen oder ethnischen Herkünfte, sondern auch das Geschlecht, die Berufsgruppen etc.. Forderungen, wie das kommunale Wahlrecht für alle, sind bereits seit Jahrzenten auf dem Tisch und in anderen europäischen Ländern unaufgeregte Praxis. Dafür müssen wir uns alle politisch einsetzen. Denn wir können es uns gesellschaftlich nicht leisten, dass die bereits bestehende Repräsentations- und Teilhabelücke dieser Bevölkerungsgruppe im Zuge des demografischen Wandels noch größer wird und dass wir als Gesellschaft das vorhandene Potenzial in diesem Teil der Bevölkerung nicht nutzen.
Was sind die thematischen Schwerpunkte der LAKA und was tut sie, um die politische Teilhabe von Menschen mit ausländischen Wurzeln zu fördern?
Unser Schwerpunkt liegt auf der Interessensvertretung der Menschen mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg. Wir beraten Verwaltung und Politik auf kommunaler, auf Landesebene, aber auch auf Bundesebene zu integrationspolitischen Themen, sensibilisieren für die Belange für Menschen mit Migrationshintergrund und bringen so Sichtweisen in politische Entscheidungsprozesse ein, die oft übersehen werden.
Beratung von Verwaltung und Politik ist für uns ein Schwerpunktthema und das Empowern der Mitglieder von kommunalen Migrant_innenvertretungen der Gemeinden, Städten oder Landkreise ein weiteres. Durch einen regen Austausch online oder vor Ort, durch Vernetzung im Land, durch Treffen auf Landesebene und durch Fortbildungen und Wissensvermittlung empowern wir die Mitglieder, so dass sie am politischen Diskurs partizipieren und politische Entscheidungen mitgestalten können. Gleichzeitig vermitteln wir Entscheidungen von Verwaltungen und Politik und fördern Verständnis dafür. Eine klassische Wechselwirkung also.
Sie haben bei den vergangenen Wahlen für den deutschen Bundestag kandidiert. Wie haben Sie Ihren Weg in die Politik gefunden und welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Ich kam über meine Wahl in den gemeinderätlichen Ausländerausschuss in die Politik– also auf kommunaler Ebene über die Migrant_innenvertretung. 2001 wurde ich in Esslingen am Neckar in den Ausländerausschuss gewählt und habe dann, über die Mitgliedschaft im Landes- bzw. Bundesverband, mein Engagement ausgeweitet. Für die Mitgliedschaft in einer Partei habe ich mich erst später entschieden, im Jahr 2003. Mein jahrelanges bürgerschaftliches und politisches Engagement auf kommunaler Ebene, Landes- und Bundesebene hat mir während des Wahlkampfes geholfen, Themen ganzheitlicher zu betrachten. Meine Kandidatur für den Bundestag war eine tolle Erfahrung, mit ein paar wenigen negativen und vielen positiven Erlebnissen! Und natürlich muss man für Ämter und Positionen kandidieren und steht im Wettbewerb mit anderen Bewerber_innen. Und auch wenn nicht jede Kandidatur zum Erfolg führt, so ist es doch grundsätzlich einfach wichtig, dass man sich bürgerschaftlich, ehrenamtlich und politisch engagiert und partizipiert, damit man Themen platzieren und Gesellschaft mitgestalten kann.
Wir danken Ihnen für das Interview!
Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe „Brücken bauen für die Demokratie. Wie kann gesellschaftliche Vielfalt stärker in der Kommunalpolitik abgebildet werden“ finden Sie auf der Webseite des Fritz-Erler-Forums der FES in Baden-Württemberg.
ArgyriParaschaki
ist Geschäftsführerin des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen in Baden-Württemberg.
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