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In den vergangenen Jahrzehnten haben sich gesellschaftliche Vorstellungen von Elternschaft gewandelt – auch die Familienpolitik setzte immer wieder neue Impulse für mehr Partnerschaftlichkeit in der familiären Arbeitsteilung. Mit der Einführung des Elterngeldes 2007 ist politisch und gesellschaftlich viel Veränderung angestoßen worden – dennoch bleibt 15 Jahre später reichlich Raum für weitere Verbesserungen.
Die vorliegende Analyse zeigt, dass wir trotz alle Errungenschaften auch 2022 von einer egalitären Arbeitsteilung und gleichberechtigten Nutzung des Elterngeldes weit entfernt sind. Weniger als die Hälfte aller Väter nehmen in Deutschland das Elterngeld in Anspruch - und belassen es ganz überwiegend bei zwei Monaten, das "12+2"-Modell besteht daher weiterhin.
Gender-Pay-Gap, Gender-Care-Gap, soziale Ungleichheit – die Studie zeigt anschaulich, wie stark bestehende gesellschaftliche Strukturen verwoben sind. Praxisnah werden vielschichtige Lösungsoptionen aufgezeigt, um das Potenzial des Elterngeldes als Instrument einer feministischen und an Geschlechtergerechtigkeit orientierten Familienpolitik weiter auszuschöpfen. Die vier Reformschwerpunkte liegen in den Bereichen "Mehr Partnerschaftlichkeit", "Intensivere Väterbeteiligung", "Soziale Gerechtigkeit" und "Krisenfestes Elterngeld".
Die Reformvorschläge der Studie sind vielschichtig und unterschiedlich umsetzbar: Die in jedem Schwerpunkt vorgestellten Level „Bronze“ oder „Silber“ sind Reformvorschläge mit vergleichsweise geringerer Komplexität und Reichweite, die unkomplizierter und kurzfristiger realisierbar sein werden. Gerade die Möglichkeit, Reformideen aus dem Bronze-, Silberoder Goldlevel gegebenenfalls zu kombinieren, befördert ein politisches Gestalten auch mit unterschiedlicher Reichweite und differenziertem Zeithorizont.
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Wie könnte ein zukünftiges Elterngeld-Modell aussehen, wenn die vorgestellten Reformvorschläge umgesetzt sind? In unserem Comic zeigen wir ein Elternpaar, das entschieden hat, die verschiedenen Bausteine des Elterngeldes flexibel einzusetzen und sich Care-Verantwortung und Erwerbstätigkeit in den ersten anderthalb Jahren als Familie gleichberechtigter aufzuteilen. Eine ausführliche Beschreibung dieses Modells finden Sie im Fazit der Studie.
Vanessa Kiesel
Geschlechter- und Familienpolitik
+49(0)228 883 7138vanessa.kiesel(at)fes.de
Das 2007 in Deutschland eingeführte familienpolitische Instrument „Elterngeld“ soll es Eltern ermöglichen, nach der Geburt eines Kindes die Erwerbsarbeit einige Zeit ganz ruhen zu lassen oder die Arbeitszeitdauer zu reduzieren, um in dieser Phase mehr Zeit für die Familie zu haben. Der Verdienstausfall, der mit einer solchen Erwerbsunterbrechung oder Arbeitszeitreduzierung einhergeht, soll durch eine einkommensabhängige Transferzahlung – dem Elterngeld – für den jeweils wegfallenden Einkommensanteil abgefedert werden. Eltern haben dabei die Wahl, während des Bezuges von Elterngeld gar nicht oder aber währenddessen in Teilzeit mit bis zu 32 Wochenstunden zu arbeiten und können auf diese Weise Elterngeld und Teilzeiteinkommen kombinieren. Das Elterngeld richtet sich explizit an alle Eltern, die mit einem Kind zusammenleben, ob in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, mit Adoptivkindern oder als Alleinerziehende.
Familie ist vielfältig - und obwohl die Elterngeldbestimmungen auf ganz unterschiedliche und diverse familiäre Lebenssituationen ausgelegt sind, werden in der Studie vor allem geschlechterspezifische Effekte – und damit auch Veränderungsbedarfe – des Elterngeldes in den Blick genommen. Weil das Elterngeld als Einkommensersatzleistung stark durch geschlechterspezifische Ungleichheiten in der Arbeitswelt (Entgelthöhe, Entgeltlücke, Erwerbsumfang, Karrieremöglichkeiten etc.) genauso wie innerhalb der Familie bestimmt wird und sich die Art seiner Inanspruchnahme dementsprechend zwischen Frauen und Männern stark unterscheidet, ist dieser engere und binäre Blick notwendig. Daher richten sich die gleichstellungspolitischen Ziele des Elterngeldes explizit auf Mütter und Väter – und eben nicht nur ganz abstrakt auf Eltern. Aus diesem Grund werden die betroffenen Eltern bzw. Partner_innen auch in dieser Studie ganz bewusst als „Mütter“ und „Väter“ bezeichnet.
Das Basiselterngeld wird grundsätzlich für zwölf Monate nach der Geburt gewährt. Sofern sich beide Elternteile des Kindes (für mindestens jeweils zwei Monate) an der familienbedingten Erwerbsunterbrechung oder Arbeitszeitreduzierung beteiligen, erhöht sich der Nutzungsumfang auf 14 Monate. Diese insgesamt zwölf bzw. 14 Monate Basiselterngeld können nahezu beliebig zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden. Das heißt, die Monate können genau hälftig oder aber auch mit starker Schwerpunktsetzung auf nur einen Elternteil genutzt werden, sodass maximal zwölf der 14 Monate auf einen Elternteil entfallen können. Das 2015 eingeführte ElterngeldPlus ermöglicht eine Verteilung des gesamten Elterngeldbudgets über einen längeren Zeitraum. Je ein Monat Basiselterngeld kann in zwei Monate ElterngeldPlus umgewandelt werden. Die Bezugsdauer des Elterngeldes kann sich damit verlängern – im Maximalfall sogar verdoppeln. Allerdings halbiert sich damit auch die Höhe des monatlich ausgezahlten Elterngeldbetrages. Das Elterngeld- Plus unterstützt damit insbesondere Nutzungsmuster, in denen (beide) Eltern während des Elterngeldbezugs in Teilzeit erwerbstätig bleiben wollen und daher auch ein Teilzeiteinkommen beziehen. Dies ist gerade für Paare interessant, die sich Erwerbs- und Care-Arbeit hälftig aufteilen, beide gleichzeitig in Teilzeit arbeiten, ihr Kind versorgen und Elterngeld beziehen wollen.
Der Partnerschaftsbonus ist ein ergänzendes Angebot für Eltern, die sich ihre familiären und beruflichen Aufgaben partnerschaftlich aufteilen. Der Bonus umfasst – in der aktuellen Version seit September 2021 – zwei bis vier zusätzliche Elterngeldmonate für jeden Elternteil. Er kann von Paaren (gemeinsam) für mindestens zwei bis maximal vier aufeinanderfolgende Monate in Anspruch genommen werden. Beide müssen in diesen Monaten gleichzeitig in Teilzeit mit 24 bis 32 Wochenstunden arbeiten. Der Partnerschaftsbonus erleichtert damit Nutzungsmuster, in denen beide Eltern gleichzeitig Betreuungsaufgaben und Teilzeitarbeit leisten.
Relevant für die Höhe des Elterngeldanspruchs ist das individuelle Erwerbseinkommens des jeweiligen Elternteils vor Geburt des Kindes. Das Basiselterngeld kann dabei zwischen 300 und 1.800 Euro betragen. Eltern, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, erhalten lediglich den Mindestbetrag von 300 Euro.Beim ElterngeldPlus beträgt die Höhe zwischen 150 und 900 Euro, der Mindestbetrag liegt hier bei 150 Euro.
Fast alle Mütter nutzen nach der Geburt eines Kindes Elterngeld. Das hat sich zwischen 2008 und 2018 kaum geändert. Anders dagegen bei den Vätern: Ihr Anteil der Inanspruchnahme des Elterngeldes hat für die Geburtsjahrgänge 2008 bis 2016 kontinuierlich zugenommen.
Aktuell beteiligen sich 42 Prozent aller Väter in Deutschland mit neugeborenen Kindern an der Nutzung des Elterngeldes. Nur ein Neuntel aller überhaupt elterngeldbeziehenden Väter (das heißt gut vier Prozent aller Väter insgesamt) nimmt dabei auch die Bausteine ElterngeldPlus und/oder Partnermonate für sich selbst in Anspruch, acht Neuntel belassen es beim Basiselterngeld – und damit ganz überwiegend bei den zwei sogenannten Partnermonaten. In den überwiegenden Fällen besteht daher ein "12+2"-Modell (im Basiselterngeld) fort.
Die Anzahl der in Anspruch genommenen Elterngeldmonate hat sich mit der Einführung von ElterngeldPlus, das heißt für alle ab Juli 2015 geborenen Kinder, deutlich verändert. Mit der im ElterngeldPlus angelegten Möglichkeit für beide Elternteile, das Elterngeldbudget über einen deutlich längeren Zeitraum in Anspruch zu nehmen, verlängert sich naturgemäß die durchschnittliche Bezugsdauer.
Väter nutzen aktuell (für 2018 geborene Kinder) im Durchschnitt 3,3 Elterngeldmonate, Mütter 13,6 Elterngeldmonate (vgl. Abbildung 5). Damit weisen Eltern, deren Kind 2018 geboren ist, eine längere Bezugsdauer auf, als Eltern, die Elterngeld noch nach der alten Regelung – und damit ohne Möglichkeit zur Nutzung von ElterngeldPlus – bezogen haben.
In Deutschland ist der Anteil an Familien, in denen ausschließlich die Mutter eines neugeborenen Kindes Elterngeldmonate in Anspruch nimmt, statistisch immer noch am größten. Nehmen beide Elternteile das Elterngeld in Anspruch, entfallen meist nur zwei Monate auf den Vater. Warum ist das so?
Ökonomische Faktoren spielen eine zentrale Rolle, also die Höhe des Haushaltseinkommens einerseits und die Einkommensaufteilung zwischen Vater und Partnerin andererseits. Viele Familien können es sich nicht leisten, im Basiselterngeld längere Zeit auf in der Regel 35 Prozent des monatlichen Einkommens des Vaters zu verzichten. Dieses Argument trifft umso stärker zu, je niedriger das Haushaltseinkommen der Familie ist und je stärker sich die individuellen Einkommen von Vater und Mutter in der Höhe unterscheiden.
Rund viermal so viele Mütter wie Väter hatten vor der Geburt ein Nettoeinkommen von weniger als 1.000 Euro/Monat. Mehr als die Hälfte aller elterngeldbeziehenden Mütter hatte vor der Geburt weniger als 2.000 Euro/Monat verdient (54 Prozent).
Als zweitwichtigstes Hindernis wird von den Vätern ein in Konkurrenz stehendes Nutzungsinteresse der Partnerin angeführt („Partnerin wollte zwölf Monate beim Kind bleiben“), welches ihre eigenen Nutzungsmöglichkeiten begrenzt. Allerdings muss hier kritisch hinterfragt werden, ob dieses Argument nicht in Wirklichkeit stärker auf die Wirkmächtigkeit des prägenden „12+2“-Aufteilungs-Leitbildes verweist, statt auf eine konfliktreiche Aufteilungsdiskussion innerhalb des Paares.
Auch betriebliche Faktoren wie insbesondere die Sorge um mögliche berufliche Konsequenzen oder vor negativen Reaktionen der Vorgesetzten aufgrund der Elterngeldzeit haben großen Einfluss auf die Entscheidung der Väter.
Aus gleichstellungspolitischer Perspektive muss das aktuelle Elterngeldmodell vor allem in Hinblick auf die ungleich lange Inanspruchnahme durch Mütter und Väter kritisch bewertet werden. Hier wirkt sich – neben anderen Faktoren – die asymmetrische Grundkonzeption der Elterngeldregelung mit ihren „12+2“-Anspruchsmonaten (im Basiselterngeld) ungünstig aus: Sie setzt die Nutzungsdauer von zwölf Monaten eines Elternteils sowie die ergänzende Mindestbeteiligung von zwei Monaten des anderen Elternteils als normatives Standardmuster, um die maximalen 14 Basiselterngeldmonate in Anspruch zu nehmen.
Entsprechend dieses kulturellen Leitbildes hat sich die durchschnittliche Bezugsdauer bei 75 Prozent aller elterngeldbeziehenden Väter auf genau zwei Monate eingependelt. Dagegen nutzen 73 Prozent aller elterngeldbeziehenden Mütter zehn bis 14 Elterngeldmonate für sich.
Das mit der Einführung des Elterngeldes verbundene Ziel einer deutlich stärkeren Übernahme von Care-Verantwortung durch die Väter ist bisher nur sehr begrenzt eingelöst worden. Von einer wirklich partnerschaftlichen Inanspruchnahme der Elterngeldphase durch Mütter und Väter sind wir noch weit entfernt. Auch die Einführung des ElterngeldPlus im Sommer 2015 hat daran nichts Wesentliches geändert. Deutlich stärkere Impulse für eine verlängerte Väterbeteiligung sowie eine Unterstützung der Wiederaufnahme von Erwerbstätigkeit durch die Mutter ergeben sich zwar aus dem Partnerschaftsbonus, dieser wird jedoch bisher nur sehr selten genutzt. Als wichtigste Ursache für die Nichtnutzung oder eine auf zwei Monate begrenzte Elterngeldnutzung von Vätern erweisen sich „finanzielle Gründe“ (vgl. Abbildung 10).
Eine ausreichende soziale Absicherung im Elterngeld für Paare mit einem oder mehreren kleinen Kindern wird mit der gegenwärtigen Einkommensersatzrate von 65 bzw. 67 Prozent nicht verlässlich sichergestellt. Das gilt vor allem für Familien mit geringen Einkommen. Ein nicht unbedeutender Teil der elterngeldbeziehenden Mütter und Väter war zwar vor der Geburt erwerbstätig, hat daher auch Anspruch auf ein Elterngeld oberhalb des Mindestbetrages, muss aber aufgrund eines geringen Nettoeinkommens von weniger als 1.500 bzw. 2.000 Euro pro Monat mit einem begrenzten Elterngeld rechnen.
Eine sozial gerechtere Einkommensersatzrate unterstützt einen offenen Zugang aller Familien zu allen Bausteinen des Elterngeldes und befördert zugleich immer auch das Ziel einer intensiveren Väterbeteiligung am Elterngeld.
Während der Corona-Pandemie wurden Eltern weitreichende Unterstützungsangebote an die Hand gegeben. Allerdings war ein Großteil dieser Maßnahmen – bedingt durch ihren Sonderstatus – nur bis 2021 wirksam. Sie dauerhaft zu einem Notfall-Maßnahmenpaket zusammenzuführen, mit dem das Elterngeld zukünftig „krisenfest“ gemacht wird, als sinnvolle Präventionsmaßnahme für mögliche, zukünftig auftretende landesweite Krisen, dies steht jedoch noch aus. Genauso könnte ein solches Notfallpaket aber auch einzeln und fallbezogen auf Familien angewandt werden, die sich vor eine spezifische familiäre Krise gestellt sehen und dafür Notfallmaßnahmen beantragen müssen.
Die Autor_inne schlagen vor, ein "Elterngeld-Jugend" einzuführen. Der Berechtigungszeitraum für diesen neuen Baustein ist bis zum vollendeten zwölften, 14. oder sogar 18. Lebensjahr des Kindes denkbar. Der zeitliche Umfang dieses Anspruchs auf „Elterngeld- Jugend“ sollte z. B. sechs Monate pro Elternteil betragen. In diesen sechs „Elterngeld-Jugend“-Monaten wird den Eltern auf Antrag eine finanzielle Unterstützungsleistung in Höhe von 150 Euro pro Elternteil (das heißt 300 Euro pro Familie) gewährt. Voraussetzung für den Bezug von „Elterngeld-Jugend“: Beide Eltern arbeiten parallel zueinander in kurzer Vollzeit/hoher Teilzeit.
Das hier skizzierte „Elterngeld-Jugend“ orientiert sich damit in wesentlichen Grundzügen an den Eckpunkten des seit 2015 in Deutschland bereits intensiv diskutierten Konzepts für eine noch einzuführende Familienarbeitszeit: