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Studie: Kommunen - Kernstück deutscher China-Politik

Operative China-Politik findet in den Kommunen statt

Eine erfolgreiche Neuausrichtung deutscher China-Politik wird davon abhängen, wie sehr die Kommunen beteiligt werden
 

Die deutsch-chinesischen Kommunalbeziehungen besitzen längst eine geopolitische Relevanz– sei es in Bezug auf, Städtepartnerschaften, Kultureinrichtungen, die Entwicklung von China-Kompetenz, die Gestaltung von Lieferketten oder chinesische Investitionen in Schlüsselindustrien und Infrastruktur. Die Beziehungen sind  fester Bestandteil der Diskussionen über eine Risikominimierung (»De-Risking«) und den Aufbau von Resilienz gegenüber China.

Für eine erfolgreiche Neuausrichtung deutscher China-Politik ist es daher essentiell, die kommunalen Verbindungen und ihre spezifische Ausgestaltung stärker zu berücksichtigen. Entscheidungen über Investitionen und Partnerschaften werden überwiegend lokal getroffen und Verhandlungen von kommunalen Akteur_innen geführt. Ein neue China-Politik kann daher nur gelingen, wenn die Kommunen und ihre Akteur_innen, aber auch die einzelnen Bundesländer stärker mit einbezogen werden.

Unsere Studie wirft ein Schlaglicht auf die Rolle verschiedener Akteur_innen – aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bildung – in den deutsch-chinesischen Beziehungen und untersucht, wie sich das Verhältnis der verschiedenen Ebenen (Bund/Kommune, Land/Kommune) in den Kommunalbeziehungen ausdrückt.

Besonders berücksichtigt wird dabei, wie sich China seit der Machtübernahme Xi Jinpings 2012/13 tiefgreifend verändert hat und welche Konsequenzen dies für den deutschen Umgang mit China erfordert.

 

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

 


Zitate aus den Fokusgruppen

Eine erfolgreiche Neuausrichtung deutscher China-Politik wird davon abhängen, wie sehr die Kommunen und ihre Akteure beteiligt werden, um Prozesse wie De-Risking und den Aufbau nationaler wie europäischer Resilienz gegenüber China nachhaltig auszugestalten.

 

Kommunale Akteure entscheiden meist selbstständig über Investitionen oder Bildungs- und Kulturkooperationen mit chinesischen Akteuren. Sie sind Kernstück deutscher China-Politik.

Strukturelle Einschränkungen sind weitaus größer als eine oft implizierte »Naivität« kommunaler Akteure gegenüber der Herausforderung »China.

Ansprechpartner zur Studie: Stefan Pantekoek, Stefan.Pantekoek(at)fes.de, Referat Asien und Pazifik

Ansprechpartner für Presseanfragen: Johannes Damian, 030 26935-7038,  Presse@fes.de


Ergebnisse

Deutsch-Chinesische kommunale Partnerschaften

Derzeit pflegen über 80 Kommunen in Deutschland aktive Beziehungen und Kooperationen mit Partner_innen in China. Diese Beziehungen reichen von lockerem Informationsaustausch bis hin zu fest institutionalisierten Partnerschaften. Die ersten Kooperationsabkommen wurden bereits in den frühen 1980er Jahren unterzeichnet, getrieben durch Chinas Reform- und Öffnungspolitik, die neue Wege für Delegationsreisen in Bereichen wie Politik, Wirtschaft sowie Kunst und Kultur eröffnete.

Mit Chinas wirtschaftlichem Wandel haben sich auch die Ziele und Formen dieser Partnerschaften verändert. Während sie einst vorrangig im Kontext der Entwicklungshilfe gesehen wurden, stehen heute wirtschaftspolitische Interessen im Vordergrund. Die Kommunen zielen darauf ab, lokale Expertise im Umgang mit China zu vertiefen, chinesische Investitionen anzuziehen und kleinen sowie mittleren Unternehmen den Marktzugang in China zu erleichtern. Dies hat die Beziehungen erheblich vielschichtiger gemacht und zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in den Regionen Deutschlands geführt.

Untersuchungsregionen

Die gezielte Auswahl der Untersuchungsregionen für die Analyse deutsch-chinesischer Lokalbeziehungen reflektiert die Vielfalt und Komplexität dieser Verbindungen. Aufgrund der schwierigen Datenlage und der Vielschichtigkeit der Kooperationsmechanismen konzentriert sich die FES-Studie exemplarisch auf drei großflächige Regionen: den Großraum Düsseldorf/Duisburg, die Metropolregion Hannover, Braunschweig, Göttingen, Wolfsburg, sowie die Metropolregion Mitteldeutschland.

Die Auswahl der Regionen folgt spezifischen Kriterien, die sicherstellen, dass eine breite Palette von Perspektiven aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bildung einbezogen wird. Dabei spiegeln die Regionen unterschiedliche Erfahrungen und Infrastrukturen wider:
 

  • Großraum Düsseldorf/Duisburg: Zeichnet sich durch langjährige Erfahrungen im Austausch mit China und eine gut entwickelte Industrie- und Logistikinfrastruktur aus.
  • Metropolregion Mitteldeutschland: Hier wurden Beziehungen zu China nach 1990 neu etabliert, mit einer verstärkten Identifizierung Chinas als Wirtschaftspartner in den letzten zwei Jahrzehnten. Die Verfügbarkeit von Industrieflächen macht die Region besonders attraktiv für chinesische Greenfield-Investitionen.
  • Metropolregion Hannover, Braunschweig, Göttingen, Wolfsburg: Wird maßgeblich durch den Automobilsektor geprägt, der die deutsch-chinesischen Beziehungen in dieser Region dominiert.
     

Diese geografische und thematische Diversität ermöglicht einen umfassenden Einblick in die (wissenschaftlich bisher untererforschten) deutsch-chinesischen Lokalbeziehungen. Die Herausforderung besteht darin, die Tiefe und Geschichte dieser Verflechtungen in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
 

Veränderungen in China unter Xi Jinping

Massive politische und wirtschaftliche Veränderungen im China unter Xi Jinping haben die Debatte in Deutschland über den Umgang mit China verändert. Der Ton ist misstrauischer geworden. Es herrscht größere Verunsicherung darüber, wie weitgehend die Zentralisierungsprozesse in China reichen und welche Auswirkungen diese auf chinesische Akteur_innen haben. Die Unklarheit darüber, wer genau hinter dem jeweiligen chinesischen Unternehmen oder der Verwaltungseinheit steht und wie groß der Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) auf die Aktivitäten chinesischer Akteur_innen tatsächlich ist, hat zugenommen – insbesondere auf kommunaler Ebene. Unsicherheiten bestehen insbesondere bei Investitionen, Bildungskooperationen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten.

Unter Xi Jinping zeigt sich eine verstärkte Verzahnung von Innen- und Außenpolitik sowie wirtschaftlichen Maßnahmen. Diese enge Verflechtung stellt kommunale Entscheidungsträger_innen in Deutschland vor die Notwendigkeit, ein tiefergehendes Verständnis für China zu entwickeln. Ein fundiertes Kontextwissen ist entscheidend, um sich den wandelnden Gegebenheiten anzupassen und um im Umgang mit chinesischen Akteur_innen dauerhaft zu bestehen.

Definierende Elemente kommunaler China-Politik

Deutsche Kommunen und Akteur_innen konkurrieren mit Regionen sowohl innerhalb Deutschlands als auch in Europa um Wachstumsimpulse und Steuereinnahmen, die wirtschaftliche Kooperation und Investitionen mit sich bringen. Daher verfolgen viele Kommunen in Bezug auf ihre Partnerschaften mit China zwei wirtschaftliche Ziele: Einerseits sollen Investitionen und Ansiedelungen aus China eingeworben, andererseits lokale Unternehmen mit Handels- und Investitionspartnern in China unterstützt werden

Um diese Ziele zu erreichen, haben die Kommunen verschiedene Strategien und Instrumente zur Verfügung, wie in der folgenden Abbildung dargestellt:

Externe Risiken kommunaler Außenpolitik

Die Herausforderungen, die sich aus der Zusammenarbeit mit China auf kommunaler Ebene ergeben, sind nicht abstrakt, sondern haben oft sehr konkrete Folgen. Außenpolitischen Risiken kann nur in engem Austausch mit Land und Bund sowie durch Kompetenzaufbau vorgebeugt werden.

Außen-, aber insbesondere auch sicherheitspolitisch können Kommunen langfristig nicht ohne Hinweise und Kompetenzen von anderen staatlichen Stellen – sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene – erfolgreich agieren. Fehlende Beratungs- und Informationsangebote belasten dabei besonders kleinere Kommunen mit begrenzten Personalkapazitäten.

China-Kompetenz fördert Resilienz

Der Bedarf an Wissen über chinesische Akteur_innen, Strukturen, Diskurse und Strategien wird in den Kommunalverwaltungen durchgehend erkannt – obwohl China in vielen Kommunen nicht das wichtigste Thema ist. Trotzdem mangelt es vielfach an Erfahrung, Ressourcen und sowohl regionalen als auch überregionalen Plattformen, die ein schnelles und umfassendes Verständnis – über die generellen Informationen des Bundes hinaus – ermöglichen würden.

Um diesem Mangel zu begegnen, greifen einige Kommunen zur Selbsthilfe, indem sie Vernetzungsmöglichkeiten nutzen und schaffen, die auch dem Wissensaustausch dienen. Diese Netzwerke sind jedoch strukturell oft nicht fest etabliert und funktionieren eher als Ad-hoc-Formate.

Eine Vielzahl an Kommunen wünscht sich übergreifende Vernetzungsangebote in Partnerschaft mit der Landes- und Bundesebene. Für spezielle und akute Themen, zum Beispiel wenn Anfragen von chinesischen Interessent_innen nicht eingeordnet werden können, sind schnelle und unkomplizierte Kommunikationskanäle zu sachkundigen Stellen notwendig.

Distanz zwischen Berliner China-Politik und kommunaler Umsetzung

Kommunale Entscheidungsträger_innen fokussieren sich weiterhin auf die Potenziale, die deutsch-chinesische Wirtschaftskooperationen bieten, während auf Bundesebene die Risiken solcher Beziehungen verstärkt in den Vordergrund gerückt werden.

Diese unterschiedlichen Bewertungen chinesischer Investitionen und deren Auswirkungen gewinnen zunehmend an Bedeutung und führen zu einer merklichen Diskrepanz zwischen der Chinapolitik auf Bundesebene und ihrer praktischen Umsetzung in den Kommunen.

Die spezifischen Herausforderungen, Zielkonflikte und Prozesse auf kommunaler Ebene sind auf Bundesebene oftmals nur unzureichend bekannt, was die Entwicklung von durchdachten, strategischen Lösungsansätzen in der deutschen China-Politik erschwert.

Eine realistische Bewertung der Chancen und Risiken, die sich aus den deutsch-chinesischen Kommunalbeziehungen ergeben, ist daher nicht nur ein ergänzender Aspekt, sondern ein zentrales Element einer zukunftsweisenden China-Politik.


Konkrete Empfehlungen für Bund, Länder und Kommunen

Kommunale Akteur_innen hegen den Wunsch, ein gemeinsames Grundverständnis zu erzielen und institutionellen Wissens- und Erfahrungsaustausche zu forcieren. Ziel ist es, das »China-Dilemma« – Distanzierung von China bei gleichzeitiger Kooperation mit China – in der Praxis besser auflösen zu können.

 

Kommunale Ebene

Zwischen Anleitung durch den Bund und verbesserter Koordinierung mit Landes- wie Bundesebene

  • Förderung interkommunaler Netzwerke: Aufbau und finanzielle Unterstützung von Netzwerktreffen mit China-Fokus, um administrative und politische Herausforderungen zu diskutieren, statt Wettbewerb zu betonen.
  • Ausbau der Sprachkompetenz: Verstärkte Förderung von Sprachkenntnissen in Rathäusern, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um sektorübergreifende Kompetenzen ohne China-Spezialistentum zu fördern.
  • Unabhängige Informationsquellen über China: Etablierung von unabhängigen Informationsquellen über China (Stichwort: China-Hub), die über eine allgemeine Sammlung von Bundesdokumenten zu China hinausgehen. Dies ist zentral, damit frühzeitig erkannt werden kann, welche Ziele chinesische Akteur_innen verfolgen. Das ermöglicht, Bedrohungen durch chinesische Akteur_innen richtig und frühzeitig einzuschätzen und weiterhin Räume für produktive Auseinandersetzungen zu schaffen.
  • Verstärkte Präsenz in Brüssel: Im Zuge der Neuausrichtung deutscher und europäischer China-Politik werden auf EU-Ebene vermehrt wirtschaftspolitische Entscheidungen getroffen. Für Kommunen und ihre Interessenorganisationen ist es zentral, sich in Brüssel verstärkt Gehör zu verschaffen und eigene Interessen zu formulieren. Darüber hinaus sollte der Austausch unter europäischen Kommunen im Umgang mit chinesischen Partner_innen intensiviert werden.

Bundesebene

Kommunalbeziehungen als zentrales Kernelement der zukünftigen China-Politik

  • Einrichtung eines zentralen »China-Hubs«: Schaffung eines Hubs und Förderung dezentraler Ableger in Kooperation mit Ländern, Kommunen und anderen Förderer_innen, mit der Funktion ein deutschlandweites und sektorenübergreifendes Mapping chinesischer Aktivitäten auf kommunaler Ebene zu etablieren und dieses Mapping auch auf europäischer Ebene zu verstetigen. Kommunen und Länder können dies allein nicht leisten.
  • Klare Ansprechpartner_innen für Kommunen: Etablierung vertrauensvoller Kontakte und einer »Hotline« für schnelle, kompetente Unterstützung zu sensiblen Anfragen. Eine Möglichkeit wäre die Ernennung eine_r China-Beauftragten der Bundesregierung, die insbesondere beim Aufbau des »China-Hubs« und seiner Ableger koordinierend mitwirkt.
  • Berücksichtigung politischer Entscheidungen auf kommunaler Ebene: Konsequenzen politischer Entscheidungen müssen bis auf die kommunale Ebene durchdacht sein. Dazu braucht es  strategische Entscheidungen aus den unterschiedlichen Ressorts der Bundesregierung. Gleiches gilt für die Landesebene und die Sensibilisierung innerhalb von Landesbehörden und landeseigenen Unternehmen. Dies würde Kommunen auf ihrem Weg zu einem sicheren Umgang mit chinesischen Akteur_innen nachhaltig stärken.

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