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Strategiedebatten der spanischen Parteien

Wie positionieren sich politische Bewegungen? Wie reagieren sie auf gesellschaftliche Stimmungen und mit welchen Themen verorten sie sich wie in der gesellschaftspolitischen Debatte? In dieser Übersicht über politische Strategiedebatten politischer Parteien in ausgewählten europäischen und außereuropäischen Ländern bemühen sich die Verfasser darum, politische Analysen nicht in Textform, sondern grafisch aufbereitet und zugespitzt darzustellen. Wir hoffen, mit diesem Produkt einen Beitrag zu einer konstruktiven Diskussion zu leisten. Stand Januar 2018.

Übersicht: Parteien und ihre Wählerinnen und Wähler

Die einzelnen Parteien in der Übersicht

Die strategische Lage der Partido Socialista Obrero Español (PSOE)

Bei den Parlamentswahlen 2016 erzielte die PSOE ihr niedrigstes Wahlergebnis seit Spaniens Rückkehr zur Demokratie. Dessen ungeachtet konnte die Partei die Position der zweitgrößten politischen Kraft in Spanien behaupten und ein Überholen (sorpasso) durch die Partei Podemos verhindern.

Krise der Partei nach Parlamentswahlen 2016

Nichtsdestotrotz führte der Wahlausgang zu einer der schwersten Krisen in der Geschichte der PSOE. Um eine Regierung zu bilden, hätte sich die Volkspartei (Partido Popular, PP) von den Sozialdemokraten tolerieren lassen müssen, aber der Parteivorsitzende Pedro Sánchez verweigerte dies und machte den mit seiner Weigerung verbundenen Ausspruch „Nein heißt Nein“ zu seinem Leitmotiv.

Trotz großen Drucks von innerhalb und außerhalb der Partei, änderte Pedro Sánchez seine Haltung nicht. Die inneren Spannungen führten zu einer unvorhergesehenen Konfrontation innerhalb der sozialdemokratischen Partei. Am Ende trat Sánchez von seinem Amt zurück, der enge Kreis seiner Unterstützer wurde degradiert und ein Gremium eingesetzt, um die Partei zu führen. Zusätzlich wurde ein Föderales Komitee (das höchste Entscheidungsgremium der Partei zwischen den Parteitagen) einberufen, um der Partei zu ermöglichen, den konservativen Rajoy als Präsidenten zu wählen.

Neuausrichtung der Partei

Anschließend fand im Mai 2017 die vorgezogene Wahl des Generalsekretärs statt. Susana Díaz und Pedro Sánchez traten gegeneinander an. Während Díaz die Parteimitte vertrat und von der Mehrheit der Parteiführer unterstützt wurde, führte Pedro Sánchez die linke Strömung an. Letztere erzielte einen Sieg mit über 50 Prozent der Stimmen, während Susana Díaz 40 Prozent erhielt und 10 Prozent einen dritten Kandidaten wählten.

Sánchez‘ Rückkehr an die Spitze der PSOE führte auch zu einem Wandel in der politischen Strategie: Die Partei rückte weiter nach Links, indem sie den Erhalt des Wohlfahrtsstaates zu ihrer Kernbotschaft machte. Im Lichte dieses Linksrucks wurden Forderungen, wie die nach einer neuen Bankensteuer zur Senkung des Rentendefizits diskutiert. Die Sozialdemokraten näherten sich hier sogar Unidos Podemos an und loteten die Möglichkeiten aus, mit ihnen eine Partnerschaft einzugehen. Auch wenn es ungewiss bleibt, ob dies offiziell stattfinden wird.

Wie verhält sich die Partei im Katalonien-Konflikt?

Bezogen auf den katalanischen „Prozess“ hat sich die PSOE  obwohl sie einige Aktionen der Regierung Rajoy kritisiert, dem „konstitutionalistischen“ Block zusammen mit der PP und den Ciudadanos (C’s) angeschlossen. Die Sozialdemokraten PSOE stimmte dafür, den Artikel 155 anzuwenden, nach dem die Regierung Kontrolle über die „Generalitat de Catalunya (die Regierung Kataloniens)“ übernahm.

Die PSC (katalanischer Arm der PSOE mit großer organisatorischer Unabhängigkeit) hatte ihrerseits immer eine weniger stark gegen den katalanischen Nationalismus gewendete Position eingenommen. Während der letzten Wahlen, sprach sich beispielsweise Miquel Iceta, der Vorsitzende der PSC für eine Begnadigung nationalistischer Politiker aus, die für ihre Rolle im Unabhängigkeitsprozess eingesperrt wurden. Diese Differenzen führten zu Spannungen zwischen der PSC und der PSOE, die durch den derzeitigen politischen Kontext noch verstärkt wurden.

Gegenwärtig zielt die Strategie der PSOE darauf ab, die Medien und die politische Agenda wieder auf soziale Themen zu fokussieren, um die Bedeutung der territorialen Debatte zu reduzieren, da dieses Thema der Partei schadet. Sowohl in Katalonien als auch im Rest Spaniens.

Die strategische Lage der Partido Popular (PP)

Eine der größten Herausforderungen für die Volkspartei stellt Korruption dar. Wichtige Funktionäre sowie die innere Funktionsweise der Partei stehen wegen Korruptionsverdacht vor Gericht (dazu gehören parallele Buchführung, Steuerhinterziehung und die Vernichtung von Beweismitteln). Trotz dieser Beschuldigungen ging die PP aus den Parlamentswahlen 2016 als stärkste Partei hervor.

In den vergangenen Jahren gab es einen  Generationswechsel in der PP. Mariano Rajoy unterstützte die Übernahme von Spitzenpositionen durch junge Parteiführer wie Andrea Levy, Pablo Casado und Javier Maroto. Diese Erneuerung findet ohne bedeutende innere Spannungen statt.

Wie verhält sich die Partei im Katalonien-Konflikt?

Während des Referendums über die katalanische Unabhängigkeit 2017 wurde die PP von katalanischen Nationalisten und einem großen Teil der spanischen Linken stark kritisiert für die Polizeigewalt, die angewendet wurde, um die Katalanen von der Wahl abzuhalten. Auf der anderen Seite wurde die PP auch von spanischen Nationalisten angegriffen. Zum einen, weil es ihnen nicht gelungen war, das Referendum zu verhindern und im Allgemeinen für den Umgang mit dem Konflikt, den sie als schwach und wenig effektiv wahrgenommen hatten. Bei den katalanischen Wahlen 2017 verlor die Partei sieben ihrer elf Sitze im Regionalparlament.

Nach den Wahlen und angesichts der momentan starken Zuwächse von Ciudadanos in den Umfragen, haben die Konflikte zwischen den beiden Parteien zugenommen. Das erste Mal bedroht eine politische Kraft die hegemoniale Stellung der PP im Mitte-Rechts-Spektrum Spaniens. Eine konfliktreiche Beziehung zwischen den beiden Parteien ist zu erwarten.

Text und Schaubilder:

André Krouwel - Gründer von Kieskompas BV & Freie Universität Amsterdam

Yordan Kutiyski - Analyst - Kieskompas BV

Oscar Moreda Laguna - General Operations Manager - Kieskompas BV

Projektkoordiantion:

Oliver Philipp - Friedrich-Ebert-Stiftung

Arne Schildberg - Friedrich-Ebert-Stiftung

Die strategische Lage der Ciudadanos (C's)

Ciudadanos (Die Bürger) ist momentan die Partei, die nach allen Meinungsumfragen das größte Wachstumspotential hat. Ihre starke Position ist stark beeinflusst durch die Ereignisse in Katalonien. Ciudadanos wurde in Katalonien gegründet, warb für die spanische Einheit und stellte sich dem katalanischem Nationalismus entgegen. Nach den Regionalwahlen in Katalonien vom 21. Dezember, wurde Ciudadanos die stärkste Partei. Es war das erste Mal, dass keine nationalistische katalanische Partei die Regionalwahlen gewann. Der Sieg war dem Erfolg der Partei geschuldet, die Stimmen der „Konstitutionalisten“ (Parteien, die die spanische Verfassung verteidigen anstatt der katalanischen Unabhängigkeit) zusammengebracht zu haben. Dieses Ergebnis und ihre Leistungen während der Krise haben dazu geführt, ihr Bild in der Öffentlichkeit und ihre Aussichten auf bedeutende Stimmengewinne zu verbessern.

Orientierung in Richtung Mitte

Auf der anderen Seite hat Ciudadanos versucht, sich in der ideologischen Mitte zu positionieren und führte Verhandlungen sowohl mit der PSOE und der PP. Während ihres Parteitags 2017  wurde die Partei ideologisch neu ausgerichtet und bezieht sich nicht mehr auf den „demokratischem Sozialismus“, sondern auf „progressiven Liberalismus“. Einige Parteiführer standen diesem Wandel kritisch gegenüber und argumentierten, dass die Partei sich zu sehr nach rechts bewegte. In der Tat hat die Partei einen Vorschlag für ein vereinheitlichtes Arbeitsgesetz vorgelegt, der den Schutz von Arbeitern und die Arbeitslosenunterstützung verringern würde. Trotz dieser Kritik, wurde die Richtungsänderung von 89 Prozent der Delegierten auf dem Parteitag begrüßt. Albert Rivera bestätigte, dass dieser Wandel Teil einer Strategie ist, um die Partei zu einem brauchbaren Koalitionspartner zu machen.

Die strategische Lage der Unidos Podemos (UP)

Podemos tauchte 2014 auf der politischen Bühne auf und erzielte einen beeindruckenden Stimmenzuwachs, wie er in der spanischen Geschichte noch nicht vorgekommen ist. Nachdem sie jedoch bei den Wahlen 2016 daran scheiterten, mehr Stimmen zu gewinnen als die PSOE, scheint die Partei schwierige Zeiten zu durchleben.

Interne Konflikte seit 2016

Die Partei erlebte eine Phase interner Konflikte zwischen den drei wichtigsten Strömungen: den „Pablistas“ (die Gruppierung um den Generalsekretär Pablo Iglesas), den „Errejonistas“ (angeführt von  Iñigo Errejón, verteidigen sie eine größere ideologische Vielfalt und weisen die Identifikation von Podemos als traditionelle linke Partei zurück) und den “Antikapitalisten” (diese Gruppe stammt aus einer alten Trotzkistischen Partei, die den linken Flügel innerhalb Podemos darstellt).

Der Kampf um die Kontrolle in der Partei endete damit, dass Errejón als Nummer zwei der Partei zurücktrat (er war einer der Gründer von Podemos und seit der Parteigründung Pablo Iglesias' rechte Hand). Ein anderer Streitpunkt war die Bildung von politischen Allianzen, besonders das Übereinkommen mit der Vereinigten Linken (Izqierda Unida, IU), eine linke Partei, die historisch von der Kommunistischen Partei Spaniens dominiert wurde (Partido Comunista de España).

Wie verhält sich die Partei im Katalonien-Konflikt?

Der Katalonien-Konflikt hat sich auf Podemos ebenfalls negativ ausgewirkt. Ihre Versuche, sich nicht für einen der beiden Blöcke zu positionieren, fand keinen Anklang bei den Wählerinnen und Wählern. Bei den katalanischen Wahlen im Dezember 2017, schnitt Unidos Podemos schlecht ab und verlor drei der elf Sitze, die sie zuvor hatten. Darüber hinaus hat ihre Position hinsichtlich des Unabhängigkeitsprozesses, was die Verteidigung des Referendums für Selbstbestimmung einschließt, im Rest des Landes für Kritik gesorgt.

Allgemeine Erläuterungen zu den Graphen

Wie wurden die Graphen erstellt?

  • Die Positionen basieren auf den Antworten (der potentiellen Wählerinnen und Wähler) bzw. Einordnungen (der Parteien) bezüglich 30 Aussagen zu den wichtigsten Wahlkampfthemen. Eine Position setzt sich aus einer Kombination der beiden Achsenpositionen zusammen („Links-Rechts“-Achse und „Libertär-Autoritär“-Achse), woraus sich eine zweidimensionale politische Landschaft ergibt.
  • Potentielle Wählerinnen und Wähler werden mithilfe einer zehnstufigen „Propensity-To-Vote“-Variable (Wahlwahrscheinlichkeit) erfasst, auf der die Befragten angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass sie jemals die jeweiligen Parteien wählen werden. Als potentielle Wählerinnen und Wähler werden solche Nutzerinnen und Nutzer bezeichnet, die diese Wahrscheinlichkeit für die jeweilige Partei mit den Werten 8, 9 und 10 auf der zehnstufigen Skala angegeben haben. Die durchschnittliche politische Position dieser potentiellen Wählerinnen und Wähler liegt in der Mitte der Ellipse.

Autoren

Text:

Guillermo Moreno Rodríguez - Studierte Politikwissenschaften an der Universität Complutense Madrid und „Political Engineering“ am Institut für politische Studien in Aix-en-Provence.

Schaubilder:

André Krouwel - Gründer von Kieskompas BV & Freie Universität Amsterdam

Yordan Kutiyski - Analyst - Kieskompas BV

Oscar Moreda Laguna - General Operations Manager - Kieskompas BV

Projektkoordianation:

Oliver Philipp - Friedrich-Ebert-Stiftung

Arne Schildberg - Friedrich-Ebert-Stiftung

Internationale Politikanalyse

Leitung

Dr. Michael Bröning

Kontakt

Hiroshimastraße 28
10785 Berlin

+49 (0) 30 / 269 35-7738

E-Mail-Kontakt




 

DieAbteilung Internationale Politikanalyse arbeitet an Schlüsselthemen der europäischen und internationalen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ziel ist die Entwicklung von politischen Handlungsempfehlungen und Szenarien aus der Perspektive der sozialen Demokratie.

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