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Die Pandemie hat die bestehenden Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt noch verschärft. Wer besonders betroffen ist und welche Lehren sich daraus für die Politik ergeben, diskutierten Wissenschaftler_innen und Praktiker_innen auf der Jahrestagung der SAMF e.V.
Jobverlust, Einkommensausfälle und wenige Neueinstellungen: Die Corona-Pandemie hat das deutsche Beschäftigungssystem zumindest temporär schwer getroffen. Im Rahmen der diesjährigen Tagung der Deutschen Vereinigung für Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung (SAMF) e.V., die gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung ausgerichtet wurde, analysierten und diskutierten Expertinnen und Experten verschiedener Wissenschaftszweige die Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt.
Den Höhepunkt der Tagung „Die Bewältigung der Corona-Krise – wie robust ist das deutsche Beschäftigungssystem?“ bildete die Podiumsdiskussion zum Abschluss. Unter der Moderation der Journalistin Ulrike Herrmann diskutierten Vanessa Ahuja, Abteilungsleiterin für Arbeitsmarktpolitik, Ausländerbeschäftigung, Arbeitslosenversicherung, Grundsicherung für Arbeitsuchende im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Thorben Albrecht, Leiter Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik beim Vorstand der IG Metall, Christina Ramb, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, und Prof. Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Im Fokus stand die Frage, welche Lehren aus der Pandemie für die deutsche Arbeitsmarktpolitik zu ziehen sind.
Viel Beachtung fand die Lage der Solo-Selbstständigen. Da diese meist nicht in der Arbeitslosenversicherung versichert sind, ging das Ausbleiben ihrer Einkünfte oftmals mit dem Bezug der Grundsicherung für Arbeitsuchende einher. Die kontrovers diskutierten Vorschläge auf dem Podium reichten von weiteren Anreizen zu einem freiwilligen Eintritt in die Arbeitslosenversicherung bis hin zu einer generellen Vereinfachung des Zugangs zur Arbeitslosenversicherung für alle und der Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes.
Weitgehende Übereinstimmung herrschte auf dem Podium darin, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende einer Reform bedürfe. Während der Pandemie wurden die Regeln zur Anrechnung des Privatvermögens kulant ausgestaltet und eine befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen eingeräumt. Ob diese Handhabung auch über die Pandemie hinaus Bestand haben sollte, wurde unterschiedlich beurteilt. Da zu einer gelingenden Arbeitsmarktintegration „auch Rahmenbedingungen der persönlichen Lebensführung“ (Walwei) gehören, wurde u.a. die Einführung einer Karenzzeit, innerhalb derer Bezieher_innen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in ihrer angestammten Wohnung bleiben können, vorgeschlagen. Dem gegenüber stand die Forderung nach der Rückkehr zu den Regularien, die vor der Pandemie galten.
Um das deutsche Beschäftigungssystem langfristig zu stärken, bedarf es – so waren sich die Dikutant_innen einig – auch der beruflichen Weiterbildung. Auf dem Podium wurde von Gewerkschaftsseite darauf verwiesen, dass unter den Beschäftigten ein großes Interesse an Qualifizierung bestehe, in den Unternehmen jedoch noch zu wenig umgesetzt werde. Aus Sicht des BMAS liegt die Ursache dafür u.a. in mangelnden Kenntnissen der Möglichkeiten zur staatlichen Weiterbildungsförderung. Neben den Personen, die bereits in Normalarbeitsverhältnissen beschäftigt sind, würden vor allem Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen von beruflicher Qualifizierung profitieren, so der Befund des IAB. Dies könnte auch den Übergang von einer geringfügigen in eine Vollzeitbeschäftigung erleichtern. Auch die Arbeitgeberseite plädierte für eine gezielte Förderung, um die berufliche Aufwärtsmobilität zu unterstützen.
Mit der Stärkung der Weiterbildung sowie den Reformoptionen von Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung für Arbeitsuchende wurde in der Podiumsdiskussion ein Ausschnitt der möglichen Handlungsfelder zur Stabilisierung des deutschen Beschäftigungssystems und zur Reduzierung sozialen Ausschlusses angerissen. Dass die Pandemie indes die Arbeitsmärkte schwer getroffen hat, belegten die vorangegangenen Vorträge und Diskussionen des Kongresses. Demnach sind die Folgen für die Arbeitsmärkte gravierender als die der Finanzkrise von 2008/2009. Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit und Lohneinbußen sind Geringverdiener und Geringqualifizierte. Geographisch stieg die Arbeitslosigkeit vor allem in strukturschwachen Regionen und in Ostdeutschland an.
Dabei hatte das viel genutzte Kurzarbeitergeld deutlich abfedernde Wirkung und trug zur Stabilisierung der Beschäftigung bei. Dennoch zeigten die Vorträge und Diskussionen der SAMF-Jahrestagung, dass sich durch die Corona-Krise bestehende Disparitäten auf dem Arbeitsmarkt noch verschärft haben. Vor allem diejenigen, die schon vor der Pandemie schlechter gestellt waren, wurden durch die Krise schwer getroffen: die Arbeitslosen, Geringqualifizierten und atypisch Beschäftigten.
„Es sind diese Gruppen, um die wir uns kümmern müssen“, resümiert Olaf Struck, Vorstandsvorsitzender der SAMF e.V. Dabei sei die Entwicklung von passgenauen Lösungen eine große Herausforderung und eine Daueraufgabe für Wissenschaftler_innen und Praktiker_innen.
Die Präsentationen zu den Vorträgen werden auf der Seite der SAMF e.V. zur Verfügung gestellt.
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