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Die Bedeutung von Digitalisierung wird in den deutschen Kommunen bereits gesehen. Trotzdem hat fast die Hälfte aller Kommunen bislang noch keine Digitalisierungsstrategie entwickelt. Warum das so ist und wie eine solche Strategie entwickelt werden kann, erklärt Willi Kaczorowski im Interview mit der KommunalAkademie.
KommunalAkademie: Wo stehen die deutschen Kommunen im Hinblick auf die Gestaltung der Digitalisierung?
Kaczorowski: Die Bedeutung von Digitalisierung als Gestaltungs- und Strukturprinzip wird in den deutschen Kommunen bereits gesehen. Über 90% der Kommunen schätzen den Mehrwert der Digitalisierung als “hoch” bis “sehr hoch” ein. Die 2018-Umfrage des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zeigt jedoch auch die fehlende strategische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung: Nur 10 Prozent der Kommunen schätzen ihren Stand der Digitalisierung als „gut“ ein. Lediglich eine der insgesamt 450 teilnehmenden Kommunen bewertet ihren Digitalisierungsstand als „sehr gut“. Fast die Hälfte der Kommunen (47 Prozent) hat bislang noch keine Digitalisierungsstrategie entwickelt.
KommunalAkademie: Warum sollten Städte und Regionen eine Digitale Agenda erarbeiten?
Kaczorowski: Für die Städte gilt Folgendes:
Wachsende Städte stehen vor vielen Herausforderungen: Wohnungsknappheit, Verkehrs- und Energiewende, zunehmende soziale Spaltung oder unzureichende und marode Infrastrukturen. Eine digitale Agenda bündelt die Strategie und Projekte, die dazu beitragen, mit Hilfe intelligenter Informations- und Kommunikationstechnologie die Arbeits-, Aufenthalts- und Lebensqualität in den Städten zu verbessern.
In den Landkreisen/Regionen stellt sich die Situation anders dar:
Für die Landkreise/Regionen ist Digitalisierung unerlässlich als „Dableibevorsorge“. Hier kann Digitalisierung helfen, gesellschaftliche Teilhabe in allen Phasen des Lebens zu ermöglichen: Gesundheitsversorgung, Mobilität und altersgerechte Dienstleistungen müssen dafür an veränderte gesellschaftliche Strukturen angepasst, vernetzt und neu konzipiert werden. Digitale Dienste können beispielsweise genutzt werden, um bürgerschaftliches Engagement besser zu organisieren, zu vernetzen und dadurch effektiver zu machen oder um Versorgungslücken insbesondere im Bereich der Nahversorgung und Mobilität zu verkleinern und motivierte Menschen dabei zu unterstützen, für vitale Dorfzentren zu kämpfen. Sie nehmen damit auch den Druck, in die Städte abzuwandern und diese damit strukturell zu überfordern.
KommunalAkademie: Worauf sollten sie sich bei der Aufstellung konzentrieren?
Kaczorowski: Trotz der Schnelllebigkeit des digitalen Wandels wird eine Strategie benötigt. Im Seminar werden wir die einzelnen Schritte bei der Aufstellung einer digitalen Agenda intensiv erörtern. Das folgende Schaubild zeigt die Komplexität.:
KommunalAkademie: Mit wem sollten die Städte die Digitale Agenda aufstellen?
Kaczorowski: Im Allgemeinen gibt es drei Erarbeitungsstrategien. Erstens: Man kann gemeinsam mit einem IT-Unternehmen oder einem kommunalen Unternehmen eine Digitale Agenda erarbeiten. Eine Reihe von Smart City Projekte wie in Köln, München oder Hamburg hatten diese Strategie gewählt. Ein zweiter Ansatz ist es, die Digitale Agenda zusammen mit der Elite von Wirtschaft, Organisationen, Politik, Verwaltung und Wissenschaft zu erarbeiten. Da sitzen dann oft die üblichen Verdächtigen am Tisch, ohne dass dies nennenswert Wirkung in die Stadt selbst hinein entfaltet. Die dritte Strategie ist die gemeinsame Erarbeitung mit der Stadtgesellschaft.
KommunalAkademie: Sie arbeiten nicht nur als Autor sondern vermitteln Ihre Expertise auch in Seminaren und Workshops. Was lernen die Teilnehmenden bei Ihnen?
Kaczorowski: Im Seminar konzentriere ich mich auf die gemeinsame Erarbeitung einer Digitalen Agenda mit der Stadtgesellschaft. Die zentralen Fragen, die ich bearbeite sind:
- Wie erarbeite ich eine digitale Agenda für meine Kommune?
- Wie binde ich Wirtschaft und Zivilgesellschaft dabei ein?
- Welche Bausteine sollte eine digitale Agenda haben?
Wichtig bei der Betrachtung des Themas sind auch die personellen, strukturellen und technologischen Veränderungen, die in der Kommunalverwaltung zu initiieren sind. Hier wollen auch die Beschäftigten mitgenommen werden. Ich werfe immer auch einen kritischen Blick auf die möglichen Stolpersteine für die Realisierung der Strategie, damit die Agenda kein Papiertiger bleibt, sondern tatsächlich vort Ort umgesetzt wird!
Willi Kaczorowski ist seit 2013 freiberuflicher Strategieberater für Politik und Verwaltung. Er versteht sich als Brückenbauer zwischen Verwaltung und Wirtschaft, da er beruflich beide Welten miteinander verband. Er studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften in Berlin, Washington, D.C. und Speyer und arbeitete zunächst 10 Jahre im Lancesdienst von NRW und Brandenburg. 1994 trat er in die Unternehmensberatung ein und fokussierte sich bei KPMG Consulting (heute Bearingpoint) und Capgemini auf Verwaltungsmodernisierung. Anschließend war er zehn Jahre beim Technologieunternehmen Cisco als Direktor tätig.
Willi Kaczorowski beriet die Bertelsmann Stiftung von 2016-2017 im Projekt “Smart Country”. 2014 veröffentlichte er das Buch “Die smarte Stadt. Den digitalen Wandel intelligent gestalten. Handlungsfelder, Herausforderungen, Strategien” ( -> Leseprobe).
Darüber hinaus ist er Verfasser zahlreicher Buch- und Zeitschriftenartikel und Herausgeber des Podcasts “Smart City Talk”.
Bild: Willi Kaczorowski Trainer Kommunalakademie von Willi Kaczorowski (privat)
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