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Heimat 2.0: Gemeinsame Entwicklung von Zukunft als organische Versöhnung
Der Begriff „Heimat“ ist schon vor seiner missbräuchlichen Vereinnahmung durch Rechtspopulisten keine feste Größe gewesen. Digitalisierung und Globalisierung jedoch haben in einer Welt mit immer weniger geografischen und sozialen Grenzen über die vielfältigen Definitionen von „Heimat“ hinaus, auch zu einer mitunter geradezu ideologischen Aufladung des individuellen Verständnisses von „Heimat“ geführt.
Dementsprechend sind die Sehnsucht nach Zugehörigkeit sowie die Fragen nach Orten für Zusammenhalt und Solidarität stets Kerninhalte von Debatten über die Zukunft unserer Gesellschaft in einer zusammenwachsenden Welt. Die Erörterung dieses Themenfeldes stand beim „6. Zukunftsdiskurs für Solingen“ mit einem hochkarätigen Experten-Quintett unter dem Titel „Herausforderung des Denkens – zwischen Globalisierung, Diversität und Heimat“ im Mittelpunkt.
Mit Leidenschaft und Empathie diskutierten im Zentrum für verfolgte Künste auf Einladung des Landesbüros NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Gesine Schwan (Humboldt-VIADRINA Governance Platform Berlin), die Autorin Prof. Ines Geipel (Berlin), Studiendekan Prof. Dr. Lutz Becker (Hochschule Fresenius Köln), die Schriftstellerin Özlem Özgül Dündar (Solingen) und Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach über progressive Definitionen von Heimat.
Die künstlerischen Impulse von Claudia Gahrke, Daniela Baumann und Peter Schilske zu Beginn der Veranstaltung nahmen das Publikum mit auf eine Gedankenreise in entfernte Galaxien und öffnen neue Zugänge zu dem Thema. Catharina Nielsen eröffnete als Vertreterin des Zentrums für verfolgte und betonte, dass „Globalisierung, Diversität und Heimat sowohl zur Struktur als auch zu den Ausstellungen des Zentrums gehören“. Schäfer forderte „die gewohnte Bahnen des Denkens aufzuwühlen“ und rechtspopulistischer Parolen mit Auseinandersetzungen und Argumenten zu entlarven in „Kampf um die Köpfe der Menschen“.
Für die Friedrich-Ebert-Stiftung ging Henrike Allendorf auf das Spannungsfeld zwischen Chancen und Ängsten in einer modernen Welt der Vielfalt ein: „Integration verstehen wir als einen Prozess, der Konflikte konstruktiv löst und Potenziale der Vielfalt zur Entfaltung bringt“, sagte Allendorf. „Ziel einer sozialen und demokratischen Integrationspolitik ist, dass Menschen dort, wo sie leben, an der Gesellschaft teilhaben können.“
Für Teilhabe als Ansatz für ein Zukunftsmodell von Heimat warb Gesine Schwan auf dem Podium nachdrücklich. „Es gibt natürlich die Heimat der Orte, wo man geboren und aufgewachsen ist oder auch lebt. Es gibt aber auch die Heimat der Zugehörigkeit, bei der es nicht um Gebäude, sondern um Menschen geht“, differenzierte sie zunächst grundsätzlich. Sie sehe, sagte Schwan, auch mit Verständnis für die Verunsicherung vieler Bürgerinnen und Bürger durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre weiter, einen engen Zusammenhang zwischen Partizipation und Heimat: „Mit dem Blick nach vorne ist Heimat das, wohin ich gehöre, weil ich mich an der Gestaltung des Ortes beteilige.“ Wenn Menschen, die sich in ihrem gewohnten Umfeld entfremdet fühlten, könnte ihre eigene Teilnahme an einer Entwicklung von Zukunft gemeinsam mit Zugezogenen zu „einer Art organischer Versöhnung“ führen. Es benötige dazu jedoch eines tauglichen Impulses.
Diesem Anstoß quasi zu einer „Heimat 2.0“ müssten die Anforderungen der globalisierten Welt mitnichten entgegenstehen, meinte Schwan. „Zusammenhalt in Vielfalt ist eine globale Aufgabe, das passt und gehört sogar mit Heimat zusammen. Ich kann örtlich und persönlich verortet sein und mich dort auch engagieren, aber trotzdem daran denken, dass alle Menschen in ihrer Würde gleich sind“, erläuterte sie ihre Sichtweise: „Demokratische Politik funktioniert am besten, wenn man sich an der Entwicklung des eigenen Ortes, der Heimat, beteiligt, denn damit nimmt man auch automatisch globale Herausforderungen wie den Klimawandel oder auch die Flüchtlingsfrage an.“ Lokal zu handeln hieße heutzutage zugleich auch global zu handeln.
Vor diesem Hintergrund seien die Kommunen inzwischen der „Raum des Geschehens“ und nicht mehr die nationalen Parlamente, sagte Schwan: „Weil man das Lokale mit dem Globalen verbinden muss, können da Menschen aufeinander zugehen.“ Die Berlinerin ermutigte dazu, der Komplexizität der modernen Welt und damit verbundenen Ohnmachtsgefühlen durch die Annahme von Herausforderungen und die konkrete Beteiligung an Entscheidungen vor Ort etwas entgegenzusetzen. Entsprechende Erfolgsmeldungen würden ein Korrektiv zu wahrgenommenen Schieflagen in der Gesellschaft, „die mit den Realitäten nichts zu tun haben“ und ein Gegengewicht zur „Politik der inneren Mauern“ bilden können.
Ines Geipel glich Schwans Aussagen als Flüchtling aus der ehemaligen DDR mit ihrem Blick auf die neuen Bundesländer ab. „In Ostdeutschland herrscht eine Gefühls- und Bewusstseinslandschaft, die viel mit Begrenzung und Abwehrverhalten zu tun hat, und in der es um Ängste geht. Da steht totale Vernetzung gegen sterbende Landschaften“, beschrieb die frühere Leistungssportlerin ihre Eindrücke. Die Publizistin konstatierte für diese Regionen, „dass es nach 30 Jahren Einheit einen Neuentwurf als Identität im Sinne von etwas Bindendem braucht“. Die Menschen im Osten sollten „so aufgefangen werden, dass sie es mit Selbstgestaltung zu tun bekommen“. Nach verschiedensten Brucherfahrungen bestehe bei der dortigen Bevölkerung ein „starker Wunsch, etwas gelingen zu lassen“.
Tim Kurzbach, für den „Heimat niemals ein abschließend kategorischer Begriff sein kann und immer so unterschiedlich sein wird, wie die Menschen, die ihn für sich definieren“, griff den Teilhabe-Aspekt aus Sicht der Kommunen auf. Er hob dabei positive Erfahrungen im Umgang mit der Vorstellung seiner Bürgerinnen und Bürger von Heimat hervor. „Bei der Suche nach einem Label für unsere Stadt sind wir erst durch die Beteiligung neu hinzugezogener Mitbürger_innen auf den Slogan ‚Mensch, Solingen‘ gekommen – ein passendes Label, denn so unterschiedlich wie seine Einwohner aus 140 Nationen ist auch die Identität von Solingen ohne Begrenzung“, sagte Kurzbach. Die Schlussfolgerungen des Kommunalpolitikers: „Trotz aller Ängste gibt es positive Ansätze, und wir brauchen eine Dynamik, durch die wir über Vielfalt ebenso reden können wie über die Ängste, damit wir dann auch wieder ein Zusammenkommen organisieren können. Wir brauchen aber auch mehr Wertschätzung für Kommunen, denn wir sind mehr als nur lokale Handlungsebenen, weil sich hier das Leben und damit auch Heimat ständig verändert.“
Darin stimmte Kurzbach grundsätzlich mit der türkischstämmigen und in der bergischen Klingenstadt geborenen Autorin Özlem Özgul Dündar überein. „Heimat wird zwar als feststehender Zustand wahrgenommen, zu dem man immer zurückkommen kann. Heimat ist aber etwas, was sich ändert und in Bewegung ist. Es ist eine Illusion, dass ein Ort in der Welt immer gleich bleibt“, führte die mehrfach preisgekrönte Solingen-Botschafterin aus. Auch sie plädierte für Teilhabe als Lösungsansatz für manches Problem: „Die Beteiligung ist wichtig. Die Erfahrung zeigt, dass etwas nur dann nicht gelingt, wenn es nicht angepackt wird.“
Auch Lutz Becker forderte zu mehr Initiativen gemeinschaftlichen Handelns in einem sich dauernd entwickelnden Umfeld auf. „Veränderung“, meinte der ebenfalls aus Solingen stammende Wirtschaftswissenschaftler, „muss nicht schlimm sein – man muss es nur probieren.“
Autor: Dietmar Kramer Redaktion: Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung
Außerdem finden Sie hier den Artikel zur Veranstaltung, der im Solinger Tagesblatt erschienen ist.
Bildung: Florian Dähne030 - 269 35 7056Florian.Daehne(at)fes.de
Arbeit: Susan Javad030 26935-8313Susan.Javad(at)fes.de
Digitalisierung: Stefanie Moser030 26935-8308Stefanie.Moser(at)fes.de