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Die Weltgemeinschaft trifft sich in der Wüste, um über Klima-TÜV, Klimafinanzierung und den fossilen Ausstieg zu entscheiden. Wo stehen wir genau?
2023 wird wahrscheinlich das heißeste Jahr seit 125.000 Jahren sein und wie jedes Jahr trifft sich die Weltgemeinschaft zum Klimagipfel (COP28), diesmal in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Im bisher heißesten Jahr der Klimakrise drängen sich auf der COP28 viele Fragen auf: Wo stehen wir eigentlich acht Jahre nach der umjubelten Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens bei der COP21? Kann die Staatengemeinschaft sich endlich auf einen globalen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen einigen? Hat die Klimadiplomatie im Schatten kriegerischer Auseinandersetzungen und in einem autoritären und von Öl abhängigen Gastgeberland überhaupt eine Chance?
Doch fangen wir mit den Hausaufgaben des Pariser Klimaabkommens an: Zum ersten Mal wird mit der Globalen Bestandsaufnahme (Global Stocktake), also einer Art Klima-TÜV, genau untersucht, welche kollektiven Fortschritte die Staatengemeinschaft bei Klimaschutz, Anpassung und Klimafinanzierung gemacht hat. Basierend auf dem Ergebnis sollen ambitioniertere nationale Klimaziele (Nationally Determined Contributions, NDCs) und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung getroffen werden. Das ist ein wichtiger Meilenstein, doch schon jetzt ist klar, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichen: 2023 verzeichnete weltweite Hitzerekorde und die Welt steuert auf drei Grad Erwärmung zu. Für das Pariser 1,5-Grad-Ziel müssten die Emissionen bis 2030 um 42 Prozent gesenkt werden.
Um die Emissionen weltweit zu senken sind drei Maßnahmen auf der COP28 zentral: Erstens muss ein globales Ziel für die Verdreifachung des Ausbaus erneuerbarer Energien beschlossen werden und zweitens die Verdoppelung der jährlichen Energieeffizienzsteigerungenbis 2030. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn der COP28-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber hat sich selbst in den letzten Wochen deutlich hinter diese Ziele gestellt, die vor allem von Deutschland und der EU gefordert werden.
Ein politischer Knackpunkt wird jedoch der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen sein; dieser ist dringend notwendig, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Auch der Synthesebericht für die erste Globale Bestandsaufnahme empfiehlt den Ausstieg bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energien. Während die EU sich für einen weltweiten Ausstieg unverminderter fossiler Brennstoffe in diesem Jahrzehnt einsetzt, lehnen Öl- und Gasländer sowie große Schwellenländer einen gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ab, da ihr Wohlstand auf fossilen Energien beruht oder sie diese als Grundlage für ihre wirtschaftliche Entwicklung sehen. Stattdessen betonen Länder wie die VAE und Saudi-Arabien den umstrittenen Einsatz von CCS-Technologien (Carbon Capture and Storage) zur Minderung bzw. Abscheidung und Speicherung von CO2.
Beim Übergang in ein post-fossiles Zeitalter muss soziale Gerechtigkeit im Sinne einer Just Transition (sozial gerechter Strukturwandel)im Fokus stehen. Das bedeutet u.a., dass Gewerkschaften, indigene Gruppen und andere zivilgesellschaftliche Akteure in Entscheidungen eingebunden werden, und ein Verständnis für gute und menschenwürdige Arbeit (Decent Work)etabliert wird, welches auf der sozial-ökologischen Transformation und internationalen Arbeits- und Menschenrechten beruht. Positiv ist, dass auf der COP erstmalig ein Just Transition Work Programme erarbeitet wird. Dieses sollte alle Sektoren, in denen ein gerechter Übergang notwendig ist, berücksichtigen und ganzheitlich die sozio-ökonomischen Dimensionen von Klimakrise und Klimaanpassung in den Blick nehmen.
Eine sozial gerechte Energiewende und globale Klimagerechtigkeit lassen sich am Ende nur mit ausreichender Finanzierung und der Unterstützung des Globalen Südens durch die reichen Industrieländer erreichen. Bisher wird beispielsweise nur ein geringer Bruchteil der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien in Ländern des Globalen Südens getätigt. Neue Partnerschaften wie die Just Energy Transition Partnerships, welche es bereits mit Südafrika, Vietnam, Indonesien und dem Senegal gibt, können ein wichtiger Baustein für eine sozial gerechte Energiewende weltweit sein. Ein weiterer zentraler Verhandlungspunkt für Klimagerechtigkeit, an dem sich der Erfolg der COP28 messen lassen wird, ist die Operationalisierung des im letzten Jahr auf den Weg gebrachten Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damage).
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind kein einfaches Gastgeberland. Menschenrechte werden vielfach verletzt und die Abhängigkeit der VAE von Öl und Gas wirft die Frage nach Interessenkonflikten auf. Der CEO des staatlichen Ölkonzerns als COP28-Präsident schürt dabei kein Vertrauen, sondern eher die Befürchtung, dass die fossile Lobby auf dieser COP großen Einfluss nehmen wird. Der Forderung von über 100 Politiker_innen aus den USA und Europa Sultan Ahmed Al Jaber abzusetzen, verhallte wirkungslos.
In diesem Kontext und vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen und Kriege könnte die COP28 zu einer der schwierigsten und zugleich wichtigsten Klimakonferenzen werden. Das angespannte Verhältnis der beiden größten Treibhausgasemittenten USA und China könnte Fortschritte beim globalen Klimaschutz erschweren.
Die kürzliche Einigung der beiden Präsidenten auf eine verstärkte Zusammenarbeit im Kampf gegen die Klimakrise stimmt jedoch optimistisch, dass zumindest die Kanäle für Klimadiplomatie wieder offen sind. Letztendlich droht aktuell vor allem der Krieg im Nahen Osten die Verhandlungen zu überschatten: einerseits mit Blick auf die Spannungen zwischen westlichen Staaten und einzelnen Akteuren in der Region und dem Vorwurf arabischer Staaten über „westliche Doppelmoral“; andererseits mit Blick auf die drohende Spaltung der globalen Klimabewegung angesichts unterschiedlicher Positionierungen zum Konflikt in Israel und im Gazastreifen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Weltklimakonferenz unter diesen Umständen das dringend notwendige Signal senden kann, dass globale Lösungen und (Klima-)Diplomatie in einer polarisierten Welt noch möglich sind. Trotz Kritik am Format der Klimakonferenzen, die oft mit unverbindlichen Zusagen und Minimalkonsensen enttäuschen, sind sie ein wichtiges Forum internationaler Kooperation, auf dem alle Länder ein Mitspracherecht haben und gerade Länder des Globalen Südens eine globale Plattform für ihre Perspektiven und Forderungen finden. Mit hohen Temperaturen und hitzigen Debatten ist bei der Wüstenkonferenz jedenfalls zu rechnen.
Sarah Zitterbarth ist Referentin für internationale Klimapolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und wird an der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai teilnehmen.
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